Rendi-Wagner:
Nicht Christian Kern

Das Terrain ist heikel, auf das sich Pamela Rendi-Wagner begibt.

von Renate Kromp © Bild: Ian Ehm/News

Am Ende lag die Latte, die Christian Kern seiner Nachfolgerin gelegt hat, nicht mehr hoch. Er war fulminant gestartet. Hielt außergewöhnliche Reden. Hatte Kanzlerformat. Doch dann: dieses Amt für die SPÖ verloren, Chaos beim Abgang, am Ende Interviews, nach denen man sich fragte, ob sein Antreten bei der EU-Wahl überhaupt sicher sei. Es kann für die SPÖ fast nur besser werden.

Und dennoch ist das Terrain heikel, auf das sich Pamela Rendi-Wagner da begibt. Nicht nur, weil die vielen männlichen Diven in der Partei ihre Befindlichkeiten erst in den Griff bekommen mussten. Mit ihr und ihrem Bundesgeschäftsführer Thomas Drozda ist das System Kern auf den ersten Blick nämlich prolongiert. Beide waren personelle "Erfindungen" des im Abgang befindlichen SPÖ-Chefs -und nicht die schlechtesten.

Kern hat seine Wunschkandidatin geschickt durchgebracht. Und doch darf es nicht so wirken, als wäre sie seine "Erbin", will Rendi-Wagner alle Lager in der SPÖ hinter sich vereinen. Darum wohl auch das etwas spitz ausgefallene "Weil ich nicht Christian Kern bin", als sie im "ZiB 2"-Interview gefragt wurde, warum man ihr glauben solle, dass sie bis 2022 an der SPÖ-Spitze ausharre. Schließlich habe Kern das vor ein paar Wochen auch versprochen. Für ihn war ihr Sager vielleicht schmerzhaft, für sie war die Abgrenzung notwendig. Fast könnte man das mit der Abkehr Angela Merkels von ihrem Mentor Helmut Kohl vergleichen, wäre das nicht ein völlig anderes Format. Nichts wäre für Rendi-Wagner schädlicher als der Eindruck, der Ex-Chef dürfe vor dem Einchecken in den "Pyjama-Flieger" nach Brüssel noch schnell ein paar gute Ratschläge geben.

Also nicht Christian Kern sein. Keine messianischen Reden halten, in denen es um die "Selbstvergessenheit und Machtversessenheit" der politischen Kaste geht -so sehr das die intellektuelle Anhängerschaft der SPÖ damals gefreut haben mag. Sondern lieber einfache Botschaften der Gemeinsamkeit abliefern. Das ist der Balsam für die rote Funktionärsseele.

Nicht Christian Kern sein, wenn es darum geht, wichtige Positionen mit Menschen zu besetzen, denen sie vertraut und die strikt loyal zur ihr und zur SPÖ sind. Denn das hat er versäumt. Nicht wie er versuchen, als Manager die Richtung vorzugeben, der alle folgen müssen. Sondern den Dialog bis in den hintersten Winkel der Sozialdemokratie zu suchen -und dann trotzdem die Richtung vorgeben. Und bei dieser dann auch bleiben.

Ist das alles auf Schiene, wird eine andere Frage spannend. Wie werden sich die Männer an der türkis-blauen Regierungsspitze in ihrem Diskussionsstil auf eine kompetente und rhetorisch bewanderte Frau einstellen? Schließlich ist sie nicht Christian Kern.

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