Das sind die Pläne
des Wiener Finanzchefs

Bisher Manager, jetzt Politiker. Peter Hanke ist für die Finanzen der Stadt und damit für 14 Milliarden Euro verantwortlich. Sein Ziel: Budgetdisziplin, ein Nulldefizit bis 2020 und 50.000 neue Jobs in Wien.

von Stadtpolitik - Das sind die Pläne
des Wiener Finanzchefs © Bild: Matt Observe

Der Manager ist Politiker geworden. Warum? Was wollen Sie in der Politik bewirken?
Ich will im Wirtschaftsbereich und für den Standort arbeiten, bei der Digitalisierung neuen Schwung entwickeln und international Wien seinen Qualitäten entsprechend darstellen. Meine Erfahrungen, auf die ganze Stadt umgelegt, sind mein persönlicher Einsatz.

Wodurch wurden Sie politisch geprägt?
Ich bin von Gemeinsamkeit geprägt. Ich möchte mit jenen, die im Wirtschaftsleben sind, das beste Paket für die Zukunft schnüren. Die Interessengruppen vor Ort mit einbeziehen und versuchen, im politischen Bereich einen Raum zu schaffen, um die besten Ideen zu sammeln und mit denen, die willens sind, diese Stadt weiterzuentwickeln.

Was ist daran sozialdemokratisch?
Dass man eben alle mitnimmt. Mein Weltbild ist geprägt von Menschlichkeit, von Toleranz und Gemeinsamkeit. Es darf nicht sein, dass wir zwei Generationen gegeneinander ausspielen. Es muss uns gelingen, gute Chancen für die Jungen zu bieten, die in den Startlöchern stehen. Und wir müssen jenen, die nicht mehr im Leistungsprozess sind, die Sicherheit geben, dass sie das, was sie ins System eingezahlt haben, sicher bekommen. Das ist meine Triebfeder. Ich möchte unter Beweis stellen, dass das gelingen kann.

Wie sind Sie zur Sozialdemokratie gekommen?
Ich komme aus einer sozialdemokratischen Familie, mein Vater war lange Zeit im politischen Bereich tätig, und ich bin im 10. Bezirk, am Eisenstadtplatz, groß geworden. Das war um 1965 noch ein grüner Bereich, das war großartig. Dort haben wir Fußball gespielt, Freunde getroffen, da war meine Kindheit und Jugend, da waren die Schulen, der Eissalon Tichy als Zentrum aller Aktivitäten im Bezirk. Die ganze Bezirksentwicklung hat mich geprägt, in der Stadtentwicklung war Aufschwung angesagt. Was wir heute als Verteilerkreis kennen, gab's noch nicht, da war eine Gstätten mit einem Weg zum Laaerbergbad. Diese Urbanisierung bis zum Rand der Stadt, das Gefühl des Aufbruchs: Das prägt einen.

Aber Sie haben sich nie politisch engagiert?
Die sozialdemokratische Ausrichtung war von frühester Jugend an selbstverständlich für mich. Und in meinen beruflichen Funktionen, wo ich vor der Wien Holding andere Unternehmen betreut habe, von Museumsshops bis Biotechnologieunternehmen, bin ich immer den dualen Weg gegangen. Ich führe das nicht nur auf den Lippen, wenn ich alle einlade, sich einzubringen, sondern das ist Teil meines Lebens, den ich in diese politische Funktion mitnehme.

Sie kennen die Stadt und ihre wirtschaftliche Struktur. Neu ist der Blickwinkel?
Ich habe an der Schnittstelle gearbeitet. Das hilft, schneller in die Gänge zu kommen. Noch ist das politische Leben neu für mich. Auf dieser Ebene einzusteigen, ist schon eine ordentliche Herausforderung.

»Kompromisse sind nichts Schlechtes, sondern ein Weg der Umsetzung«

Als Manager konnten Sie vorgeben, was umgesetzt werden soll. In der Politik muss man verhandeln, überzeugen, Kompromisse schließen. Das ist schon eine neue Erfahrung?
Ich nehme meine Erfahrungen aus dem Management mit. Kompromisse sind nichts Schlechtes, sondern ein Weg der Umsetzung. Wenn ich mein Ziel nicht zu hundert, sondern zu 80 Prozent erreiche, aber dafür in starker Aufstellung, ist mir das lieber als zu scheitern.

Als Holding-Chef waren Sie für 500 Millionen Euro verantwortlich, jetzt sind Sie es für fast 14 Milliarden. Eine andere Liga?
Die Wien Holding mit 75 Unternehmen zu managen, war schon eine große Aufgabe. Aber in einer Stadt, die auf dem Weg zur Zwei-Millionen-Metropole ist, für den Finanzbereich zuständig zu sein, das ist eine andere Größenordnung und eine Riesenverantwortung, die ich übernommen habe. Aber das ist auch eine einmalige Chance.

