Ungleiche Schwestern

Das „Sommermärchen“ des Nationalteams bei der EM 2017 ist Geschichte, die ÖFB Frauen Bundesliga kämpft nach wie vor mit den Mühen des Alltags, um sportliche Wertschätzung und um Sponsoren

von Sport - Ungleiche Schwestern © Bild: Ricardo Herrgott

Bereits in der zweiten Spiel­minute schlägt es zum ersten Mal im Tor der Südburgen­länderinnen ein. Und in dieser Tonart geht es die nächsten 90 Minuten munter weiter. Praktisch im Zehnminutentakt kassiert der FC Süd­burgenland beim Heimspiel gegen SKN St. Pölten Frauen einen Treffer. Am Ende gewinnen die Niederösterreicherinnen mit 8 : 0. Susanna Koch, die Kapitänin des FC Südburgenland, trägt die Heimschlappe trotzdem mit Fassung: „Gegen diese Profispielerinnen von St. Pölten stehen wir Amateure von vornherein auf verlorenem Posten. Nur die Höhe der Niederlage schmerzt heute ein wenig. Das Leistungsgefälle in der Frauen-Bundesliga ist generell einfach viel zu hoch. Daran wird sich leider auch in nächster Zeit wenig ändern.“

Zwei Wochen später krönt sich St. Pölten mit einem Zwei-zu-null-Auswärtssieg beim ­Lokalrivalen Neulengbach zum vierten Mal in Folge zum Meister der ÖFB Frauen ­Bundesliga. In den bisherigen 15 Runden der Zehnerliga haben die Niederösterreicherinnen 15 Siege gefeiert und nur einen einzigen Gegentreffer hinnehmen müssen. Das rekordverdächtige Torverhältnis: 66 : 1. Die letzte Niederlage setzte es für die St. Pöltnerinnen am 1. Juni 2014 gegen den früheren Ligadominator und zwölf­fachen Meister Neulengbach. Aber die müssen nach dem Abgang eines Sponsors wie der Gr0ßteil der Klubs inzwischen kleinere Brötchen backen.

Aber auch die Südburgenländerinnen dürfen seit dem letzten Wochenende jubeln. Gegen das Frauenteam des SK Sturm Graz, immerhin Dritter in der Tabelle, erkämpfen sie ein Eins-zu-eins-Unentschieden und damit wohl den Verbleib in der Bundesliga. Das alles mit einem Jahresbudget von knapp 40.000 Euro. Die Meisterinnen aus St. Pölten setzen auch in ­dieser Hinsicht neue Maßstäbe im österreichischen Frauenfußball: Kolportierte 300.000 Euro fließen in den Frauen-Profibetrieb, fast 80.000 Euro davon steuert das Land Niederösterreich als besondere Sportförderung für den Meistertitel bei.

Die Galionsfigur

Davon kann der FC Südburgenland nur träumen, obwohl der Klub seit 2003 ununterbrochen in der Frauen-Bundesliga mitspielt, 2004 das Cupfinale erreichte und 2011 sogar Vizemeister wurde. Damals spendierte der burgenländische Landeshauptmann großzügig eine Garnitur Trainingsanzüge, erinnert sich Susanna Koch. Die inzwischen 30-jährige Oberwarterin ist nicht nur die Galionsfigur des FC Südburgenland, sondern auch eine Pionierin in der jüngeren Erfolgsgeschichte des österreichischen Frauenfußballs. Die elffache ÖFB-Teamspielerin war dabei, als der ORF am 25. März 2010 das erste Frauenländerspiel live übertragen hat, gegen England, aus dem traditionsreichen Stadion der Queens Park Rangers in London. Koch: „Das war sicher das Highlight meines Fußballerlebens.“

Neben ihrer Karriere als Fußballerin hat Susanna Koch Sportwissenschaften und Spanisch studiert und als eine der ersten Frauen in Österreich die Uefa-A-Trainer­lizenz erworben. Mit der könnte sie theoretisch auch Männer-Fußballteams bis in die zweithöchste Liga trainieren.

