Kanzler-Rennen: SPÖ
weit abgeschlagen

Die SPÖ startete am Freitag offiziell in den Wahlkampf. Dabei haben die Roten den Nationalratswahlen schon einmal hoffnungsfroher entgegengeblickt. Der Umfragen-Rückstand auf die ÖVP ist zweistellig, und nur knapp hinter den Sozialdemokraten lauern die Freiheitlichen, die im Schlimmsten aller roten Fälle die langjährige Kanzlerpartei sogar auf Platz drei verdrängen könnten.

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NR-Wahl - Kanzler-Rennen: SPÖ
weit abgeschlagen

Die SPÖ hat Freitagabend ihren offiziellen Wahlkampf angekickt. Am Wiener Viktor-Adler-Platz, einem zuletzt oft von der FPÖ gekaperten Ort des "roten Wien" versuchte Spitzenkandidatin Pamela Rendi-Wagner der von schwachen Werten gebeutelten Sozialdemokratie Zuversicht einzuimpfen: "Lasst euch nicht beirren von Umfragen", tönte die SPÖ-Chefin in Richtung des recht zahlreich erschienen Publikums.

Mindestlohn von 1.700 Euro

Rendi-Wagner hatte einen Teil ihrer Jugend im traditionellen Arbeiterbezirk verbracht und war dann am Freitag auch bemüht, mit ein wenig Nostalgie roten Stallgeruch zu beweisen: "Mein Herz schlägt hier schneller als auf jedem anderen Platz in Wien", rief die SPÖ-Chefin in die Menge und führte dann aus, dass ihr erfolgreicher beruflicher Werdegang zu allererst den Reformwillen der SPÖ zu verdanken gewesen sei, da nur wegen diesem für ein Mädchen aus finanzschwachen Verhältnissen eine entsprechende Ausbildung möglich geworden sei.

Gleiches will Rendi-Wagner auch der heutigen Jugend ermöglichen, etwa indem die Kinderbetreuung für berufstätige Eltern erleichtert werden soll, in erster Linie durch kürzere Kindergarten-Schließzeiten in den Ferien. Für mehr Geld in der Börse soll ein Mindestlohn von 1.700 Euro sorgen. Auch der rote Wahlkampf-Klassiker "Wohnen darf kein Luxus werden" fehlte in der rund 20-minütigen Rede nicht.

Das gerade in Bezirken wie dem multiethnischen Favoriten heikle "Ausländer-Thema" umschiffte Rendi-Wagner nicht. Die rote Spitzenkandidatin betonte die Devise "Integration vor Zuzug", pochte aber gleichzeitig auf entsprechende Maßnahmen, die Integration auch ermöglichen.

»Kein Schmutzkübel hat jemals einen Arbeitsplatz geschaffen«

Entschieden wandte sich die Parteichefin gegen unsaubere Wahlkampagnen: "Kein Schmutzkübel hat jemals einen Arbeitsplatz geschaffen." Dementsprechend hielt sich Rendi-Wagner auch nicht mit Kritik an der politischen Konkurrenz auf. Einzig, dass man eine - von der SPÖ vermutete - Neuauflage von Türkis-Blau verhindern wolle und werde, versicherte sie der Zuhörerschaft: "Österreich kann es besser als in den letzten 18 Monaten".

Der roten Gefolgschaft versprach Rendi-Wagner, die gut vier Wochen bis zum Wahltag Tag und Nacht zu kämpfen und das durchaus auch auf der Straße. Sie sei niemand, der in der Schreibstube sitze, sie wolle hinaus zu den Menschen.

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Chaotischer Rückzug

Dass der SPÖ die Wählerherzen derzeit zumindest im Bund nicht gerade zufliegen, ist multikausal. Einer der Gründe ist hausgemacht, hat man es doch verpasst, während der Ära Christian Kern die Nachfolge-Frage entsprechend vorzubereiten. Dabei kam der Rückzug des kurzzeitigen Polit-Messias zwar zu diesem Zeitpunkt und in dieser von ihm verursachten Chaotik überraschend, doch hatte wohl kaum jemand damit gerechnet, dass sich der in der Wirtschaft durchaus gefragte Manager allzu lange auf der Oppositionsbank aufhalten würde.

