Wie Sie ein Start-Up gründen

Jan Beckers, der Gründer von Hitfox, erklärt für News, wie es geht

Haben Sie eine Geschäftsidee? Wollen Sie etwas ganz Neues machen? Wollen Sie wissen, wie es andere geschafft haben? Hier ein außergewöhnliches Beispiel von einem jungen Mann, der Banken das Fürchten lehrt. Wenn Sie wissen wollen, warum, reinblicken und lesen.

von Jan Becker © Bild: Matt Observe

Wer ein Start-up-Unternehmen gründen will, kann sich von Jan Beckers einiges abschauen. In nur fünf Jahren hat der Firmensammler mit Hitfox ein kleines Start-up-Reich geschaffen. Diese Woche startet er seine erste Bank.

In Berlin hält der Boom von Start-ups an. Wie ist das in Wien, Herr Beckers?
In Berlin ist in den vergangenen Jahren natürlich ein Riesencluster gebaut worden, das Sogwirkung hat. Das fängt in Wien wahrscheinlich gerade erst an, aber man merkt schon, dass sich etwas tut.

» Hitfox hat riesiges Potenzial«

Sie sind mit dem Softwareentwickler Hitfox seit fünf Jahren am Markt. War Hitfox, das sich mittlerweile zur Firmenschmiede entwickelt hat, Ihr Durchbruch?
Hitfox hat riesiges Potenzial. In dieses Unternehmen mit den Bereichen Adtech, Big Data und Fintech fließen auch hundert Prozent meiner Zeit. Bei Werbetechnologie und Finanztechnologie haben wir viel Expertise aufgebaut. Wir bauen auch auf viel Erfahrung. Vor Hitfox habe ich unter anderem Fyber aufgebaut, einen Technologieanbieter, der Werbung gezielt auf mobile Endgeräte bringt. Das Unternehmen wurde für 150 Millionen Euro verkauft.

Wann begann Ihre Unternehmerlaufbahn?
Nach Berlin gekommen bin ich 2008. Gefühlt gab es hundert Leute in der ganzen Szene. Wir waren ein kleines Völkchen. Zuvor hatte ich in Münster zwei kleinere Unternehmen aufgebaut. 2007 gründete ich Absolventa, eine Jobplattform für Hochschulabsolventen. Zu der Zeit war ich auch Chefredakteur von gründerszene.de.

Das haben Sie nur zehn Monate lang gemacht. Hat es Ihnen keinen Spaß mehr gemacht?
O ja, es hat Spaß gemacht, aber mein eigentliches Ziel war immer, Internetunternehmer zu sein.

Sie haben einmal gesagt, Unternehmertum sei Ihre DNA.
Ich habe mich mit zwölf schon für Politik und Umweltschutz interessiert, war Fördermitglied bei Greenpeace. Ich fand es aber stets frustrierend, dass ich nur wenig bewegen konnte. Dann habe ich meine Eltern überredet, dass sie meine Führerscheinersparnisse, die auf einem Sparkassenkonto mit drei oder vier Prozent Zinsen lagen -das gab es damals tatsächlich noch -, rausgeben und ich es bitte investieren kann. Ich investierte in Aktien eines guten Computerspieleunternehmens. Der Wert des Portfolios hat sich in den nächsten zwei Jahren mehr als vervielfacht.

Sind Sie ein Spieler?
Nein. Ich habe als Jugendlicher immer nur zwei Arten von Strategiespielen gespielt. Entweder ging es darum, ein Wirtschaftsimperium aufzubauen, oder um Eroberungsstrategien. Ein Unternehmen aufzubauen ist komplexer, anspruchsvoller und mit mehr Spaß verbunden. Heute spiele ich nicht mehr am Computer, sondern baue digitale Unternehmen.

Jan Becker
© Matt Observe

Vom Spieler zum Unternehmer?
Unternehmensaufbau, Strategie und guten Organisationsaufbau habe ich in der Betriebswirtschaftslehre gelernt. Die richtigen Menschen zusammenbringen, die richtige Kultur schaffen und die richtige Vision haben und das gemeinsam in einem guten Team vorantreiben, das bin ich.

Wie viele Menschen treiben Sie gerade voran?
In der Hitfox Group haben wir derzeit 600 Mitarbeiter. Die Unternehmen, die ich vorher gegründet hatte, beschäftigen schnell noch mal 500 Leute.