Seit zwei Jahren arbeitet Koch als Bewegungscoach an vier Volksschulen im Nordburgenland. Vom Fußball hat sie noch nie leben können. Ohne ihre fußballverrückten Eltern hätte sie sich das alles nicht leisten können. Mutter Christine fungiert seit der Gründung des Vereins 2002 als Obfrau, Vater Alfred, ein Zahnarzt, hat in den letzten 15 Jahren dem Klub nicht nur ein Mal das finanzielle Überleben gesichert. Überhaupt: Ohne das überdurchschnittliche Engagement der Eltern der Spielerinnen des FC Südburgenland würde es den Klub wahrscheinlich gar nicht mehr geben, ist Susanna Koch überzeugt.

Dennoch: Das „Sommermärchen“, das das Frauen-Nationalteam 2017 mit Platz drei bei der EM in den Niederlanden geschrieben hat, habe zumindest das Image des Frauenfußballs verbessert, glaubt Koch: „Die Leute tun sich heute schwerer, sich über uns öffentlich lustig zu machen. Aber für einen kleinen Verein wie den unseren haben die Erfolge des Nationalteams kaum Auswirkungen, zumindest nicht in finanzieller Hinsicht. Wir leben nach wie vor von der Hand in den Mund.“

© Ricardo Herrgott „Solange es mir Spaß macht, werde ich weiterspielen – allen Widrigkeiten zum Trotz“ Susanna Koch erlebt nach der Schlappe noch eine kalte Dusche

Kämpfen bis zum Umfallen

Trainiert wird beim FC Südburgenland dreimal in der Woche, einige Spielerinnen schaffen es berufsbedingt, oder weil sie in Wien oder Graz studieren, überhaupt nur einmal in der Woche. Die Profispielerinnen von St. Pölten stehen dagegen täglich auf dem Trainingsplatz, absolvieren an zwei Tagen sogar zwei Trainingseinheiten. ­Michael Erhart, der Trainer der Südburgenländerinnen, ist trotzdem von der Professionalität und Leidenschaft seiner ­Spielerinnen überzeugt: „Angesichts der Rahmenbedingungen holen sie das Maximum aus sich heraus. Sie beweisen auch gegen einen übermächtigen Gegner wie St. Pölten einen unglaublichen Charakter. Egal, wie der Spielstand gerade ist, sie kämpfen bis zum Umfallen und bis zum Schlusspfiff. So etwas habe ich bei Männermannschaften nur selten erlebt.“

Mit der Gründung des Nationalen Zentrums für Frauenfußball in St. Pölten hat der Österreichische Fußballbund 2011 einen Meilenstein gesetzt. Ab der Saison 2018/19 wird die ÖFB Frauen Bundesliga erstmals über einen gemeinsamen Bewerbssponsor zentral vermarktet. Dazu kommt ein fix ausverhandelter TV-Vertrag mit dem ORF, der neben den Frauenländerspielen auch regelmäßige Live-Übertragungen aus der Frauen-Bundesliga garantiert (siehe Kasten links). Für einen kleinen Verein wie den FC Südburgenland könnte das die permanenten Existenz­sorgen zumindest etwas lindern.

Susanna Koch will jedenfalls noch die eine oder andere Saison anhängen: „Ich bin noch immer mit ganzem Herzen dabei. Solange mein Körper mitmacht, will ich weiterspielen.“ Außerdem motivieren sie die Mädchen und Buben in der Volksschule zusätzlich. Die waren nämlich erst kürzlich bei einer spontanen Abstimmung auf dem Pausenhof mehrheitlich der Meinung, dass Frauen in Österreich eigentlich den schöneren Fußball spielen.

Dieser Artikel erschien ursprünglich in der Printausgabe 20 2018