Abstimmen, zählen und schweigen

Wer immer das Rennen um den SPÖ-Parteivorsitz für sich entscheiden wird, die Partei hat nur dann eine Chance, wenn sich danach alle klug verhalten.

von Renate Kromp © Bild: Ian Ehm/News

Drei Jahre lang begleitete der deutsche NDR den lauten Jungspund der SPD, Kevin Kühnert, filmte mit, wie dort innerparteilich die Strippen gezogen werden. Ob und wie aufmerksam man sich in der SPÖ die sechsteilige Polit-Doku, die daraus entstand, angesehen hat -zwei bemerkenswerte Szenen daraus sind bei den österreichischen Genossen jedenfalls nicht hängen geblieben: Kühnert lässt sich 2019 in jenem Moment filmen, in dem er mit seiner Juso-Kollegin Jessica Rosenthal jubelt, weil ein gewisser Olaf Scholz (gemeinsam mit Klara Geywitz) bei der Wahl für die SPD-Doppelspitze durchfällt. 2020 küren die deutschen Sozialdemokraten dann aber eben diesen Olaf Scholz zu ihrem Kanzlerkandidaten. Man sieht Kühnert hinter den Kulissen lästern. Doch es fällt kein Wort des öffentlichen Zweifels. Auch wenn nicht jeder mit dem eher farblosen damaligen Finanzminister einverstanden ist, man zieht an einem Strang und hält die Klappe. So kam es, dass Scholz, auch profitierend von der Schwäche der CDU, ins Kanzleramt einzog. Schwer vorstellbar, dass das in der SPÖ funktionieren würde. Ebenfalls 2020 ließ Pamela Rendi-Wagner bei einer Mitgliederbefragung über ihren Verbleib an der Parteispitze entscheiden. 42,7 Prozent der Mitglieder nahmen an der Abstimmung teil, 71,4 Prozent sprachen sich für sie aus -und sofort wurde im Nachhinein am Prozedere herumgemäkelt. An dieser Stelle war damals zu lesen: "Pamela Rendi-Wagner und ihre Parteifreundinnen und -freunde stehen mit diesem Votum nicht am Ende, sondern am Anfang eines langen Weges. Arbeiten müssen alle an sich." Man möge einen Berater-Ratschlag an den früheren SPÖ-Chef Alfred Gusenbauer aufgreifen -"Put him in a group" - und als Team agieren.

»Was wäre für die SPÖ erreichbar, würde sie gemeinsam ihre Stärken ausspielen«

Blickt man heute auf die drei Bewerbungen für den Parteivorsitz, wird sichtbar, welche Bandbreite die SPÖ abdecken könnte. Rendi-Wagner, Hans Peter Doskozil und Andreas Babler stehen für sehr verschiedene Auffassungen sozialdemokratischer Politik und doch auf einem gemeinsamen Boden. Bruno Kreisky sprach eine Einladung an die Wählerinnen und Wähler aus: "Ein Stück des Weges gemeinsam gehen." Was wäre für die SPÖ an Zuspruch erreichbar, würde sie gemeinsam ihre unterschiedlichen Stärken ausspielen? Stattdessen verlief der rote Weg vom internen Geplänkel, über offensives Hacklschmeißen (in beide Richtungen) bis zur nun anstehenden Entscheidung, wobei das Misstrauen so groß ist, dass Begleitung durch einen Notar beschlossen wurde.

Sehr wichtig nimmt man im SPÖ-internen Wahlkampf, wie es die Amtsinhaberin und ihre Herausforderer mit der FPÖ halten. Wer punkten will, geht öffentlich auf Distanz zu den Blauen und noch größerer Distanz zu deren Parteichef Herbert Kickl. Wenn die SPÖ und ihre Mitglieder diesen als Kanzler verhindern wollen, sollten sie persönliche Animositäten hintan-und genau eine Überlegung anstellen: Wer kann bei der Nationalratswahl die meisten Stimmen erreichen und die FPÖ, die derzeit in den Umfragen vorne liegt, noch abfangen? Und: Wer immer das ist, sollte auf anschließende Triumphposen verzichten und die anderen Lager in der Partei klug in sein oder ihr Team einbinden. Klingt einfach? Nicht in der (heutigen) SPÖ.

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