Die Wiener Staatsoper trumpft im Repertoire mit erstrangingen Tenören auf

Puccinis „La Bohème“ (am 16.1.) und Rossinis „La Cenerentola“ (17.1.)

von La boheme © Bild: Wiener Staatsoper / Michael Pöhn

„La Bohème“

Fünf Tage hatte das Virus den Betrieb der Wiener Staatsoper stillgelegt. Doch seit dem Dreikönigstag wird wieder gespielt. Man kann nicht genug hervorheben, welchen Belastungen Künstlerinnen und Künstler in dieser Zeit ausgesetzt sind. Keine leichten Bedingungen für das Debüt der Dirigentin Eun Sun Kim bei Giacomo Puccinis „La Bohème“. Kim, seit vergangenem Jahr Musikdirektorin der San Francisco Opera setzt auf einen flotten, forschen Zugang. Sie stellt klar, das Leben ihrer Bohemiens ist rau, da bleibt nicht viel Zeit zum Schwelgen. Das geht auf Kosten der Emotionen. Nicht wenige Passagen geraten viel zu laut. Aber wenn sie es lässt, entfaltet das Orchester seine Klangfarbenpracht.

Absolut sehenswert die Besetzung: Saimir Pirgu, der kurzfristig in der ersten Vorstellung (die Rezensentin sah die ersten beiden Aufführungen) als Rodolfo einsprang, setzte sich kraftvoll durch. Benjamin Bernheim, der ursprünglich für diese Partie vorgesehen war, kehrte nach seiner Genesung mit ganzer Stimmpracht zurück. Er zeigt den Dichter ohne Sentimentalitäten. Mühelos erreicht er mit seinem noblem Tenor die hohen Töne, fasziniert mit famosen Phrasierungen und zartem Piano, seinem Rodolfo fehlt nichts. Nicole Car gestaltet die Mimi innig. Ètienne Dupuis ist mit seinem wohltönenden Bariton ein charismatischer Marcello. Slávka Zámečníková ist auf einem sehr guten Weg zur Musette. Ryan Speedo Green berührt als Colline. Martin Häßler komplettiert mit Verve als Schaunard. Marcus Pelz unterhält als Benoît und Alcindoro. Der Chor der Wiener Staatsoper (Einstudierung: Martin Schebesta) agiert solide. Franco Zeffirellis in die Jahrzehnte gekommene Bilderbuchinszenierung lädt ungebrochen ins Paris des 19. Jahrhunderts. Am 16.1. sind Clemens Unterreiner als Marcello, Vera-Lotte Boecker als Musetta und Nicholas Brownlee als Colline zu hören.

„La Cenerentola“

Eine Hommage an Gioachino Rossini ist die aktuelle Aufführungsserie seiner „Aschenbrödel“-Vertonung. Lawrence Brownlee, der neben Juan Diego Flórez (er ist in diesen Tagen als Massenets Werther an der Wiener Staatsoper zu erleben) führende Belcanto-Tenor, ist Don Ramiro. Seine geschmeidige Stimme brilliert in den höchsten Tönen. Da bleibt kein Wunsch offen. Seine Arie „Si, Ritrovarla. Io Giuro“ ist ein Ereignis. Die russische Mezzosopranistin Anna Goryachova erfreut in der Titelrolle. Mit Verve singt und spielt sie die Angelina, die vom Aschenbrödel zur Prinzessin avanciert. Ihre Stimme verfügt über ein breites Spektrum an Klangfarben, die Koloraturen spult sie mit Leichtigkeit ab. Erwin Schrott ist stimmlich und darstellerisch ein famoser Alcindoro. Maria Nazarova und Isabel Signoret sind Angelinas Schwestern Clorinda und Tisbe. Beide verfügen über feine Stimmen und komödiantisches Talent. Paolo Bordogna ist ein sehr guter Don Magnifico. Mit einem gewissen Quantum an Selbstironie setzt er sich als ungeschicktes Schlitzohr in Szene. Mit Spielfreude setzt er den Klamauk in Sven-Eric Bechtolfs Inszenierung um. Vito Priante ergänzt sehr gut als Dandini.

La Cenerentola
© Wiener Staatsoper/Michael Pöhn

Das Spiel mit italienischen Klischees, Eisverkäufer, Agip-Tankstelle, tolle, alte Autos, Espresso bietet auf Rolf Glittenbergs Bühne einen liebevollen Blick auf das Dolce Vita. Der Dirigent Giacomo Sagripanti treibt das Staatsopernorchester zu einer Rasanz an, als müsste er einen Ferrari einholen. Trotzdem halten alle mit. Eine glänzende Aufführung, die man nicht versäumen sollte.

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