Was Frau Blimlinger gesagt hat, interessiert mich nicht

Aber die Taten der grünen Kultur-, Wissenschafts-und Mediensprecherin! Die rufen zum Himmel sowie nach schneller Abhilfe. Mit einem Exkurs zum schönen, weltliterarisch beglaubigten Wort "Flüchtling"

von Heinz Sichrovsky © Bild: NEWS

Wie Ihnen eventuell nicht entgangen ist, pflege ich ein libidinöses Verhältnis mit sanktionierter Sprache. Insgesamt frage ich mich schon seit einiger Zeit, wie lang man die Sprachvandalen noch gewähren lässt. Nehmen Sie das schöne Wort "Flüchtling", beladen über Generationen mit Verzweiflung und Hoffnung oft persönlichster Art. Goethe hat im Versepos "Hermann und Dorothea" am Beispiel der Salzburger Protestantenverfolgung das Gültigste zu den Flüchtlingsströmen aller Zeiten geschrieben: dass man unter Bedrohung an Leib und Leben Anrecht auf Schutz und Existenzsicherung hat. Dass es aber nicht gefehlt sein kann, nach dem Ende der Gefahr zu Hause Wiederaufbau zu leisten: Und der Geistliche zog ein Goldstück (das Silber des Beutels/ War vor einigen Stunden von ihm schon milde verspendet,/ Als er die Flüchtlinge sah in traurigen Haufen vorbeiziehn),/ Und er reicht' es dem Schulzen und sagte: "Teilet den Pfennig/ Unter die Dürftigen aus, und Gott vermehre die Gabe!"/ Doch es weigerte sich der Mann und sagte: "Wir haben/ Manchen Taler gerettet und manche Kleider und Sachen,/ Und ich hoffe, wir kehren zurück, noch eh es verzehrt ist."

Oder Brecht in den "Flüchtlingsgesprächen", großartig: Die schärfsten Dialektiker sind die Flüchtlinge. Sie sind Flüchtlinge infolge von Veränderungen und sie studieren nichts als Veränderungen. Aus den kleinsten Anzeichen schließen sie auf die größten Vorkommnisse, das heißt, wenn sie Verstand haben.

Dieses große, in der Weltliteratur beglaubigte Wort ist heute nicht mehr comme il faut. Warum? Grenzalphabeten, die sich infolge Versagens an der Muttersprache in einem Soziologenkauderwelsch aus gebrochenem Englisch und Küchenlatein übergeben, fanden eines Tages, das Suffi x "-ling" klinge irgendwie komisch. Deshalb müssen sich die Flüchtlinge auf Geheiß von Leuten, die weder zur Bewertung von Literatur noch zum Gebrauch der Grammatik befugt sind, plötzlich mit dem Blähpartizip "Geflüchtete" verspotten lassen.

Und jetzt wird es erst kurios: Das Lamento, das Sie soeben erdulden mussten, ist bloß das Präludium zum Eigentlichen. Ich wollte nämlich zu verstehen geben, dass es mir weitgehend gleichgültig ist, was die grüne Kultur-, Wissenschafts- und Mediensprecherin Eva Blimlinger GESAGT hat. Dass die Welt durch unerschrockenes Regierungswalten von der gedruckten "Wiener Zeitung" befreit worden sei wie seinerzeit Wien durch die Rote Armee von den Nazis: Das ist derart mitleiderregend niederträchtig und dumm, dass es sich selbst erledigt.

Mich interessiert mehr, was Frau Bimlinger GETAN hat: Mit dem Sendungsbewusstsein einer Abrissbirne, gegen die Stimmen der Opposition und der Intellektuellen des Landes, hat sie dem Koalitionspartner bei der Exekution einer hervorragenden Zeitung Komplizenschaft geleistet. Schon zu Pandemiebeginn hat Frau Blimlinger wissen lassen, der Welt käme nichts abhanden, wenn das eine oder andere Theater zusperren müsste. Und schon Ende Dezember 2020 hat sie in Amt und Würden mindestens einer Generation junger Wissenschafter die Zukunft guillotiniert: Mit dem Bemerken, die sozial zweifelhaften Kettenverträge an Universitäten unterbinden zu wollen, hat die Regierung befristete Arbeitsverhältnisse mit der Flex auf acht Jahre begrenzt. Länger darf man, so fähig kann man gar nicht sein, in dieser Beschäftigungsform nicht an ein und derselben Uni tätig sein. In allen genannten Fällen muss eine ungeheure Freude am Quälen interessanter, qualifizierter, in ihrem Tun aufgehender Menschen obwalten. Tatsächlich lässt sich das Gefühl nicht mit Geld bezahlen: wie ein (sagen wir) junger Mathematiker, der sich (hat ihn jemand gezwungen?) auch noch eine Familie anschaffen musste, sein Kind in Wien aus der Schule nimmt, weil er, wenn überhaupt, in Mainz oder Heidelberg genommen wurde. Was mich indes womöglich am brennendsten interessiert: wer Frau Blimlinger die Gelegenheit zur Tatbegehung eingeräumt hat. Ihrem Curriculum entnehme ich, dass sie, nachdem sie sich elf Jahre lang für das Mittelschullehrfach Deutsch-Geschichte qualifiziert hatte, Rektorin der Akademie der Bildenden Künste in Wien wurde! Als "Präsidentin der österreichischen Universitätenkonferenz" saß sie dabei u. a. der Molekularbiologin Sonja Hammerschmid, der Werkstofftechnikerin Sabine Seidler und der Neuropsychologin Christa Neuper vor.

Als sie, angeblich infolge verhaltenskreativen Amtsverständnisses, abgewählt wurde, beschloss sie, Politikerin zu werden, bei den Grünen wie zuvor schon ihr Bruder. Da sitzt sie nun, wäre fast Kulturstaatssekretärin geworden und hätte ihren Verdiensten das womöglich größte hinzugefügt: dass man sich nach der rechtens aus dem Amt gejagten Kollegin Lunacek verzehrt hätte.

Was meinen Sie? Schreiben Sie mir bitte: sichrovsky.heinz@news.at