Allein im vergangenen Jahr haben Sie sechs Fintechs gegründet, also Unternehmen, die sich auf Finanztechnologie spezialisieren und mit ihren Dienstleistungen den Banken das Wasser abgraben. Sie gehen wie bei einem Eroberungszug vor. Gerade haben Sie eine Bank gegründet.
Die Solaris Bank hat diese Woche von der Aufsichtsbehörde Bafin die Vollbanklizenz erhalten. Damit bieten wir die erste Bankingplattform, die es digitalen Unternehmen erlaubt, Bankinglösungen für ihre Bedürfnisse zu entwickeln. Der Markt ist gigantisch und hat viele Ineffizienzen, mit vielen Kundenbedürfnissen, die nicht gut erfüllt werden. Das heißt also, wir haben einen Markt, wo Technologie ein Riesenpotenzial hat, und die Transparenz, die das Internet bietet, um viele Dinge besser zu machen.

Wann legen Sie los?
Die ersten Pilotprojekte laufen.

Zeigen Sie jetzt den Banken, wie das Geschäftsmodell wirklich funktioniert?
Wir wollen nicht unreguliert mitspielen, sondern voll. Wir wollen nicht Glastürme nachbauen. Wir haben eine sehr plattform - und technologieorientierte Bank, und das erleichtert Unternehmen insbesondere im E-Commerce und den Fintechs das Leben.

Sie haben 1000 Bewerber pro Monat. Offenbar sehen künftige Mitarbeiter hier Karrierepotenzial.
Es streben noch zu wenige Leute in den Karrieremarkt des wachsenden Internetunternehmertums, aber es gibt einen gewissen Wandel. Als ich fertig studiert habe, war ich der absolute Exot, einer von ganz wenigen. Das war 2008. Viele gute Leute wollten bei Unternehmensberatungen und Banken anheuern. Seitdem haben immer mehr Leute erkannt, dass es viel mehr Sinn macht, sich zu positionieren, wo die Zukunft liegt. Das ist das Internet.

Jan Becker
© Matt Observe

Stichwort schnell und einfach: Ist das Problem der Banken, dass Sie so viel einfachere Produkte anbieten?
Je einfacher man Produkte und Prozesse gestalten kann, desto besser und transparenter. Dass wir auf einer grünen Wiese starten, ist unser Vorteil. Die Banken können sich sicher auch alles vorstellen, was wir machen. Die werden woanders ausgebremst. Ineffizienzen des Systems hemmen sie. Viele Altlasten technischer und organisatorischer Natur schleppen sie noch immer mit. Diese müssen sie dann einfach ihren Kunden in Rechnung stellen.

Warum haben Sie sich den Finanzbereich vorgenommen?
Zum einen ist das ein gigantischer Markt, der tiefgreifende strukturelle Probleme in sich birgt, wo lange Zeit der Kunde nicht wirklich im Mittelpunkt stand. Das lässt sich vielfach durch Technologie, Transparenz, bessere Prozesse im Internet lösen. Es ist eine Riesenchance, durch Unternehmertum im Internet bessere Produkte zu günstigeren Preisen anzubieten. Das Zweite ist meine Affinität zu Aktien, die ich schon seit Jugendjahren habe. Seit damals habe ich professionelle Fondsmanager mit meiner Investmentstrategie regelmäßig geschlagen.

Wie lange dauert es, bis Sie mit einem neuen Unternehmen startbereit sind?
Das kommt darauf an. Wenn wir heute Ideen haben und sagen, wir wollen die umsetzen, hindert uns nichts daran, morgen loszulegen. Wir können innerhalb eines Tages entscheiden, wir sind eine flache Organisation. Wir haben alle Ressourcen, die ein neues Start-up braucht, und können ein Interimsteam bilden, das morgen zu 80 oder 90 Prozent abdeckt, was ein Start-up braucht. Den Rest holt man sich dann und baut. Dann kann es sein, dass wir mit dem Start-up in weniger als 50 Tagen "live" sind.

Haben Sie auch schon mal aufs falsche Pferd gesetzt?
Ja, schlichtweg weil ein Geschäftsmodell nicht funktioniert hat - bei Hitfox selbst, das wir 2011 gegründet haben. Unser Geschäftsmodell hat zu Beginn nicht funktioniert. Wir hatten ein tolles Team und Investoren an Bord. Dann mussten wir bei voller Fahrt feststellen: Unser Geschäftsmodell funktioniert nicht. Wir mussten es einmal drehen und dann noch einmal.

Was genau hat nicht geklappt?
Als wir gegründet haben, haben wir auf einen Markt gesetzt - den Vertrieb von Spielen. Das erste Geschäftsmodell bestand darin, virtuelle Güter mit Diskontpreisen zu verkaufen, also eigentlich könnte man es als Groupon für digitale Güter bezeichnen. Als wir es in die Realität umgesetzt haben, merkten wir: Es hat leider nicht so funktioniert wie gedacht.

