Was wird aus dem Burgtheater?

Mitte Dezember soll bekanntgegeben werden, ob Martin Kusej nach 2024 im Amt bleibt. Besser als eine unqualifizierte Nachfolgerin ist er jedenfalls. Aber dass es keine qualifizierten gibt, stimmt nicht

von Heinz Sichrovsky © Bild: NEWS

Dass um diese stürmisch forteilende Zeit tatsächlich noch nichts entschieden wäre, will man kaum glauben. Es scheint aber tatsächlich so zu sein, dass die Entscheidung über den Amtsverbleib des Burgtheaterdirektors Martin Kusej nach 2024 zwar Mitte Dezember bekanntgegeben werden soll, aber noch nicht gefallen ist. Auf die gesetzlich verordnete Ausschreibung haben sich 15 Personen beworben. Eine Findungskommission wurde eingeschaltet, in der, wenn meine Informationen nicht trügen, endlich auch die Belegschaft etwas zu reden hat. Das ist keine schlechte Idee, weil in der Ausschreibung zwischenmenschliche Minimalausstattung verlangt wird. Über deren aktuelle Obwaltung weiß der namhafte Kommissär womöglich Erhellendes zu berichten.

Die zusätzlich beigezogene Personalberatung verspricht zumindest gute Unterhaltung: Wenn schon sonst nichts, so sind die Pointen, die von diesen trollhaft kunstfernen Sonderlingen im Lauf der Jahre ausgeworfen wurden, das viele Geld wert. Erinnern Sie sich noch, wie der damals finanziell bedrängten "Josefstadt" nahegelegt wurde, den Spielplan auf populär besetzte Zweipersonenschwänke im Einheitsbühnenbild umzustellen?

Diese spezielle Form des Krisenmanagements zeichnet sich jetzt nicht ab, denn dem Burgtheater geht es finanziell gut: Man hat sich während der endlosen Schließung fast aller öffentlich wahrnehmbaren Aktivitäten enthalten und über die Kurzarbeit die uferlosen Personalkosten in sprudelnde Einnahmequellen umgewidmet.

Dass dieses Verfahren weder vom Publikum noch von Staatssekretärin Mayer akklamiert wird, hat sich herumgesprochen und ist auf den digital verfügbaren Saalplänen zu studieren. Aber trotzdem ist nach wie vor ungewiss, ob Kusej eine zweite Amtsperiode von fünf Jahren zugestanden wird. Ende November treten die verbliebenen Bewerber - unter ihnen der Direktor - bei der Kommission an. Und Mitte Dezember sollen wir die Resultate der vielköpfigen Anstrengungen kennen.

Woher das lange Zögern, in welche Richtung auch immer? Kusej hat Befürworter, wobei die künstlerischen Gründe für seinen Verbleib zusehends verhaltener vorgebracht werden. Statt ihrer ist zu hören, man finde einfach niemanden Geeigneten. Und: Sollte Kusej abtreten, müsse es "eine Frau" werden. Für mich ist dieses Qualifikationskriterium eines der diskriminierendsten überhaupt, nicht zuletzt für die Begünstigte. Es klingt derart pauschal und herablassend, ja verächtlich, als erklärte einer, er wolle sich einen Schäferhund zulegen.

Muss es nun tatsächlich "eine Frau" werden, so wird es in der Tat eng. Dem höchstqualifizierten, in Wien quasi heimischen Andreas Beck, der nicht abgeneigt gewesen wäre, wurde frühzeitig Desinteresse signalisiert, so dass er seinen Vertrag mit dem Münchner Residenztheater verlängert hat. Auf Thomas Ostermeier von der Berliner Schaubühne ist man böse. Sven-Eric Bechtolf, Stefan Bachmann? Herbert Föttinger oder Matthias Hartmann, dem nach der juristischen auch künstlerische Satisfaktion zustünde? Die beiden verstehen mehr vom Wiener Theater als der Rest der Bühnenwelt zusammen, logieren aber außerhalb jeder Debatte. Weshalb? Weil es wahr ist.

"Eine Frau" also. Solle die idealformatige Schweizerin Barbara Frey überraschend doch noch überredbar sein, müssten Schwaden weißen Rauchs zum Himmel steigen. Die Schauspielchefin der Salzburger Festspiele, Bettina Hering, galt als favorisiert, dürfte sich aber im verflossenen Sommer aus dem Bewerb programmiert haben. Das Amt in Salzburg hat sie via St. Pölten erreicht. Dort regiert jetzt Marie Rötzer mit Fortüne und auf internationalem Niveau. Dass man angeblich zögert, ihr die "Burg" zuzutrauen, ist schon arg arrogant (eher noch würde man bei den Kolleginnen in Innsbruck und Bregenz überlegen).

Das Gefährliche an der Situation ist, dass es im deutschen Sprachraum vor Intendantinnen wimmelt. Karin Beier in Hamburg und Barbara Mundel an den Münchner Kammerspielen sind die bekannten, aber das suchende Auge verliert sich im digitalen Provinz-Universum zwischen Wiesbaden, Stade, Fürth, Stendal, Dortmund, Potsdam, Bamberg und Memmingen. Ihnen allen ist gemeinsam, dass sie mit Wien, seiner Tradition, seiner Tonalität, seinem Publikum nichts verbindet. So sind schon die Intendanten des Volkstheaters und der Festwochen ins Verhängnis gestolpert, und der Herr bewahre uns vor der Repetition des Malheurs in gegenderter Fassung. Dann noch lieber ein paar Jahre Kusej mehr. Doch, jemanden gibt es: Rita Thiele, die als Dramaturgin bei Peymann gelernt, in der großen Theaterwelt reüssiert, mit Elfriede Jelinek gearbeitet und (leider!) das Volkstheater abgelehnt hat. Die kann etwas!

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