Die Verschuldung Wiens ist auf 6,41 Milliarden Euro angestiegen. Das ist nach Lesart der Bundesregierung horrend viel, aber nach Meinung von Hannes Androsch, dem früheren Finanzminister und erfolgreichen Industriellen, "ein Klacks". Wie sehen Sie den hohen Schuldenstand?
Wien ist im nationalen und im internationalen Vergleich gut aufgestellt. Dennoch gilt: Jeder Euro an Schulden ist ein Euro zu viel. Und natürlich werden wir in guten Jahren, wie auch bisher, unsere Schulden rückbauen. Aber wir haben für eine Stadt, die jedes Jahr um 20.000 Menschen wächst, eine Verantwortung - sozial und infrastrukturell. Deshalb investieren wir Jahr für Jahr 2,43 Milliarden Euro. Und natürlich war neben der Finanzund Wirtschaftskrise die Migration nach Wien zu bewältigen.

Das heißt?
Dass ich für einen Sparkurs bin und für einen ausgeglichenen Haushalt, aber auch: Bei den Menschen werden wir nicht sparen. Das macht Wien unique im Vergleich zu anderen internationalen Metropolen.

»Es ist mein klares Ziel, bis 2020 die schwarze Null für dn Wiener Haushalt zu erreichen«

Wie geht das?
Schon vor meiner Zeit hat man sich einen Konsolidierungskurs gegeben, es wurde also von Jahr zu Jahr ein geringerer Abgang eingeplant. Diese Budgetkonsolidierung wird auch 2018 strikt weitergeführt, und wir achten darauf, dass wir unsere Vorgaben zu hundert Prozent einhalten. Es ist mein klares Ziel, bis 2020 die schwarze Null für den Wiener Haushalt zu erreichen. Die Bevölkerung in Wien ist zwischen 2003 und 2017 um 18,9 Prozent gewachsen. Gleichzeitig ist die Zahl der Magistratsbediensteten gleich geblieben. Das ist eine massive Effizienzsteigerung.

Sind die Vorwürfe aus ÖVP und FPÖ über den "Wiener Schuldenberg" denn nur parteipolitisch begründet?
Ich möchte nicht in die Polemik einsteigen, ich lasse Fakten sprechen. Wir haben beim Schuldenstand national den viertniedrigsten Wert, haben aber anders als die ersten drei Bundesländer die Aufgabe einer Metropole zu erfüllen. Auch im internationalen Wettbewerb der Städte sind wir gut aufgestellt und stehen viel besser da als vergleichbare Städte wie Berlin oder Hamburg.

Wie beurteilen Sie denn die Schulden des Bundes?
Wien hat zwei Prozent aller Schulden der Republik, der Bund 90 Prozent. Da schaut die Welt schon wieder anders aus.

Wird Ihnen paradoxerweise die Bundesregierung mit einer bundesweiten Regelung samt Deckelung helfen, Wiens Ausgaben für die Mindestsicherung zu senken?
Wien hat immer gesagt: Wir helfen den Menschen, die hier leben. Das heißt nicht, dass wir Geld im Überfluss haben oder etwas zu verschenken hätten. Aber dass wir aufrichtig mit den Menschen umzugehen haben. Wenn sich die Zahl der Flüchtlinge verringert, wird das Auswirkung auf unser Budget haben, aber am Ende ist das nicht ein Thema, das mich als Mensch oder Wirtschaftsstadtrat antreibt. Es freut mich für den Standort, dass wir einen geregelten Ablauf haben.

In Wien werden wieder einige Gebühren erhöht. Das ist höchst unpopulär. Könnten Sie das nicht auffangen?
Zum ordentlichen Wirtschaften gehört auch hier eine transparente Vorgangsweise. Wien funktioniert auf hohem Niveau. Da laufen Kosten an, die zu bedecken sind.

»Wir liegen im nationalen und internationalen Vergleich im günstigste Drittel«

Aber die Wiener und Wienerinnen matschkern darüber und sagen: Die Stadt belastet uns schon wieder, die SPÖ belastet uns.
Das müssen wir gut argumentieren. Viele Gebühren in Wien sind über viele Jahre nicht erhöht worden. Die Valorisierung richtet sich nach dem Verbraucherpreisindex. Alle Erhöhungen zusammen werden für eine Durchschnittsfamilie 1,47 Euro im Monat ausmachen. Wir liegen im nationalen und internationalen Vergleich im günstigsten Drittel.

