Sieg ohne Aufstieg

Alte Sprüche, unbekannter Spitzenkandidat - trotzdem wird die FPÖ stark wie nie

Im Vorfeld der steirischen Landtagswahl hat News die FPÖ im Wahlkampf begleitet. Die Analyse wird durch die Wahlergebnisse bestätigt und bleibt aktuell: Unter dem Baldachin in der Grazer Herrengasse wird an diesem Dienstagvormittag gezündelt. Mit Feuerzeugen, die getestet werden wollen. Eine Handvoll davon gibt es pro Passant, auf Wunsch noch eine zweite. Gezündelt wird aber auch mit Worten, gegen Zuwanderer, Asylwerber, Moscheen. "Es geht um die Moslems", sagt Gerald Hasewend, der hier Broschüren und Feuerzeuge verteilt, "etwas anderes wollen die Leute gar nicht hören." Hasewend ist Pensionist, einfaches Parteimitglied der Grazer FPÖ, und er hat verstanden, wie der blaue Wahlkampf funktioniert.

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Steiermark - Sieg ohne Aufstieg

Den Freiheitlichen werden bei der Landtagswahl in der Steiermark die größten Zuwächse prognostiziert. Vor fünf Jahren erreichten sie im Österreichvergleich unterdurchschnittliche 10,7 Prozent. Heuer könnten sie ihr Ergebnis von damals verdoppeln. Damit das gelingt, wird der Chef ins Rennen geschickt. Fünfmal trat Heinz-Christian Strache in der Steiermark im Wahlkampf auf. Im Burgenland, wo am selben Tag gewählt wird, gab er sich nur zweimal die Ehre. In der Steiermark wartet der größere Triumph. Könnte er auch der Wegbereiter in eine Bundesregierung sein?

Bei der Nationalratswahl 2013 erreichte die FPÖ in der Steiermark den ersten Platz. Und weil sie bei der Gemeinderatswahl im März in den traditionell roten Arbeiterstädten der Obersteiermark am deutlichsten zulegte, startete dort der Landtagswahlkampf: An einem einzigen Tag gastierte Heinz-Christian Strache in Mürzzuschlag, Leoben und Knittelfeld an der Seite des eigentlichen steirischen Spitzenkandidaten Mario Kunasek.

Unbekannter Spitzenkandidat

"Kuna-wer?", fragt Herr Walter, der seinen Nachnamen nicht in der Zeitung lesen will. Er sitzt auf einer Bierbank im Freizeitclub Nebenan, mitten in der Grazer Triestersiedlung. 8.000 Menschen leben hier in den ältesten Sozialwohnungen der Stadt. Der Anteil an Mindestsicherungsbeziehern, arbeitslosen Menschen und Frühpensionisten ist hier besonders hoch. Herr Walter führt am Vormittag Essen aus einer Großküche aus. Am Nachmittag trinkt er Bier im Nebenan. Auch Mario Kunasek wuchs in der Triestersiedlung auf, sein Gesicht ist hier oft plakatiert. Herr Walter kennt ihn nicht. Am Sonntag wird er ihn trotzdem wählen: "Ich hoffe, Strache gewinnt."

Die Verwechslung ist gewollt, denn Kunasek arbeitet streng nach Schablone. Er trägt eng sitzende Sakkos und Knotenarmbändchen, hält die Schultern hinten und die Hände vorne. Als Blaupause dient Heinz-Christian Strache.

Überhaupt geht es für die FPÖ in der Steiermark um weit mehr als nur um ein Bundesland: "Wenn wir die Kluft zwischen dem Zuspruch auf Landesebene und in der Bundespolitik verkleinern, spricht das für eine nachhaltige Stabilisierung der Partei", sagt der blaue Parteistratege Herbert Kickl.

Wahlerfolge aber keine Regierungsbeteiligung

Während die Grünen bereits in sechs Landesregierungen vertreten sind, bestimmt die FPÖ nirgends mit. Kann sie sich jetzt, mit einem starken Steiermark-Ergebnis, als Regierungspartner etablieren?