Was tut man in so einem Moment?
Da kommt es darauf an, dass man sich nicht entmutigen lässt und einfach schnell die Weichen stellt, und dann auch nicht den Full Stop macht, sondern versucht, das Schiff, das Fahrt aufgenommen hat, einfach ein paar Grad in die eine oder andere Richtung zu lenken, wo es dann besser ist, und von dort noch mal ein paar Grad weiter. So sind wir von der Game Distribution (Vertrieb) bei Game Advertising (Werbung) gelandet. Dann haben wir einen weiteren Schritt Richtung Mobile Advertising gemacht. Um in diesem Bereich die PS auf die Straße zu bringen, haben wir eine komplett neue Struktur gebaut. Applift als Firmenkundengeschäft ist mit hundert Millionen Umsatz sehr erfolgreich. Parallel dazu haben wir den Gamefinder gegründet, für das Endkundengeschäft. Applift ist durch die Decke gegangen, Gamefinder nicht. Wir haben zwar die Spesen verdient, aber dafür treten wir nicht an, wir wollen Geld verdienen. Es hat sich nicht gelohnt, und deshalb haben wir Gamefinder im Herbst geschlossen.

» Wenn man ein Start-up aufbaut, schläft man auf jeden Fall wenig«

Schläft man da noch gut?
Wenn man ein Start-up aufbaut, schläft man auf jeden Fall wenig. Trotzdem wussten wir, dass es am Ende auch belohnt wird, wenn wir mit einem Bombenteam und einer starken Organisation an den Start gehen. Das war tatsächlich so. Im Laufe des Lebenszyklus von Hitfox haben wir immer wieder Investoren rausgekauft, auch in Situationen, in denen andere schlecht schlafen.

Sie wollen grundsätzlich schon das Heft in der Hand haben?
Für uns ist wichtig, dass wir produktiv sind, dass die Sachen reibungslos laufen, dass wir in den Unternehmen viel Wert aufbauen. Darum geht es zentral, nicht darum, das Heft in der Hand zu haben.

Sie haben eine zentrale Situation, Sie könnten ja Unternehmensbereiche rundherum aufbauen. Sie bauen dagegen lauter Unternehmen rundherum auf. Was ist daran besser?
Innovation funktioniert viel besser mit schnellen, flinken Booten, die von starken Gründern unternehmerisch gelenkt werden. Im Verbund sind diese Speedboote noch viel stärker. Eine dezentrale Organisation ist ein großer Vorteil, wenn man gegen Öltanker antritt.

Wäre wohl auch ein Rezept für Konzerne?
Auf jeden Fall hilft das Konzept auch Konzernen. Ist ja auch kein absolutes Geheimrezept. Auch Google hat sich vor eineinhalb Jahren in die Richtung entwickelt.

Google hat es Ihnen also nachgemacht?
Wir sind zu ähnlichen Schlüssen gekommen wie Google, haben es nur eher umgesetzt. Ob es Google uns nachgemacht hat, da würde ich sagen: Da sind wir noch unter der Wahrnehmungsgrenze.

Sind Sie ein sehr strukturierter Mensch? Alles bisher Gesagte spricht dafür.
Ich glaube, im Strukturieren von Geschäftsmodellen und Chancen und Beurteilen dieser Situationen absolut ja. Das ist unser tägliches Geschäft.

Sie sind der Kapitän?
Genau. Ich strukturiere gerne auf großer Ebene. Ich habe gerne den Überblick und habe eine gewisse Weitsicht im Erkennen von Entwicklungen von Situationen, Märkten,Organisationen.

Woher kommt diese Weitsicht? Sie sind gerade mal 33.
Ich habe diese schon früh gehabt. Ich habe mir schon mit 15 Aktien gekauft, war auf einem Wirtschaftsgymnasium und hatte immer proaktiv einen Plan, was in den nächsten Jahren passiert. Jetzt habe ich als Gründer sechs Unternehmen aufgebaut, die alle auch erfolgreich waren. Und wir haben innerhalb von Hitfox wieder mehr als 15 Unternehmen aufgebaut, dann habe ich noch etwa zehn Start-up-Investments gemacht und habe auch in Linkedin, Facebook und andere Unternehmen investiert. Ich habe viele Unternehmen gesehen, dieser Überblick hilft beim Erkennen und Beurteilen von Gelegenheiten für die nächsten Unternehmen. Das gebe ich gerne unseren Gründern mit.

»Die Digitalisierung durchzieht fast alle Branchen«

Wie geht es weiter?
Der Wandel nimmt zu, das Geschäftsmodell verändert sich viel schneller, die Digitalisierung durchzieht fast alle Branchen. Das macht es notwendig, über den Tellerrand zu gucken und die Zeichen der Veränderung zu erfassen, um kreativ und visionär zu denken. In fünf Jahren wird das Geschäft vielleicht ganz anders aussehen. Man kann sich nicht nur auf die Erfahrung und die Zahlen der letzten Jahre verlassen.

