Karoline Edstadler -
Die Frau für Law and Order

Staatssekretärin Karoline Edtstadler will sich in der Politik vor allem als Expertin einbringen. Ihre Aufgabengebiete sind weit gefasst, haben aber beide mit Gewalt zu tun

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Staatssekretärin - Karoline Edstadler -
Die Frau für Law and Order

An ihren ersten Tag im Amt denkt Karoline Edtstadler nicht so gern zurück. Im Ministerrat wurde sie für ein Statement vor Journalisten vorgeschickt und war sichtlich nervös. "Über die Kommentare danach hab ich mich, zugegeben, ein bisschen geärgert. Aber man entwickelt eine dickere Haut und liest nicht mehr alles." Nach 100 Tagen im Amt überwiegt die Begeisterung: "Es macht mir eine Riesenfreude, wenn ich reingehen und Termine wahrnehmen darf", sagt die ÖVP-Staatssekretärin im FPÖ-Innenministerium.

Anders als andere Staatssekretäre, die ein Schattendasein fristen, hat Edtstadler ein wichtiges Projekt der türkis-blauen Regierung zu verantworten. Zur Überraschung vieler leitet nicht Justizminister Josef Moser die Taskforce zur Reform des Strafrechts, sondern sie.

Teilung der Gewalten

Macht also jetzt die Polizei die Gesetze (was nicht im Sinne der Gewaltentrennung zwischen Legislative und Exekutive wäre)? "Das ist ganz falsch, das Gegenteil ist der Fall", sagt Edtstadler: "Es ist keine Aushöhlung der Gewaltenteilung durch die Hintertüre. Der Prozess, den wir jetzt angefangen haben, ist der Gesetzwerdung weit vorgelagert." Was von vier Ministerien in der Arbeitsgruppe beschlossen wird, wird später von den zuständigen Regierungsmitgliedern ins Parlament eingebracht. "Das ist der neue Stil der Regierung, dass man die, die Expertise mitbringen, einsetzt. Und ich bringe sie mit."

Ihr Ziel für die Strafrechtsreform ist klar: "Es geht mir nicht in allererster Linie darum, die Strafrahmen zu verschärfen. Es soll zu gerechten, aber auch strengen Strafen kommen." Dazu kann die Staatssekretärin aus Erfahrungen aus ihrer Zeit am Landesgericht Salzburg schöpfen. Drei Jahre, die ihr auch den Ruf einer "harten" Richterin eingebracht haben: "Ich habe erlebt, dass sich Verurteilte bei mir bedankt haben -obwohl sie wirklich strenge Strafen bekommen haben -, weil das Verfahren fair war und ihnen vor Augen geführt wurde, dass ihr Verhalten von der Gesellschaft nicht anerkannt wird." Daher sei es "eventuell notwendig, weitere Erschwerungsgründe ins Gesetz hineinzuschreiben, zur Zeit gibt sehr viel mehr Milderungsgründe". So dürfe man als Richterin zwar Erschwerungsgründe "erfinden", spätestens, wenn der Fall beim Oberlandesgericht sei, heiße es aber: "Wo steht das geschrieben?" Geht es also bei der Reform darum, Richterinnen und Richtern strengere Urteile zu erleichtern?"Genau. Strengere Urteile, die zur Situation passen." Sie wolle nicht, so die Politikerin, "alle für immer und ewig einsperren - was mir auch unterstellt worden ist. Ich will einen gerechten Ausgleich zwischen Opfer und Täter."

Probleme mit Waffenbesitz

In der Taskforce werden aber nicht nur die Strafrahmen diskutiert. Um Präventivmaßnahmen durchsetzen zu können, soll auch heikles Terrain beschritten werden. Bei Gesundheitsdaten etwa müsse man "Verschränkungen aufheben, die verhindern, dass Daten weitergegeben werden".

Edtstadler berichtet in dem Zusammenhang vom realen Fall eines Mannes, dessen psychische Probleme bekannt waren, der als Jäger aber eine Waffe besessen hatte: "Das ganze Dorf war dahinter, dass man ihm die Waffe wegnimmt." Doch nichts geschah. "Er kam in psychiatrische Behandlung, wurde wieder entlassen. Und dann geht er heim und erschießt seine Mutter", so die Staatssekretärin: "Datenschutz, ja klar. Aber ich muss die Möglichkeit eröffnen, dass Behörden, die auf solche Dinge aufmerksam gemacht werden, auch Daten austauschen können." Nur so könne man Gewalttaten verhindern. Werden die Gesundheitsbehörden also künftig verpflichtet, medizinische Daten weiter zu geben?"Was es konkret heißt, wird in der Arbeitsgruppe erarbeitet. Darum ist auch das Gesundheitsministerium mit an Bord."

Als Edtstadler von Bundeskanzler Sebastian Kurz für das Innenministerium nominiert wurde, gingen Beobachter davon aus, dass sie auch als türkise Aufpasserin für den blauen Innenminister Herbert Kickl gedacht ist. Die Ereignisse rund um das Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) zeigen aber, dass das "Aufpassen" wohl nicht so einfach ist.

Schwieriges Aufpassen

Ist ihre Aufgabe denn die Kontrolle des Ministers?"Diese Frage habe ich schon lange nicht mehr gestellt bekommen", sagt die Politikerin: "Ich habe auf sie immer geantwortet, dass ich als Expertin in die Regierung geholt wurde, um meine Expertise einzubringen. Aber wenn mir etwas auffällt, gibt es einen direkten Kontakt, und ich weise darauf hin."

