Altes Eisen, frische Glut

Ausgemustert, arbeitslos: Die aktive Karriere von Ex-Nationalkicker Stefan Maierhofer schien zu Ende - doch mit seinen 34 Jahren erlebt er nun ein kleines Fußballwunder

von Sport - Altes Eisen, frische Glut © Bild: News / Ricardo Herrgott

Seine konventionelle Art, Fußball zu spielen, ruft in regelmäßigen Abständen die Kritiker auf den Plan. Doch da Stefan Maier hofer in seiner Freizeit gerne als Model arbeitet, sitzt zumindest das Mienenspiel. "Ich kann es nicht mehr hören", sagt er und legt die Stirn dramatisch in Falten. "Ich kann es einfach nicht mehr hören."

Nämlich, dass er mit seinen 202 Zentimetern Körpergröße zu unbeweglich und obendrein technisch zu unbedarft sei. Und dass seine Position, die des Brechers, des Stoßstürmers, im modernen Fußball gar nicht mehr vorgesehen sei: hohe Flanken in den Strafraum, der Lange räumt per Kopf den Ball ab und versenkt ihn oder lässt ihn schussgerecht für einen Mitspieler abtropfen - dieser Mix aus Kampf, Hoffnung und Zufall sei längst nicht mehr zeitgemäß. Als der 34-jährige Maierhofer im vergangenen Herbst vereinslos war, selbst zum Handy griff und sich seinem Ex-Klub Rapid Wien andiente, winkte man sogleich indigniert ab. Zu alt, zu altmodisch, kein Bedarf, danke.

»Das Feuer in mir ist immer noch stark genug«

Doch von derart ruppigen Fouls lässt sich dieser schlaksige Kerl mit dem kantigen Gesicht und den graumelierten Schläfen gerade einmal ein paar Minuten beeindrucken. "Denn das Feuer in mir ist immer noch stark genug", sagt er. "Ich weiß, was ich einer Mannschaft geben kann."

Nach einem halben Jahr ohne Arbeitgeber hat er endlich wieder eine Mannschaft gefunden, die das ebenfalls weiß: Seit Beginn der Frühjahrsmeisterschaft kickt der Ex-Nationalspieler (19 Einsätze für Österreich) aus Gablitz im Wienerwald für den SV Mattersburg. Die Burgenländer bekleiden derzeit zwar nur den vorletzten Platz in der obersten Spielklasse und stecken mitten im Abstiegskampf, doch seit Maierhofer in der Winterpause zum Team stieß, wird die pannonische Tiefebene wieder zur sportlichen Kernzone: Zum Frühjahrsauftakt hat man gleich zwei Mal hintereinander gewonnen, zuletzt war das im März des Vorjahres passiert. Und bei fast allen Treffern hatte Maierhofer Beine oder Kopf im Spiel. "Er ist für uns eine Waffe", sagt Mitspieler Thorsten Röcher. Und Trainer Gerald Baumgartner lobt: "Als Spieler und als Typ ist er für uns ein absoluter Gewinn."

Zwischen Spieler und Typ zu differenzieren, scheint notwendig, denn die sind im Fall Maierhofer alles andere als deckungsgleich. Der Spieler ist durchschnittlich talentiert, der Typ überdurchschnittlich motiviert. Ersterer erhielt nie den technischtaktischen Feinschliff einer Nachwuchsakademie und begann seine Profilaufbahn erst mit 23 Jahren. Doch Letzterer ist so fest davon überzeugt, dass Fußballprofi der schönste Job der Welt ist, dass er ihm alles unterordnet. Gesichts-und Prestigeverlust inklusive. "Ich habe nie aufgehört, an meine inneren Stärken zu glauben", sagt Maierhofer. Und noch viel wichtiger: Er hat damit begonnen, als er mit seiner Überzeugung noch ziemlich alleine dastand.

Mit Anfang 20 stürmte er noch für den Viertligisten SV Langenrohr und schoss durchschnittlich in jedem zweiten Spiel ein Tor. Eine respektable Quote, befand Maierhofer und fragte, ohne auf die Entdeckung durch einen Scout zu warten, beim damaligen Rapid-Sportdirektor Peter Schöttel an, ob er ihn denn nicht verpflichten wolle.

Wie zuvor in Langenrohr

Doch als Schöttel ihm einen Platz im Hütteldorfer Amateurteam anbot, sagte der selbstbewusste Landesliga-Bomber sofort ab. Stattdessen setzte er sich in Eigenregie ins Auto, fuhr nach München, präsentierte sich in einem Probetraining der Bayern-Legende Gerd Müller - und erhielt einen Vertrag beim FC Bayern. Zwar nur für die zweite Mannschaft, aber immerhin.

Wie schon zuvor in Langenrohr schoss er auch bei den Bayern-Amateuren in jedem zweiten Match sein Tor, und so durfte er bald mit dem Starensemble der ersten Mannschaft mittrainieren und kam sogar zu zwei kurzen Bundesliga-Einsätzen.

Doch schon bald wechselte er wegen der übermächtigen Konkurrenz von Claudio Pizarro zu Koblenz in die zweite deutsche Liga - der Ankick zu einer wechselvollen Karriere voller Höhen und Tiefen: Maierhofer kehrte über Umwege nach Österreich zurück, schoss bei Rapid 23 Tore, wurde Vizemeister. Danach verschlug es ihn nach England zum Premier-League-Aufsteiger Wolverhampton. Doch der Riese konnte auf der Insel nirgends so richtig Fuß fassen, wurde wie ein moderner Leiharbeiter an zweitklassige Vereine in England und Deutschland verschickt, kehrte wieder nach Österreich zurück, wurde bei Red Bull Salzburg Torschützenkönig. Immer wieder musste er Stehzeiten überbrücken, zuletzt spielte er in der slowakischen Liga, wurde beim AS Trenčín Meister und Cupsieger. "Doch dort waren die Zustände desolat, wir hatten nicht einmal warme Duschen", erzählt er.

»Ich habe mir die Demut vor diesem Sport immer bewahrt«

Andere hätten längst desillusioniert aufgegeben, doch Maierhofer kämpfte sich immer wieder zurück. Nicht mit dem zornigen Trotz des Frustrierten, sondern mit dem langen Atem des Überzeugten. Nicht der Name des Vereins zählte, nicht das ganz große Geld, sondern der Spaß am Job.

"Ich bin gelernter Koch und Kellner, bin in der Gastwirtschaft meiner Eltern groß geworden", erzählt er. 14-Stunden-Arbeitstage seien da die Norm gewesen, schon früh hätten sich die Bandscheiben bemerkbar gemacht. "Im Vergleich dazu herrschen im Fußball paradiesische Verhältnisse, und da ich beide Seiten kenne, habe ich mir die Demut vor diesem Sport immer bewahrt."

Die Demut - und den Mut, ganz einfach weiterzuspielen.

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