Weltrekord für den Minister

Die Neubesetzung im KHM ist Thomas Drozdas vierte Personalentscheidung in 16 Monaten Amtszeit

von Heinz Sichrovsky © Bild: NEWS

Gegen die Bestellung des deutschen Kunsthistorikers Eike Schmidt zum Direktor des Kunsthistorischen Museums (KHM) spricht nicht viel. Eines allenfalls: dass auch nicht viel für sie spricht. Schmidt kann auf einjährige Führungspraxis bei den Uffizien in Florenz verweisen, nachdem er schon zuvor hurtig zwischen Positionen der Reihen 1 b und 1 c unterwegs war. Er hat in Florenz die Bestände teilweise neu gehängt, Gegenwartskunst ins Ausstellungsgeschehen eingebracht, renovierungsbedürftiges Mauerwerk instand setzen und - die herausstechendste Leistung - die bis dahin fehlende Homepage installieren lassen. Nichts davon wurde seitens der amtierenden Direktorin des KHM, Sabine Haag, vernachlässigt: Der Internetauftritt ist präsentabel, das Gemäuer stabil, die Hängung in Ordnung. Und die Bemühungen, die man Lucian Freud, Vivienne Westwood oder Jonathan Meese angedeihen ließ, konnten sich mit Schmidts verdienstvoller Lassnig-Retrospektive durchaus vergleichen. Was er also besser machen könnte als seine Vorgängerin, will sich nicht recht erschließen. Zumal man Symposien darüber einberufen könnte, ob eine Institution wie die Uffi zien oder das KHM großer Visionen bedarf (oder sie auch nur verträgt): Bei allen schätzenswerten Begleitaktivitäten geht es doch in erster Linie darum, singuläre Bestände zu verwalten, zu pflegen und bestmöglich zu präsentieren.

Unstrittig geglückt ist dem Minister hingegen der offenbar angestrebte Weltrekordversuch: In 16 Monaten Amtszeit hat er vier zentrale Kulturpositionen neu besetzt.

Zunächst wurde im Belvedere Agnes Husslein überstürzt durch die Linzer Museumsdirektorin Stella Rollig ersetzt. Eine vom vormals grünen (heute auf der Liste Pilz bangenden) Kultursprecher befeuerte Hausintrige reichte: Husslein, die Millionen an Sponsorleistungen beigebracht hatte, büßte ihr Amt ein, bevor die angeblichen "Compliance"-Vergehen auch nur in die Nähe einer gerichtlichen Klärung gelangt waren (wovon bis zur Stunde auch nichts zu hören ist). Husslein steht jetzt in Diensten des privaten Leopold Museums.

Ans Burgtheater berief Drozda den namhaften Kärntner Regisseur Martin Kušej, derzeit Intendant des Münchner Residenztheaters. Aufgrund der Eile, die sich der Minister für die Bekanntgabe verordnet hatte, war er dem Kandidaten quasi ausgeliefert und der Preis womöglich hoch: Weil mit Kušej offenbar keine vertiefenden Vereinbarungen getroffen wurden, ist das Ensemble von einer Kündigungswelle betroffen. Kušej (von dem künstlerisch viel zu erwarten ist) hatte das Vorgehen schon beim Amtsantritt in München nachhaltig erprobt. Man kann nur fordern, dass sich prominente Animositäten aus dieser Zeit nicht auf die Substanz des Hauses schlagen.

Drozdas umstrittenste Personalentscheidung war auch seine stärkste: Der Österreicher Bogdan Roščić soll ab 2020 die Staatsoper leiten. Roščić steht seit 14 Jahren an der Spitze der klassischen Tonträgerindustrie (DG, Decca, derzeit Sony). In Antithese zum trägen, ästhetisch verwechselbaren und auf das immer gleiche Szenische fixierten Intendantenkarussell kommt er also aus der Musik. Deshalb betraf seine erste, exquisite Personalentscheidung auch den Musikdirektor Philippe Jordan.

Sofern das Projekt nicht in der vorsorglich angeworfenen Intrigenmaschine verendet, darf Drozda also 2020 auf (mindestens) eine geglückte Personalie blicken. Von wo und als was auch immer.