SPÖ-Funktionäre zur Krise:
"Wir müssen weg vom Beklagen"

Was SPÖ-Funktionäre verändern würden, ob Rendi-Wagner die Richtige ist und was an Rot-Blau dran ist

Die Krise der SPÖ ist nicht neu, doch die Wahlen zum Europaparlament vor fast zwei Wochen haben diese wieder vor Augen geführt. Der „Ibiza-Bonus“ konnte nicht genutzt werden, am Ende stand ein ein Minus vor dem Ergebnis, dabei hätte gerade diese enorme Regierungskrise zur Stunde der sich in Opposition befindenden Sozialdemokraten werden können. Woran liegt es, dass es trotz "Elfmeters" nicht klappt? Was muss die SPÖ anders machen? Und ist Rendi-Wagner dafür die richtige? News.at hat sich in der roten „Basis“ quer durch die Parteiebenen umgehört.

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Wie soll es weitergehen? - SPÖ-Funktionäre zur Krise:
"Wir müssen weg vom Beklagen"

Die SPÖ befindet sich seit Jahren auf dem Sinkflug, 2017 dann der Abstieg von der Regierungs- zur Oppositionspartei und trotz einer der größten Regierungskrisen der zweiten Republik konnte die Talfahrt auch bei den EU-Wahlen vor zwei Wochen nicht gestoppt werden. Diesem bundesweiten Trend setzt sich jedoch immer wieder die Stadtgemeinde Traiskirchen, im Rest Österreichs vor allem aufgrund ihres Flüchtlingszentrums bekannt, entgegen. "Traiskirchen ist die stärkste SPÖ-Stadt Österreichs, das gallische Dorf quasi“, wie Bürgermeister Andreas Babler gegenüber News.at nicht ohne Stolz sagt. Aber was macht die Sozialdemokratie in Traiskirchen anders als im Rest Österreichs?

» Wir müssen unsere eigenen Geschichten erzählen«

„Wir trauen uns, Themen einzubringen und schauen, dass es authentische Kandidaten dazu gibt, die das auch selber leben. Dadurch sind wir gestärkt, weil alles abprallt, was negativ sein könnte, weil wir Dinge positiv erzählen und so glaubwürdig und in den Argumenten unangreifbar sind. Und das macht Spaß“, fasst der Bürgermeister das zusammen, was er auch auf Bundesebene einfordert: „Wir müssen raus aus der Defensive. Weg vom Beklagen, hin zum gestalterischen Anspruch. Wir müssen unsere eigenen Geschichten erzählen.“ Für ein ganz konkretes, positives Gesellschaftsmodell müsse die SPÖ nun werben und „weg vom Campaigning, wo man sagt ‚Blau-Schwarz ist eine Katastrophe‘“.

Die richtige Kommunikation

Dem stimmt auch Maria-Luise Mathiaschitz, SPÖ-Bürgermeisterin in Klagenfurt, zu. „Wir müssen uns den gesellschaftlichen Problemen des 21. Jahrhunderts stellen. Die SPÖ braucht klare Antworten auf aktuelle Herausforderungen“, so das Oberhaupt der Kärntner Landeshauptstadt. Zusätzlich zu den Antworten bedürfe es auch der richtigen Kommunikation dieser, wie Elisabeth Feichtinger, SPÖ-Bürgermeisterin von Altmünster am Traunsee (OÖ), fordert: „Die Themen nach außen zu schärfen, um sie den Menschen näher zu bringen, darin liegt sicher ein Potenzial.“

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Enttäuschende EU-Wahl aufgrund "technisch brillanter Kampagne" von Kurz

Dennoch dürfte es trotz dieser doch recht einheitlichen Verbesserungsvorschläge nicht so einfach sein, sich ausschließlich auf diese eigene, positive, Geschichte, die eigene Themensetzung, zu fokussieren. So wird etwa das Minus bei der EU-Wahl trotz Regierungskrisen-Bonus nicht mit eigenen Versäumnissen, sondern mit der „technisch brillanten Kampagne“ (Andreas Babler) der anderen, namentlich der Kurz-ÖVP, erklärt. „Ibiza hat Kurz eine massive Medienpräsenz gegeben“, sieht auch Feichtinger das enttäuschende Abschneiden der Roten im Erfolg von Sebastian Kurz, „der ja gar nicht zur Wahl stand“, wie ihr Kollege Babler ergänzt, sowie auch in der für sie überraschend großen Stammwählerschaft der FPÖ. Auch Georg Dornauer, SPÖ-Vorsitzender Tirols, führt das von ihm am Wahlabend so emotional beschriebene „Sch…-Ergebnis“ auf den Mobilisierungseffekt des Ex-Kanzlers zurück, gibt aber auch zu, dass „wir einfach hinten angestanden sind, das ist uns einfach nicht gelungen.“

»Man sieht jetzt schon die große Zustimmung zu Alternativen zu solchen Regierungswahnsinnigkeiten«

