SPÖ und FPÖ: Sind
sie noch zu retten?

Die Parteien im freien Fall, die Chefs mit Autoritätsproblem: Dabei müssten Pamela Rendi-Wagner und Norbert Hofer nur ein paar alte Gesetze der Macht beachten

von
Innenpolitik - SPÖ und FPÖ: Sind
sie noch zu retten?

Mitten im Geflecht der Intrigen, in den Umfragen weiter im freien Fall und in den Gesichtern der "Parteifreunde" eher Mitleid als Respekt. Geraten Parteichefs außer Tritt, ist die Obmanndebatte nicht mehr weit. Und während es um sie einsamer wird, stellen sie sich vielleicht die Frage: Hätte man etwas anders machen können? War die Krise zu verhindern? Wie komme ich da je wieder heraus? Manchmal hilft es da, sich bekannte Gesetze der Macht zu Gemüte zu führen.

1. Tritt nicht in die Fußstapfen eines großen Mannes
Vor gut 20 Jahren formulierte der US-amerikanische Schriftsteller Robert Greene seine "48 Gesetze der Macht". In Nummer 41 geht es um Probleme mit dem Vorgänger bzw. die richtige Strategie in den ersten Stunden. Positionierungsberater Gregor Schütze sieht da Parallelen zwischen Pamela Rendi-Wagner an der SPÖ-Spitze und FPÖ-Chef Norbert Hofer, der Heinz-Christian Strache beerbte, als der zwar moralisch schon am Boden war, aber immer noch seine Anhänger hatte: "Bei beiden beginnt das Dilemma bei der Übernahme des Parteivorsitzes. Man hat den Eindruck, sie wollten das gar nicht und haben das Momentum auch nicht genützt, um zu sagen, das ist ab jetzt unser neuer Weg." Dabei sieht Managementberater Michael Schmitz dieses Macht-Gesetz bei Pamela Rendi-Wagner eigentlich ins Gegenteil verkehrt: "Man muss bei ihr die Geschichte mit Christian Kern mitbedenken. Sie ist die Nachfolgerin von jemandem, der sich als untauglich erwiesen hat." Nach dessen chaotischem Abgang "hatte sie gar nicht die Chance, als strahlende Ritterin zu erscheinen".

Passend zum Thema: Sind die Roten noch zu retten?

2. Etwas aus dem Nichts erzeugen
Das ist eines der Stratageme des chinesischen Generals Tan Daoji (436)."Predige den notwendigen Wandel, aber ändere nie zu viel auf einmal", meint dazu Mr. Greene. Beide Parteichefs sehen sich nach dem Debakel bei der Nationalratswahl mit Reformwünschen konfrontiert -und alle wollen mitreden. Management-Coach Regina Maria Jankowitsch läutet da gleich die Alarmglocke, denn: "Irgendwann wird es mit der Basisdemokratie schwierig. Wenn Sie alle Leute einladen, mitzureden, haben sie eine Vielfalt an Meinungen -und was machen Sie dann mit denen?" Filtert man einige wenige heraus, ist der Rest der Ezzes-Geber beleidigt, destilliert man einen (schwachen) Kompromiss, "sind alle sauer. Ein Meinungsbildungsprozess muss extrem straff organisiert sein." Auch in der FPÖ sieht Schütze dieses Probleme herandräuen: "Wenn der oberösterreichische FPÖ-Chef Manfred Haimbuchner ausrichtet, die Bundes-FPÖ bestehe nicht aus einem Dreier-Sitzkreis in Wien, deutet das auf Führungsschwäche der Parteispitze hin." Alle Berater sehen ein Problem bei der Parteireform: Sowohl SPÖ als auch FPÖ wissen nicht, wofür sie stehen. In beiden Parteien gibt es Flügelkämpfe. Beide Chefs führen nicht spürbar, und sie müssen Reformgeist demonstrieren, aber vielleicht doch nicht so viel ändern, dass alle verschreckt sind. Merken sollte das halt niemand.

3. Plane alles bis zum Ende
Dieses Machtgesetz von Greene hätte sich Rendi-Wagner bei der Wahl ihrer Bundesgeschäftsführer zu Herzen nehmen sollen und Norbert Hofer im Umgang mit der Familie Strache. "Da hat er herumgeeiert", befindet Michael Schmitz. "Einerseits wollte er die Anhänger Straches nicht verprellen, andererseits will er ihn nicht so sehr um den Hals hängen haben, dass er alle mit in den Abgrund zieht." Auch Jankowitsch sieht die Schwäche Hofers im Umgang mit dem Ex-Chef: "Der Kardinalfehler war, Strache nach Ibiza nicht sofort kalt zu stellen." Zur Causa Philippa Strache meint sie hingegen: "Sie auszuschließen, ist das sprichwörtliche ,Ende mit Schrecken', sie in der Partei zu lassen, wäre im Zweifel vielleicht besser gewesen: Wer drinnen ist, den kann man leichter steuern."

