Was am Essverbot in
der U6 wirklich stinkt

Die U6 stinkt: Das Essen dort stinkt, die Waggons stinken, die Stationen stinken – und überhaupt erst die Leute, pfui Teufel! Dann die ganzen Drogen und Kriminellen! Ein Wahnsinn, wer kann überhaupt freiwillig in dieses mindere Fortbewegungsmittel einsteigen??? Ich sage Ihnen was: Ich kann es. Seit mehr als 15 Jahren tagtäglich. Und komme damit besser klar als mit Stadträten, die mit fragwürdigen Aktionen nur diskriminieren anstatt wirklich etwas zu verbessern.

von U-Bahn-Linie U6: Dichtere Stoßzeit-Intervalle ab Herbst geplant.
© Bild: Wiener Linien / Thomas Jantzen

Es ist wieder an der Zeit, die U6 zu bashen. Wenn die Wiener U-Bahn-Linie U6 als metallenes Drogenmonster, das sich gewalttätig quer durch Wien schlängelt, langweilig geworden ist, dann muss die Politik eben etwas anderes finden. Gestank in der U-Bahn, das ist es! Prima Idee. Und für den Fall, dass ein Essverbot "starkriechender Speisen" – wie Stadträtin Ulli Sima es in der Presseaussendung bezeichnet hat – zu wenig ist, werden kurz darauf auch noch Deos an die Leute verteilt. Denn eigentlich sind es ja dann offenbar doch die Menschen, die stinken, und gar nicht das Essen.

Was ist davon zu halten? Prinzipiell finde ich das Bestreben, unangenehme Gerüche aus den öffentlichen Verkehrsmitteln zu verdrängen, sehr löblich. Aber was bewirken denn 14.000 Deos an einem Tag? Oder wollen die Wiener Linien künftig jeden Tag Deos verteilen? Was kommt als Nächstes? Kontrollierende Schwarzriecher? "Achseeeelkontrolleeee! Uh, Sie stinken owa heit‘, des kost‘ Sie leider 100 Euro!" Wohl kaum. Ein halbwegs klar denkender Mensch wird einsehen, dass ein duftender Erfolg in diesem Fall illusorisch ist.

So weit, so gut. Was mir richtig sauer aufstößt - ohne Kebap oder Leberkäse gegessen zu haben - ist der Umstand, dass sich die Aktion ausschließlich gegen die U6 richtet. Ja, klar stinkt es auch in der U6. Es ist aber bei weitem nicht das einzige öffentliche Verkehrsmittel, das von unangenehmen Gerüchen betroffen ist.

Sind Sie im Sommer schon einmal mit der U1 gefahren? Mitten in der City riecht es stationenweit so, als hätte sich jemand in einen Orang-Utan-Kadaver eingerollt und es sich auf Ihrem Schoß für ein Nickerchen bequem gemacht. Es ist jahrzehntelang bekannt, dass die Kanalisation, die nahe an der U-Bahn liegt, dafür verantwortlich ist (Anmerkung, 17:45: Ich wurde auf Twitter darauf hingewiesen, dass ein Bodenverfestigungsmittel für den Gestank verantwortlich ist, das mit dem Boden chemisch reagiert. Vielen Dank an @Tom_Harb!) . Gemacht wurde nichts dagegen. Teurer als ein paar Deos vermutlich.

Wie wäre es mit wohlriechendem Prüfungsschweiß der Studenten auf der Linie U2? Intellektueller Schweiß ist doch okay? Alte Waggons ohne Klimaanlage auf dieser Linie sorgten zu Sommerbeginn bislang auch nicht immer für olfaktorischen Hochgenuss. Mit den Straßenbahn- und Bus-Linien fange ich gar nicht erst an, schönen Gruß an dieser Stelle an die 6er-Linie und den 13A. Wer die Linien kennt, weiß, wovon ich rieche.

Was ich damit letztendlich sagen will: Wer ein Problem mit der U6 an sich hat, okay. Das mag legitim sein. Die U-Bahn-Linie ist eine von vielen Problemzonen Wiens. Aber dann sollte man das Kind auch beim Namen nennen und konstruktive Vorschläge zur Problemlösung anbieten. "Geruchsbelästigung" halte ich persönlich für einen lächerlichen Grund, das ist in dem Fall nur klischeehaft und obendrein äußerst diskriminierend. Denn öffentlicher Verkehr stinkt im Sommer nicht nur von Floridsdorf bis Siebenhirten und zurück.

Was meinen Sie? Schreiben Sie mir unter: brandtner.benjamin@news.at

Kommentare

Mailyn P.

Die Kontrolleure möchte man doch sehen, die eine grosse Gruppe Kebab essender kräftiger Flüchtlinge zurechtweist...

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