Rendi-Wagner vs. Doskozil: Wo ist der Unterschied?

Team Rendi-Wagner oder Team Doskozil? Inhaltlich dreht sich der Richtungsstreit in der SPÖ vor allem um Fragen der Migration und Volksnähe

von Rendi-Wagner Doskozil © Bild: APA/Fohringer

Pamela Rendi-Wagner und Hans Peter Doskozil verbindet eine lange und sorgsam gepflegte Intim-Feindschaft. Schon wenige Wochen, nachdem Pamela Rendi-Wagner im Herbst 2018 die Führung der SPÖ übernommen hatte, kamen erste kritische Anmerkungen aus dem Burgenland. Anfangs stellte sich Doskozil freilich noch hinter Rendi-Wagner als Parteichefin. Das änderte sich mit den Jahren. Wann immer sie Schwäche zeigte, ließ Doskozil öffentlich wissen, wie es seiner Meinung nach besser ginge. Die jüngste Eskalation hat freilich nicht nur mit dem Aufeinanderprallen zweier völlig unterschiedlicher Charaktere zu tun, sie zeigt auch inhaltliche Konflikte auf, die in der SPÖ seit Jahren ungelöst sind.

Gretchenfrage Migration

Schon Rendi-Wagners Vorvorgänger als Parteichef, Werner Faymann, hatte das Thema Migration den Job gekostet (die parteiinternen Widerstände waren zu groß geworden, nachdem er als SPÖ-Kanzler eine Verschärfung des Asylkurses angekündigt hatte). Rendi-Wagner unternahm keine Neuaufstellung oder Klärung der Frage, sondern versuchte sich zunächst in Opposition zu türkis-blauen Extrempositionen und war dann froh, sich wegen der Coronakrise nicht mit Zuwanderung beschäftigen zu müssen. Ein Versäumnis, wie sich spätestens im Herbst 2022 zeigte, als die FPÖ in Umfragen an der SPÖ vorbeizog. Dass Rendi-Wagner seitdem zumindest auf dem Papier einen deutlichen Rechtsschwenk vollzogen hat, ändert daran nicht viel.

Alles Wasser auf den Mühlen von Hans Peter Doskozil: Der selbstbewusste Landeshauptmann des Burgenlands tritt seit jeher als Migrations-Hardliner auf und wirft der SPÖ vor, in dieser und auch in anderen Fragen zu wenig auf die Meinung des Volkes zu hören. Anstatt Rendi-Wagner zu unterstützen, schlug er sich 2018 und 2019 immer wieder auf die Seite der türkis-blauen Bundesregierung. Er unterstützte Kurz' und Straches Pläne zur Reform der Mindestsicherung und trat für die umstrittene Sicherungshaft für Gefährder ein. Im Streit über die Aufnahme von Kindern aus dem Flüchtlingslager Moria 2020 sprach er sich "gegen Einzelmaßnahmen, um sein soziales Gewissen zu beruhigen", aus. Wie die türkise ÖVP unter Sebastian Kurz. Anders als SPÖ-Parteichefin Rendi-Wagner.

Die SPÖ müsse sich "sozialpolitisch links, wirtschaftspolitisch pragmatisch, gesellschaftspolitisch liberal und sicherheitspolitisch konsequent" aufstellen, fordert Doskozil. Und dass sie nicht nur Politik für die Städte machen dürfe. Allerdings: Die rechten Positionen, die Doskozil in Migrations-und Sicherheitsfragen vertritt, mögen bei ländlichen FPÖ-und ÖVP-Sympathisanten gut ankommen, bei Wiener SPÖ-Wählerinnen und -Wählern wären sie nicht mehrheitsfähig.

Uneinig waren sich Rendi-Wagner und Doskozil auch beim Thema Corona. Während Rendi-Wagner einen vorsichtigen Kurs verfolgte und vor Lockerungen warnte, sprach sich Doskozil für raschere Öffnungsschritte aus. Im Frühling 2021 beendete er den Lockdown im Burgenland vorzeitig, was ihm öffentlich Kritik von der Parteivorsitzenden eintrug. Doskozil legte daraufhin seine Funktion im Parteipräsidium zurück.

In seinem Brief an die "liebe Pamela" schrieb er damals: "Ein Beharren auf besonders restriktiven Maßnahmen ohne Perspektive für die Menschen, die diese Einschränkungen ertragen müssen, führt aus meiner Sicht zu keinem sinnvollen Ergebnis." In anderen Bundesländer funktionierte das "Beharren auf besonders restriktiven Maßnahmen" allerdings gut: Die Wiener SPÖ war mit dieser Strategie sehr erfolgreich.

4-Tage-Woche vs. Mindestlohn

"Sozialpolitisch links", das bedeutet in Doskozils politischem Kosmos vor allem das Eintreten für Mindestlöhne. 2019 führte Doskozil im Burgenland -noch mit blauem Koalitionspartner -so eine Maßnahme ein, Landesbedienstete verdienen seitdem mindestens 1.700 Euro netto (aktuell 2.000 Euro netto). Die Mindestlohndebatte sei wichtig, weil die Menschen sich das Leben immer weniger leisten könnten, meint Doskozil, und macht sich damit für den "kleinen Mann" stark, ein deutlicher Verweis auf sozialdemokratische Wurzeln. Explizit nichts hält er zum jetzigen Zeitpunkt von der 4-Tage-Woche. Eine Idee, für die sich die Bundes-SPÖ aber seit Jahren einsetzt, und von der viel breitere Wählerschichten profitieren würden.

Wie auch immer der laufende Machtkampf in der SPÖ ausgeht, er zeigt, dass es nicht nur persönlich, sondern auch inhaltlich einiges zu klären gibt: Für oder gegen Zuwanderung? Am Ohr des Volkes oder im Vorstandsbüro? Links oder rechts, Stadt oder Land? Irgendjemand sollte diese Fragen beantworten. Und zwar, mit Blick auf die Umfragen, lieber früher als später.