Wenn Sie schon vergleichen: Bei den Arbeitslosenzahlen steht Wien nicht gut da.
Das ist der Struktur Wiens geschuldet, wir sind ein stark spezialisierter Dienstleistungsstandort. Wir haben 850.000 Beschäftigte, ein historischer Höchststand. Die Arbeitslosigkeit ist immer noch zu hoch, aber wir haben zum 20. Mal in Folge niedrigere Zahlen. Wir müssen alles daran setzen, sie zu senken. Und für 2020 ist mein Ziel: 50.000 Beschäftigte mehr.

Man kennt solche Politikeransagen wie etwa vom damaligen ÖVP-Chef im Nationalratswahlkampf 2013, der 420.000 neue Jobs versprach. Die gab es dann nicht. Warum soll Ihre Zahl halten?
Wir haben gute Konjunktur, und Wien ist ein attraktiver Wirtschaftsstandort mit Jahr für Jahr fast zweihundert neuen internationalen Betriebsansiedlungen. Wir haben viel zu tun, die Attraktivität des modernen Wiens zu stärken. Gemeinsam mit der Wiener Wirtschaft wird es gelingen, dieses ehrgeizige Ziel zu schaffen.

Internationale Ansiedlungen bringen vielleicht einige tausend, aber nicht 50.000 neue Jobs.
Wir haben eine Fülle von Unternehmungen in unserem Nahbereich, wo wir Schwerpunkte wie bei der Lehrlingsausbildung setzen können. Wir arbeiten auch daran, dass Investieren attraktiv ist. Immerhin sind dafür jene Fakten wichtig, die in Wien zu finden sind: Sicherheit, Zuverlässigkeit in der Stadt, Mobilität -all das, was Lebensqualität ausmacht. Ich habe viele Gespräche, auch mit Start-up- Unternehmen geführt, die Wien vielen anderen Metropolen vorziehen, weil die Leute gern hier leben. Das merken ja auch viele Wiener und Wienerinnen, wenn sie aus dem Urlaub kommen und sich darauf besinnen, was hier alles auf hohem Niveau geboten wird.

»Digitalisierung als Selbstzweck kann's nicht sein«

Bürgermeister Michael Ludwig will Wien zu Europas Digital-Hauptstadt machen. Was haben die Menschen davon?
Digitalisierung als Selbstzweck kann's nicht sein. Sie muss in den Lebensbereichen einen spürbaren Vorteil generieren, in unterschiedlichen Bereichen. Das bedeutet zum Beispiel für ältere Menschen: Da bringt ihnen die Digitalisierung, wenn sie krank oder allein sind, den Kontakt zur Außenwelt. Oder dass jeder Bürger seine Amtswege über Smartphone erledigen kann. Dann können wir den Menschen sagen: Es geht um jeden einzelnen von euch, der kürzere Wege und Vorteile haben soll. Und es ermöglicht uns, in neue Bereiche zu investieren und neue Arbeitsplätze zu schaffen.

Finden Sie, steht die SPÖ in Wien derzeit gut genug da?
Ich wäre nicht der Richtige, wenn ich über unsere Arbeit glorreich sprechen würde. Aber die Stadtregierung in neuer Zusammensetzung tut alles, um in neuen Projekten zu zeigen, wie sehr uns Wien am Herzen liegt, und um alle Wienerinnen und Wiener davon zu überzeugen, dass die Sozialdemokratie auch weiterhin der richtige Partner für sie ist.

Mit den Themen Nulldefizit, Arbeitsplätzen und Digitalisierung?
Das sind meine Kernthemen, die Leuchttürme, weil das jeden von uns betrifft. Und wir wollen die Lebensqualität, wo Wien im Spitzenfeld liegt, weiter ausbauen.

Trotzdem matschkern die Leute.
Wenn wir unsere neuen Themen umsetzen, glaube ich, wird das Matschkern da und dort verstummen.

Derzeit fehlt der Wiener SPÖ noch einiges an Überzeugungskraft, oder?
Wir werden Monat für Monat das Beste geben. Am Ende der Periode hat der Wähler das Wort, dann werden wir uns diesem Votum stellen.

© Matt Observe

Zur Person: Seit 24. Mai ist der gelernte Betriebswirt als Stadtrat für Finanzen, Wirtschaft, Digitalisierung und Internationales zuständig. Von 2002 bis zu seinem Wechsel war er Chef der Wien Holding, die 2017 einen Rekordgewinn von 27 Millionen Euro erwirtschaftete. Der Quereinsteiger gilt als kompromissorientiert und umgänglich. Der Sozialdemokrat war bis zu seinem Umstieg nicht politisch engagiert.