Entschärfte Kurven

Braucht ohrenbetäubender Motorlärm wirklich atemberaubende Frauenkörper? Um das Ende der Grid Girls ist ein bizarrer Streit entbrannt. Eine Ursachenforschung zwischen Tradition, Testosteron – und Trump

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Sport - Entschärfte Kurven

Die Motoren heulten, die Männerherzen lachten. Doch kaum hatte Bernie Ecclestone das Volant aus der zittrigen Hand gegeben, war auch schon Schluss mit lustig: Flugs wurden die sogenannten Grid Girls aus der Formel 1 verbannt.

All diese jungen bis sehr jungen, leicht bis sehr leicht bekleideten Damen, die unmittelbar vor dem Start die Piloten flankierten, um ihnen in flirrender Luft die Stangen mit ihren Startnummern zu halten – wo sind sie hin? Vor allem aber: Warum sind sie weg?

Immer fader werde die Formel 1, monieren jene, die sonntags vor dem Fernseher bei voller Fahrt und dumpfem Brummen ihr Schnitzerl verdauen. Keine nennenswerten Unfälle mehr, nicht einmal kleinere Crashes, statt Blechsalat nur noch Erdäpfelsalat – und als ob das alleine nicht schon ermüdend genug wäre, hat man nun zu allem Überdruss auch noch die schärfsten Kurven begradigt.

„Eine Schande!“, echauffiert sich etwa Rennsportlegende Jackie Stewart, 78, als Mann vom Fach und Publikumsvertreter der männlichen Seherschaft. Und selbst ein Niki Lauda outete sich im Gespräch mit News als Gentleman der alten, mit einem Mal überalterten Schule: „Die Idee, die Grid Girls abzuschaffen, war hoffentlich der letzte Akt, die DNA der Formel 1 zu zerstören“, wettert er. Und wittert: „Das hat mit der Metoo-Bewegung zu tun.“

Konsequent zugeknöpft

Alles, alles werde jetzt umgedreht, sogar der Fußball werde kopiert, wo Kicker mit kleinen Buben an der Hand auf das Feld marschieren, wagt sich Lauda aus dem Windschatten nobler Zurückhaltung. Ob das denn wirklich die DNA der Formel 1 sei oder vielleicht nicht doch eher „ein Grid Girl im Dirndl, wie das in Österreich Gang und Gäbe war, oder, wie sonst überall, fesche Frauen, die vor dem Start bei den Autos posierten“?

Doch Liberty Media, der Rechteinhaber der Formel 1, bleibt konsequent zugeknöpft. Und so bekommen die Frauenliebhaber unter den Sportfreunden auch in Spielberg keine Grid Girls zu sehen. Nicht einmal die Formula Unas, die statt Tops und Hot Pants heimische Tracht tragen, dürfen den Startraum aufputzen. „Die Grid Girls passen nicht zu den Markenwerten, die Liberty Media vertritt, und entsprechen eindeutig nicht mehr den heutigen gesellschaftlichen Normen“, heißt es dazu in einer Aussendung der Marketingabteilung.

Das ist zwar das offizielle Wording, aber, wie man sich nun in topinformierten Motorsportkreisen zuraunt, doch nur die halbe Wahrheit. Tatsächlich soll es nämlich Sharon Maffei, die Frau von Liberty-­Media-Präsident Greg Maffei, gewesen sein, die in Eigenregie die rasante Peep­show dichtmachte. Ausschlaggebend dafür soll ein besonders auffälliges Grid Girl beim Grand Prix der USA in Austin gewesen sein: Silikonbrüste, voluminös wie geöffnete Airbags nach einem Unfall, dazu nur ein bisschen hauchdünner Stoff, nicht mehr als das halbherzige Alibi einer Verhüllung – da habe Greg Maffei im Namen der Frau, aber eigentlich im Namen seiner Frau, spontan die Reißleine gezogen.

Doch nun hat Greg Maffei neben den meuternden Männern an den TV-Geräten und in den Boxenstraßen noch ein anderes Problem: Spätestens seit dem letzten US-Wahlkampf, den er mit einer Viertelmillion Dollar unterstützte, wird der Medienmacher dem Inner Circle von Donald Trump zugeordnet – und dessen Leben ist trotz ernsthafter reaktionärer Ansätze alles andere als eine züchtige Tea Party: Heiße Motoren ganz ohne halbnackte Frauen, wie soll Greg Maffei diesen Sittenverfall nur seinem Präsidenten erklären?

Dieser Artikel erschien ursprünglich in der Printausgabe 26 2018