Die SPÖ hat also keine Fehler gemacht? „Eine klare Botschaft fehlte“, erklärt Mathiaschitz. Eine Schwäche ihrer Partei, die im übrigen auch beim Misstrauensvotum zu Tage getreten sei. Ansonsten sehen die befragten Parteifunktionäre kaum eigene Fehler. Andreas Babler glaubt überhaupt, dass das Ergebnis, wäre die Wahl heute, schon anders aussehen würde, „jetzt, wo man mit einigem Abstand sieht, dass das eine Krise war, für die Kurz mitverantwortlich ist“. Man sehe demnach heute auch schon „die große Zustimmung zu Alternativen zu solchen Regierungswahnsinnigkeiten“. Jetzt stellt sich allerdings für Babler die Frage, was die SPÖ daraus macht und auch Dornauer sieht in der aktuellen Situation durch die Regierungsabwahl (die absolut gerechtfertigt gewesen sei, denn „ein 31-Jähriger mit 31 Prozent, die er vom Volk erhalten hat, ist nicht legitimiert, während des Wahlkampfs aus vollen Etats zu schöpfen und sämtliche Medien über Inserate zu subventionieren“) eine „Riesenchance“.

Rendi-Wagner "absolut die Richtige"

Dass Umfragen die SPÖ derzeit bei rund 21 Prozent sehen, stört den Tiroler Parteichef dabei wenig: „Da schnackel ich nicht mit einem Ohrwaschl“. Das sieht auch der Traiskirchner Bürgermeister so und fordert klar, den Führungsanspruch zu stellen. Parteichefin Pamela Rendi-Wagner sei dafür „absolut“ die Richtige, was auch seine Amtskollegin aus Altmünster so sieht: „Auf jeden Fall. Wenn man sich die Bilder ansieht, wie sie mit Leuten spricht, sieht man ihre Herzlichkeit. Sie hört zu und nimmt einen wahr und das braucht es mehr denn je“, so Feichtinger.

»Rendi-Wagner muss in den nächsten zwei bis drei Wochen eine Art Befreiungsschlag gelingen«

Auch für Dornauer stellt sich jetzt keine Personalfrage an der roten Spitze. „Ich stehe zu 100 Prozent hinter und vor ihr.“ Dennoch, so Dornauer, „muss Rendi-Wagner in den nächsten zwei bis drei Wochen eine Art Befreiungsschlag gelingen.“ Ein Ruck müsse durch Funktionäre und Bevölkerung gehen, in dem zu spüren sei, dass „die Frau eine ernstzunehmende Gegnerin ist, die sich nicht von einem 31-Jährigen ausbremsen lässt.“

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Kann die SPÖ die Wahl gewinnen?

Gelingt all dies - Rendi-Wagners „Befreiungsschlag“, das Erzählen der eigenen Geschichte fernab des Negativ-Campaignins und eine gelungene Kommunikation - was könnte dann bei den Wahlen im Herbst für die SPÖ herausschauen? Hier ist man sich offenbar nicht ganz einig: „Ich bin der fixen Überzeugung, dass man diese Wahl gewinnen kann“, gibt sich etwa Babler optimistisch. Auch Dornauer findet, man müsse "um Platz eins mitrittern“. Die Frauen geben sich vorsichtiger. Feichtinger etwa will sich nicht festlegen: „Wenn die Mehrheit so will, dann haben wir auch eine starke Stimme“ bleibt sie vage und auch Mathiaschitz „will noch keine Prognose abgeben, denn die vergangenen Tage haben gezeigt, wie schnell sich alles ändern kann.“ Was sich die Klagenfurter Bürgermeisterin erhoffe sei jedenfalls „nicht deckungsgleich“ mit dem, was sie sich erwarte, lässt Mathiaschitz nicht gerade den großen Optimismus anklingen.

Was ist dran am "rot-blauen Gespenst"?

Uneinigkeit herrscht unter den Funktionären auch in Bezug auf die von der ÖVP gesäte, angebliche rot-blaue Harmonie. „Das ist ein pragmatischer Zugang. Wie in der Kommunalpolitik auch, gibt es eben Themen, wo man sich wiederfindet, etwa beim Misstrauensvotum“, so Feichtinger, aber das habe „nichts mit Packelei zu tun“. Dornauer sieht in dem von der ÖVP in die Welt gesetzten „rot-blauen Gespenst, das früher rot-grün war“ einen „Beleg dafür, dass die türkise ÖVP unter Sebastian Kurz an allen Ecken und Enden einen Ausschlag bekommt, wenn sie nur Sozialdemokratie hört.“ Eine mögliche Koalition mit der FPÖ nach den Wahlen will er aber auch nicht dezidiert ausschließen mit Verweis auf den von der Bundes-SPÖ beschlossenen Kriterienkatalog. Anders sieht diese Sache jedoch Andreas Babler, der glaubt, „dass sich niemand eine Koalition vorstellen kann, mit einer FPÖ, die bereit ist, Österreich zu verkaufen und dabei selbst noch zu verdienen. Das kommt für die Sozialdemokratie nicht in Frage.“ Um sich dieser Frage zu stellen, müsste die SPÖ ohnehin erst einen Regierungsauftrag aufgrund eines Wahlsieges erhalten – und der Weg, die drei Monate, bis zu diesem Ziel sind zwar noch „brutal lang“, so Dornauer, aber eben auch „eine Zeit, in der man so etwas aufbauen kann“, gibt sich Babler wiederum optimistisch.