Und ist ihr beim BVT etwas aufgefallen? "Ich weiß natürlich, was läuft, aber es ist nicht meine Zuständigkeit. Die liegt beim Herrn Minister, und die Ermittlungsbehörden sind jetzt dran, das alles aufzuklären." Ob man mit der Hausdurchsuchung beim BVT nicht den Nachrichtendienst international desavouiert habe?"Es ist jedenfalls sicher nichts, was alltäglich ist. Daher sind die Ermittlungsbehörden gefragt, das möglichst rasch im Sinne einer lückenlosen Aufklärung abzuarbeiten. Mehr kann ich dazu nicht sagen." Die Koalitionsdisziplin funktioniert offensichtlich.

Sehr wohl in Edtstadlers Zuständigkeit fallen die im Innenministerium angesiedelten Gedenkstätten für die Opfer des Nationalsozialismus wie auch jene im Konzentrationslager Mauthausen sowie die Regierungsaktivitäten rund um das Gedenkjahr 2018. Doch auch hier gibt es Probleme. So will die Israelitische Kultusgemeinde (IKG) an keinen Veranstaltungen teilnehmen, bei denen auch FPÖ-Minister sind. "Das ist zu akzeptieren, auch wenn es wehtut. Ich stehe als Brückenbauerin zur Verfügung", so die Staatssekretärin. Die IKG und sie hätten "ein sehr enges, vertrauensvolles und partnerschaftliches Miteinander", man tausche sich regelmäßig aus: "Mein Wunsch wäre es, dass wir dahin kommen, dass die gesamte Bundesregierung von der IKG wahrgenommen wird und wir uns die Hände reichen können."

Einer weiterer Kritikpunkt ist, dass in der FPÖ und ihren Ministerbüros als deutschnationale geltende Burschenschafter sitzen. Daran hat auch das Auffi nden von den Holocaust verherrlichenden Liederbüchern in manchen schlagenden Burschenschaften nichts geändert. Wäre es nicht klüger gewesen, wenn die Freiheitlichen diese Burschenschafter aus ihrem Umfeld entfernt hätten? "Es ist eben so, dass sich jeder -gerade ein Spitzenpolitiker -sein Team aussucht und dabei wichtig ist, dass man das größtmögliche Vertrauen zueinander hat." Das sei nichts, was man von außen jemandem auferlegen könne: "Es gibt Dinge, die die IKG stören, und ich weiß nicht, ob das das Einzige ist."

Ihr Ziel sei es jedenfalls, so Edtstadler, "dass jedem Schüler einmal im Schulleben ein Besuch in Mauthausen ermöglicht wird". Damit will sie schon bei den Vierzehnjährigen beginnen. "Es ist ein schwieriges Thema, aber das ist einem Vierzehnjährigen zumutbar", sagt die Mutter eines Siebzehnjährigen.

Auf Parteilinie

Das Frauenvolksbegehren wird sie nicht unterschreiben, bleibt Edtstadler anderswo auf Parteilinie. Aber: "Ich habe meine konkreten Vorstellungen, wo Frauen in Zukunft stehen sollen." Aus ihrem eigenen Werdegang wisse sie, dass es "noch immer keine Selbstverständlichkeit ist, dass man Karriere und Familie vereinbart. Es ist ein gesellschaftliches Problem". Vor vierzehn Jahren war ihr Sohn "der Erste im Kindergarten und der Letzte, der in der Garderobe gesessen ist. Wenn ich ihn abgeholt habe, hat es geheißen:,Die will halt Karriere machen'."

Gerade im dörflichen Umfeld sei so etwas nicht immer angenehm: "Jeder kennt jeden, und kaum dreht man sich um, hört man sie tuscheln. Aber man kann es trotzdem schaffen. Und es hat weder meinem Sohn noch mir nachhaltig geschadet. Aber ich bin froh, dass er jetzt groß ist."

Was würde sie gerne über sich in einem Wikipedia-Eintrag nach ihrer Zeit als Politikerin lesen? "Die Sicherheit aufrechtzuerhalten, das ist mir wichtig. Und auch das Selbstbewusstsein von Frauen zu steigern - im Bereich Sicherheit und auch, was die eigene Integrität betrifft." Diese Geisteshaltung zeigt sich auch in ihrer Arbeit -trotz aller Loyalität für Innenminister und Koalitionspartner Herbert Kickl. Allerdings: Während er sich Polizeipferde wünscht, besucht sie lieber die Hundestaffel, damit könne sie mehr anfangen.

Zur Person: Karoline Edtstadler

Die 37-Jährige ist im salzburgerischen Elixhausen als Tochter von ÖVP-Landtagsdirektor a. D. Karl Edtstadler aufgewachsen. Nach Ende des Studiums nahm die Juristin ein ÖVP-Gemeinderatsmandat in Henndorf am Wallersee an. 2006 wechselte die Mutter eines nunmehr siebzehnjährigen Sohns als Richterin ans Landesgericht Salzburg, ab 2011 arbeitete sie für das Justizministerium in Wien. Edtstadler war danach ein Jahr lang Oberstaatsanwältin, bevor sie 2016 an den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte wechselte. Seit 18. Dezember 2018 ist sie Staatssekretärin.

Dieser Artikel erschien im News-Magazin 13/2018.

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