Zeit nehmen für die Parteichef-Suche wollte man sich in der SPÖ dennoch nicht und so kam mit Pamela Rendi-Wagner vergangenes Jahr eine Frau zum Zug, die der stolzen Traditionspartei gerade einmal ein Jahr angehörte und die sich vor allem in ihrer Anfangsphase auch mit inhaltlichen Positionen der Partei - Stichwort Vermögenssteuer - nicht unbedingt leicht tat.

Die starken Landesparteien aus Wien und Burgenland waren ohnehin nicht gerade glühende Anhänger der tagespolitisch wenig erfahrenen Gesundheitsexpertin, was deren Start ebenso holprig machte wie diverse Personalentscheidungen, mit denen sie und ihr in der Partei mäßig geliebter Bundesgeschäftsführer Thomas Drozda da und dort mittlere Gräben aufrissen.

EU-Wahl als Vorzeichen?

Dazu kommt, was die EU-Wahl deutlich machte, dass das Comeback der Grünen den Roten ordentlich zu schaffen macht. Trotz eines routinierten Wahlkampfs mit einem engagierten Spitzenkandidaten endete der europäische Urnengang mit dem historisch schlechtesten Ergebnis der SPÖ bei einer Bundeswahl, während die Grünen wie Phönix aus der Asche stiegen. Dass die SPÖ sich nun massiv gegen eine CO2-Steuer wendet, dürfte rot-grüne Wechselwähler auch nicht unbedingt das Kreuz hinter Rendi-Wagners Namen machen lassen.

Schließlich hat die SPÖ auch mit einem europäischen Trend zu kämpfen. Wiewohl in einigen Ländern wie Portugal oder Dänemark zuletzt Erfolge erzielt wurden, ging es sozialdemokratischen und sozialistischen Parteien in Europa in den vergangenen Jahren schlecht. Derzeit ist Spanien das einzige große EU-Land, das von Sozialdemokraten an der Spitze regiert wird.

Strategische Probleme

Schwer tat sich die SPÖ in den vergangenen Jahren auch mit ihrer strategischen Ausrichtung Koalitionen betreffend. Die vormals große Koalition führte auf Dauer zu einer tief liegenden gegenseitigen Abneigung der Langzeit-Partner, Rot-Grün ist nicht in Sichtweite, nicht einmal das aus wirtschaftspolitischen Gründen ohnehin komplizierte Rot-Grün-Pink scheint gegenwärtig erreichbar. Die Aussicht auf Rot-Blau wiederum lässt den linken Flügel erschauern, während Burgenlands Landeshauptmann Hans Peter Doskozil (SPÖ) nicht müde wird, die gute Zusammenarbeit in der entsprechenden Koalition in seinem Heimat-Bundesland zu rühmen. Immerhin ist dieses Problem aktuell in den Hintergrund gerückt, sind SPÖ und FPÖ doch weit von einer Mehrheit entfernt, womit Rot-Blau einzig noch als Schreckgespenst in der türkisen Wahlkampf-Saga dient.

Wenn es aktuell einen Trost für die österreichischen Sozialdemokraten gibt, ist es, dass sich Spitzenkandidatin Rendi-Wagner und ihr Manager Christian Deutsch in der Kampagne besser schlagen, als es auch intern viele befürchtet hatten. Zudem hat man die wohl berechtigte Hoffnung, dass nach den jüngsten Erfolgen der sozialdemokratischen Arbeiterkämmerer sowie von Landeshauptmann Peter Kaiser in Kärnten 2020 auch Doskozil im Burgenland einen Wahlsieg einfährt. Die Wien-Wahl, die wieder einmal zur Mutter aller Schlachten hochstilisiert wird, sollte es der unter Michael Ludwig konsolidierten Stadtpartei ebenfalls ermöglichen, die Geschichte des roten Wien weiter zu schreiben.