Auf Landesebene wohl kaum. Der blaue Wahlkampf war weitgehend eindimensional, stellenweise unschön. Mit bedrohlichen Grafiken aus Computerspielen hat man Asylwerber als Sicherheitsrisiko dargestellt, zwischen dem Bau einer Moschee und der Finanzierung von Wohnungen hat man bewusst einen falschen Zusammenhang hergestellt. Vor allem aber lassen der rote Landeshauptmann Franz Voves und sein schwarzer Stellvertreter Hermann Schützenhöfer keine Gelegenheit aus, zu betonen, dass sie ihre Regierungskoalition fortsetzen möchten. Geschlossen treten sie gegen die FPÖ an: "Diese Freiheitlichen haben kein liberales Element mehr, sondern sind habachtstehende Strämmlinge", sagt Schützenhöfer. "Ich hoffe, dass die Steirer unterscheiden können zwischen dem, was sie predigen und gar nicht umsetzen können, und dem, was wir an Reformarbeit geleistet haben." Bleibt allerdings die Frage, was passiert, wenn einer der beiden nach der Wahl erst gar nicht an den Verhandlungstisch kommt. "Wenn eine der zwei Regierungsparteien katastrophal abschneidet und es personelle Wechsel gibt, kann es zu großen Umbrüchen kommen", sagt der Politologe Anton Pelinka, der die FPÖ seit Jahrzehnten kritisch beobachtet.


Auf eine Abreibung für die Regierungsparteien hofft jedenfalls Lambert Schönleitner, der Spitzenkandidat der Grünen. "Ihre Politik hat der FPÖ den Boden aufbereitet", sagt er. Wenn es nach ihm geht, regieren danach freilich die Grünen in der Steiermark mit und nicht die FPÖ: "Bis jetzt ist noch jede blaue Regierungsbeteiligung über kurz oder lang im Graben gelandet. Wir müssen der Steiermark ein Kärnten- Schicksal ersparen."

Der südliche Nachbar ist für die steirische FPÖ der größte Stolperstein in diesem Wahlkampf. Und zugleich das -aus blauer Sicht -beste Argument für eine Regierungsbeteiligung: "Erst wenn die FPÖ wieder in einer Regierung vertreten ist, hat sie die Möglichkeit, das Gefühl, dass sie chaotisch ist, mit neutralen Bildern zu überlagern", meint der Meinungsforscher Christoph Hofinger. Auch der FPÖ-nahe Historiker Lothar Höbelt plädiert dafür, mitzuregieren: "Am liebsten mit den Roten im Burgenland und den Schwarzen in der Steiermark. Das heißt mehr Verantwortung, mehr Einfluss, mehr Macht."

Dass es dazu kommt, bezweifeln aber selbst die eigenen Kandidaten: "Wenn man es realistisch sieht, ist mit der Abschaffung des Proporzes eine Regierungsbeteiligung der FPÖ nicht mehr drin", sagt Hedwig Staller unter einem blauen Schirm am Grazer Kaiser-Josef-Platz. Sie strahlt trotzdem: "Die Stimmung ist super." Auf der Landesliste ist sie auf dem achten Platz gereiht, ihr Sitz im Landtag gilt als sicher. Die 42-jährige Blondine schimpft lieber über das Binnen-I als über Zuwanderer. Sie ist eine von vier Frauen auf den ersten zehn Listenplätzen der Freiheitlichen, die helfen sollen, mehr Wählerinnen anzusprechen. "Bei Frauen, die ein starkes Unsicherheitsgefühl haben, wirkt das", analysiert Hofinger, "bei allen, denen es um soziale Absicherung geht, nicht."