Was haben die Banken Ihrer Meinung nach falsch gemacht? Was können sich Banken von Ihnen abschauen?
Mut zu unternehmerischem Handeln und Fähigkeit, schnell und in flachen Netzwerkstrukturen zu agieren. Sicher auch, das Geschäftsmodell am Kundennutzen zu orientieren und davon auszugehen, dass das Internet eine große Transparenz bringen wird. Man muss Kunden von vornherein großen Nutzen bieten. Das können die Banken von uns lernen.

Was noch?
Sehr viel Eigenverantwortung für Mitarbeiter und unternehmerische Anreize. Und natürlich müssen Banken auch Synergien nutzen, die aufgrund von Politik oder anderer Spielereien nicht ausgenutzt werden können. Schauen Sie sich das Beispiel Savedo an: damit bieten wir innovative Angebote. Warum soll der Kunde sein Geld nur in Deutschland oder Österreich anlegen?

Savedo bietet Produkte einer tschechischen Bank mit hoher Verzinsung. Wenn ein Kunde auch aus Österreich dort anlegt, hat er dann ein Problem mit der Steuer?
Nein, wir arbeiten immer mit lokalen Anbietern zusammen. Das heißt: Der Kunde überweist erst mal einem lokalen Bankpartner, das kann ein österreichischer oder deutscher Partner sein, und dann erst gelangt das Geld nach Tschechien. Das ist steuerlich alles abgesichert und dreimal geprüft.

Wo sind Ihre zukünftigen Felder? Interessieren Sie Immobilien gar nicht?
Doch, da bauen wir gerade was zusammen. In unserem Feld heißt das auch wieder, Kleinanleger zu animieren, in Immobilien online zu investieren und darüber wieder bessere Renditen zu bekommen, als sie es jetzt vielleicht bei herkömmlichen Geldanlagen bekommen.

» Bitcoin ist natürlich für alle in der Branche ein Thema«

Es gibt neue Technologien wie die digitale Währung Bitcoin oder Blockchain, die Technologie hinter Bitcoin, die Filterfunktionen, wie Sie sie klassisch anbieten, ausschalten. Über Blockchain kann man praktisch die Kreditwürdigkeit eines Kunden ausfindig machen. Das wird Banken noch mehr unter Druck bringen, Ihnen könnte es aber auch schaden, oder?
Bitcoin ist natürlich für alle in der Branche ein Thema. Es wird sich in Zukunft viel rund um das Thema Blockchain und digitale Währung tun. Aktuell beobachten wir den Markt. Sobald es richtig spannend wird - spannend sind für uns Produkte und Lösungen, die viele Endkunden wirklich glücklich machen -, gehen wir rein. Dann aber sehr konsequent.

Statistisch gesehen ist es einfacher, dass sich Eheleute scheiden lassen, als dass sie das Bankkonto wechseln. Wie wollen Sie denn diese Leute abholen?
Ich glaube, da tut sich schon einiges im Markt. Und die Kunden werden generell wechselbereiter. Wir haben Finreach gegründet, das Kunden dabei hilft, den Anbieter zu wechseln, und Wechsel von Kontobewegungen automatisiert.

Wie schaut die Welt in fünfzehn Jahren aus?
In zehn bis fünfzehn Jahren gibt es ein neu aufgestelltes Spiel, das den Kunden in jedem Fall besserstellt als jetzt. Es gibt dann viele neue Player, die groß sind, möglicherweise auch Savedo. Dann gibt es den Teil der alten Banken, der aufgepasst hat, den Kunden gefolgt ist und sich digitalisiert hat. Neben den großen Internetplattformen wie Paypal, Facebook, die die Banken bereits angreifen, wird es neue Player geben: Fintech- Unternehmen. Da möchten wir natürlich einen möglichst großen Beitrag leisten.

» Geld ist natürlich ein Erfolgsmesser«

Wie wichtig ist Ihnen Geld?
Nachdem ich im Aufsichtsrat einer Bank sitze, sollte ich ein positives Verhältnis dazu haben. Geld ist natürlich ein Erfolgsmesser. Der finanzielle Erfolg unserer Start-ups ermöglicht uns, in Zukunft mehr Fokus auf größere Themen zu setzen und die Wirtschaft der Zukunft aktiv zu gestalten. Wir haben kein Geld aus den Unternehmen rausgezogen. Uns ist wichtig, dass unsere Start-ups immer genug Geld haben, um zu wachsen und ihr Geschäft gut zu machen. Geld ist ein Indikator für Erfolg, mehr nicht.

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