Was Menschen
schön finden

Stefan Sagmeister und Jessica Walsh haben im MAK eine Schau dazu eingerichtet

Was Menschen schön finden, ist meist auf ein paar ziemlich verlässliche Nenner zu bringen. Und genau diesem Thema, der Schönheit, "Beauty" widmet sich nun eine üppige Schau im Wiener MAK vom Designerduo Stefan Sagmeister und Jessica Walsh.

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"Bauty" - Was Menschen
schön finden

Was Menschen schön finden, ist im Allgemeinen auf ein paar ziemlich verlässliche Nenner zu bringen: Runde Formen, Symmetrie, satte Farbtöne - vielfach Dinge, die das Gehirn leicht verarbeiten kann - erweisen sich in der Ästhetikforschung als stabile, universelle Präferenzen. Sie erzeugen Wohlgefühl und haben eine Reihe von positiven Verhaltenseffekten. Lange galt die pure sinnliche Schönheit auch in der Kunst als ein hehres Ziel, und erst recht im Design. Irgendwann - mit dem Finger zeigt man gerne auf den Bruch der Moderne - stellte sich Überdruss und Skepsis ein. Im Design und in der Architektur übernahm die Funktion die Anführerschaft, in der Kunst die Provokation und kritische Unterwanderung. So ähnlich könnte man das Narrativ zusammenfassen, das den theoretischen Sockel der auf vier Stockwerke verteilten Ausstellung bildet - "vermutlich eine der kompliziertesten in der Geschichte des MAK", wie Kuratorin Kathrin Pokorny-Nagel bei der Pressekonferenz am heutigen Dienstag berichtete.

Museumserlebnis beginnt in Wien

Stefan Sagmeister, Österreichs erfolgreichster US-Design-Export, und seine Studiopartnerin Jessica Walsh, touren mit ihrem "Beauty Project" schon eine Weile in der Welt herum, Station machte man etwa beim österreichischen Beitrag für die Architekturbiennale Venedig. In Wien - "der Stadt, in der die Moderne geboren wurde", so Sagmeister heute - beginnt nun das Museumserlebnis, das danach etwa zehn weitere Standorte in aller Welt aufsuchen wird. Ihr Anliegen ist einfach: Schönheit ist keine oberflächliche Angelegenheit und sie ist kein Luxus, der der Funktion unterzuordnen ist. "Das Thema kommt für uns aus der Erfahrung im Studio", erzählte Sagmeister. "Wir stellten fest: Wenn wir viel Liebe in die Arbeit an der Form investierten, dann funktionierte das Produkt auch besser." Man sammelte Beispiele, recherchierte in der Geschichte, in der psychologischen Ästhetikforschung, in der Stadtplanung und bastelte aus den Erkenntnissen eine höchst anschauliche Thesenschau - zum Schauen und Riechen und Greifen, zum Mitmachen, trans- und intermedial, aufwendig, leichtfüßig und: schön.

"Sensory Room"

Mit Swarovski wurde ein "Sensory Room" gestaltet, der Schönheit für alle Sinne im Angebot hat, in der Säulenhalle wird man zum Meditieren vor einem gewaltigen hängenden Kunstwerk aus aufblasbaren Müllsäcken geladen, zum Steuern eines Vogelschwarms, zum Abstimmen über die Schönheit von Landschaften, Farben, Mustern oder zum Gestalten von individuellen Stofftaschen. Man betritt den Kunstblättersaal durch einen bunten Vorhang dicker Kugeln und erfährt von Schönheitsinterventionen in aller Welt. Von der High Line in New York, von einem bunten "Yes"-Schriftzug auf der Wand einer Unterführung, der aus einer beliebten Freiluftoillette einen beliebten Spots für Hochzeitsfotos machte, von bunten Gewändern, die in grauen Städten armer Länder für Farbtupfer sorgen, von ästhetischem Recycling und der sozialen Kraft der Gestaltung. Tirana wurde bunt bemalt, deshalb sank die Kriminalität und stiegen die Steuereinnahmen, kann man da lesen. Klingt ein bisschen zu einfach.

Stärke und Schwäche

Ist es auch. Die Simplifizierung und direkt erfahrbare Umsetzung ihrer Thesen ist sowohl die größte Stärke als auch die größte Schwäche dieser Ausstellung. Sie ist dadurch erfrischend unverkrampft, zielt direkt auf das Erleben, argumentiert lieber mit Eindrücken als mit weit ausholenden, sich relativierenden Argumenten, wird im Zweifel lieber trivial als langatmig. Dass sie sich damit angreifbar macht, sich dem kritischen Geist der Kunstwelt, den sie zugleich scharf kritisiert, als leichtes Opfer darbietet, nehmen Sagmeister und Walsh gelassen in Kauf. Das können sie sich - in jeder Hinsicht - leisten. "Ich möchte, dass man durch die Ausstellung geht und sich denkt: stimmt eigentlich", sagt Sagmeister. So einfach.

Dafür bespielt man mit den lustvollen Beauty-Installationen das ganze Haus. In der "Wien um 1900"-Schau sind einige Schilder angebracht, in der die beiden Designer auf ihre Lieblingsstücke hinweisen. In der Sammlung Gegenwartskunst wurde ein Archiv des Schönen ausgestellt, mit Objekten, die aus aller Herren Ländern angereist sind - chinesische Schriftrollen, iranische Etuis aus Malaysia, Plakate aus Wien - und mit einer virtuellen Welt, in der man selbst zum Bildhauer werden darf. Im Keller ist ein "Color Room" eingerichtet, in dem die Farbe durch die Beleuchtung erscheint und verschwindet sowie ein Kunstgeschichte-Kabinett, das die Geschichte des Schönen in der Gestaltung in klare Botschaften packt: Am Scheitelpunkt versucht Marcel Duchamps in seiner "Fountain" - ein handelsübliches, aber signiertes Urinal - das Schöne paradigmatisch aus der Kunst zu verbannen. Die Folgen dieser Entwicklung werden dann anhand von Vorher-Nachher-Stadtansichten beklagt, in denen dekorative historische Gebäude durch hässlichen Funktionalismus abgelöst wurden. In einer Vitrine mündet eine Reihe wunderbarer Trinkgläser in einen plumpen Plastikbecher. Ein Abgesang, der nicht allzu tief schürft - aber hübsch anzuschauen ist.

Brechen mit Maximen der ästhetischen Moderne

Die Ausstellung "bricht mit Maximen der ästhetischen Moderne", sagt MAK-Direktor Christoph Thun-Hohenstein. Hinter ihm stapeln sich Bücher mit dekorativ gestalteten Buchrücken. Sie veranschaulichen als lebensechtes Diagramm, wie oft das Wort "Schönheit" in Büchern in unterschiedlichen Jahrhunderten vorgekommen ist. Da sieht man einen Einbruch im 20. Jahrhundert, während der Stapel ab 2000 wieder etwas höher ist. Schönheit, könnte man daraus ableiten, steht vor ihrem Comeback. Klingt zu einfach? Ja. Ist das Einfache eine schöne Sache? Meistens.

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