Fokus auf Kernthemen


Denn sozial-oder wirtschaftspolitische Themen spielen im FPÖ-Wahlkampf keine Rolle. Dafür gibt es unterschiedliche Erklärungen. "Die Zahl der Botschaften, mit denen man kampagnisieren kann, ist begrenzt", erklärt Parteistratege Kickl. " Strache hat seine Kernthemen, die funktionieren. Für den Rest fehlt ihm die Lust", sagt Historiker Höbelt. Bei den nächsten Nationalratswahlen werde den großen Erfolg, den zuletzt das BZÖ und das Team Stronach verhindert hätten, ohnehin nichts mehr verhindern: "Wenn eine Partei diese Stärke hat, ist es nicht wesentlich, ob sie in einer Landesregierung vertreten ist."

Bei Zuwanderung und Asyl hat die FPÖ in Österreich schon jetzt, ganz ohne Regierungsmandat, die Themenführerschaft. Bei Wirtschafts-und Sozialthemen ist sie nicht klar positioniert: "Das macht sie auf Bundesebene grundsätzlich bündnisfähig", sagt Anton Pelinka. Dass Erfolge bei den Landtagswahlen der FPÖ den Weg in die Bundesregierung ebnen, glaubt er trotzdem nicht: "Die massivste Bruchlinie ist die EU. Mit den blauen Globalattacken auf Brüssel können weder SPÖ noch ÖVP mit."

Könnten sich die Freiheitlichen eine Kehrtwende in der europäischen Sache erlauben? Im Wahlkampfzelt in der Herrengasse rangiert Brüssel unter den beliebtesten Gesprächsthemen auf Platz zwei gleich hinter den Muslimen. Regionales wie die Reformpartnerschaft oder die steirischen Gemeindefusionen ist nebensächlich. Bei der FPÖ geht es bei der Landtagswahl um dasselbe wie bei der Nationalrats-oder der Europawahl: um den großen Ärger.


Deshalb möchte Wahlforscher Hofinger aus der Steiermark-Wahl keinen neuen Trend ableiten: Ein Teil der Verluste von SPÖ und ÖVP sei soziodemografisch zu erklären. Jüngere Wähler machten ihr Kreuz seltener bei den ehemaligen Großparteien. Außerdem: "FPÖ und Grüne starten in der Steiermark auf einem sehr niedrigen Niveau. Letztendlich kann man diese Landtagswahl als Normalisierung interpretieren." Als Normalisierung in Blautönen, könnte man auch sagen.

Grünes Ufer, blaues Ufer

Wählerverteilung in Graz
© NEWS Infografik Die gespaltene Stadt.

Kommentare

thatsislive
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glückwunsch an die FPÖ!
die altparteien trauen sich nicht mit den blauen zu koalieren weil sie angst haben es könnte bei einer anderen konstellation mit FPÖ besser werden, die bevölkerung zufriedener und zumindest 1 der "altparteien" im keller verschwinden.... egal wie sie es drehen und wenden ... das volk ist unzufrieden mit dem was uns seit vielen jahren serviert wird von SPÖ - ÖVP

eintiroler melden

nicht mal ein drittel wählt FPÖ, also, für mich ist das nicht das Volk.

thatsislive
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na e klar "eintiroler" bist ja auch ein mensch....

felix330 melden

Zu thatsislive, die FPÖ war schon mal in der Regierung, vergessen oder noch nicht auf der Welt. Diese Zeit mit FPÖ + ÖVP für die kleinen Leute möchte ich nicht mehr erleben. Die FPÖ hat in dieser Zeit die Hälfte Ihrer Wähler verloren, hast auch vergessen oder nicht aufgepasst.

christian95 melden

Immer wenn Rot oder Schwarz abgewählt werden stehen sofort die Grünen zur weiteren Mehrheitsbeschaffung zur Verfügung. Zum Dank dürfen sie später die Autofahrer mit Tempo 80 auf Autobahnen oder Tempo 30 schikanieren.

Nudlsupp melden

Lieber Tempo 80, als den Hass den die F verbreitet und der nur dazu dient die Gesellschaft zu spalten.

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