4. Bediene dich deiner Feinde
Noch eines der "48 Gesetze der Macht", und zwar eines, das auf Pamela Rendi- Wagner passt. "Bei jeder Intrige geht es darum, einen Keil in die Gruppe hineinzutreiben", erklärt Jankowitsch. Das beste Mittel dagegen sei der demonstrative gemeinsame Auftritt mit den parteiinternen Kritikern. Die müssten allerdings zu Disziplin ermahnt werden: "Alle müssen sich daran halten, was man intern ausgemacht hat. Öffentliche Diskussionen bringen mehr Schaden als Nutzen." Am Ende, so meint Macht-Experte Schmitz, geht es dann natürlich darum, "sich selbst als denjenigen darzustellen, der am besten das Parteiinteresse vertreten kann." Norbert Hofer versucht, Kritiker wie Haimbuchner einzubinden, indem er sie mit der Parteireform beauftragt. Unerwünschter Nebeneffekt: Der wittert die Chance, sich zu profilieren.

5. Kultiviere die Aura der Unberechenbarkeit
Dieses Gesetz der Macht verfolgt in der FPÖ vor allem der Ex-Chef Heinz-Christian Strache: Ist er gerade weg oder schon wieder am Weg zurück? Jedes Facebook-Posting Straches befördert das Gerücht, er könnte zur Wien-Wahl antreten. "Jemand mit seinem Werdegang sagt nicht, ich bin aus der Politik draußen. Strache ist da wie ein Heroinsüchtiger, der sagt ja auch nicht, ich lutsch jetzt Pfefferminz-Bonbons. Außerdem wäre ihm doch höllenfad auf dem Sofa mit Philippa", meint Schmitz. "Mit der Annahme des Nationalratsmandats durch Philippa Strache war klar, dass Hofer auch nicht in der Lage ist, die Causa Strache zu lösen", ergänzt Gregor Schütze und verweist auf einen zweiten Unberechenbaren im FPÖ-internen Machtkampf: Herbert Kickl. "Hofer sagt, er hat im Fall einer Regierungsbeteiligung eine kreative Lösung für das Problem Kickl im Kopf, Stunden später erhebt dieser wieder Anspruch auf das Innenministerium. Dieser Machtkampf ist ungelöst." Allerdings, gibt Jankowitsch zu bedenken: Solange die beiden als Notgemeinschaft auftreten, bedienen sie beide Flügel der Partei. Aber wenn sie nicht zusammenhalten, bricht das Ding auseinander." Auch in der SPÖ gibt es sie, die berechenbar Unberechenbaren: etwa den Tiroler Landesparteichef Georg Dornauer. Aber als Konkurrent für Rendi-Wagner sieht er sich wohl höchstens selbst.

6. Wo Informationen fehlen, wachsen die Gerüchte
Ein Leitsatz des italienischen Schriftstellers und Politikers Alberto Moravia. "Das beste Mittel gegen Intrige ist volle Transparenz", sagt Management-Coach Jankowitsch. Das gilt für das Gehalt von Philippa Strache und für den Beratungsvertrag der SPÖ mit der Firma Leykam, deren Geschäftsführer, Max Lercher, gleichzeitig Parteirebell ist. "Je zurückhaltender man mit Informationen ist, desto eher kommt der Vorwurf, es wird schon etwas dran sein." Und diese Gerüchte sind umso schädlicher, wenn "in der Partei der kleinen Leute, also der FPÖ, sultanhafte Verhältnisse um den Ex-Chef herrschen. Da ist jede Glaubwürdigkeit dahin", sagt Schmitz.

7. Ansteckungsgefahr: Meide Unglückliche und Glücklose
"Sowohl Pamela Rendi-Wagner also auch Norbert Hofer fühlen sich wahrscheinlich ziemlich einsam", bestätigt Positionierungsberater Gregor Schütze dieses Greene'sche Gesetz. Ein guter PR-Zug wäre da, sich Fürsprecher von außen zu suchen, meint Jankowitsch, doch auch das setzt eigentlich gute Kontakte schon vor der Krise voraus. Die FPÖ tut sich mit Zuspruch von außen generell schwer. Und Rendi-Wagner? "Ich glaube, sie ist eine tragische Figur des Übergangs", sagt Schmitz. So hart das ist: Sie ist eine "Erfindung" des glücklosen Christian Kern -und damit eine Bestätigung dieser Regel?

8. Krise ist ein produktiver Zustand. Man muss ihm nur den Beigeschmack der Katastrophe nehmen
Das meint der Schriftsteller Max Frisch. Das Spiel für die Parteichefs sei noch nicht vorbei, sagt Jankowitsch, wenn sie die interne Kommunikation und Streitereien in den Griff bekommen. Denn: "Wie ich Konflikte austrage, zeigt, wie ich Politik insgesamt verstehe. Da werden die Wählerinnen und Wähler derzeit abgeschreckt." Schütze ergänzt: "Eine Position der Stärke ist nicht unmöglich. Entweder beide setzen einen Kraftakt, oder es ist bald vorbei." Denn beiden droht mit der Wahl in der Steiermark schon das nächste Ungemach.

Dieser Beitrag ist ursprünglich in der Printausgabe von News (Nr. 43/2019) erschienen!