Vorhang auf, und zwar in aller Pracht!

76.500 Besucher haben die Salzburger Festspiele gesund hinter sich gebracht. Hoffentlich gefährdet die Ampel nicht irgendwann die gerade anlaufende Saison. Die Gefährder feiern anderswo

von Heinz Sichrovsky © Bild: NEWS

Vor einer Woche war ich noch sicher, den Salzburger Festspielen -beziehungsweise denen, die sie durchgesetzt, durchgeführt und mit ihren künstlerischen Leistungen durchblutet haben - für dieses Jahr adieu sagen zu können. Dass ich noch einmal auf sie zurückkommen muss, könnte vorausblickend nützlich sein. Wenn nämlich demnächst (ein beunruhigender Gedanke) die Anschober-Behörde den Finger am roten, orangen, gelben und grünen Knopf hat, kann das auch für die Bühnen des Landes Folgen nach sich ziehen. Gottlob wartet man fürs Erste ab, aber dass etwa die Volksoper am Morgen ihrer Wiedereröffnung noch nicht wusste, ob sie spielen darf, lässt den Kenner doch wachsam werden.

Denn die Infektionszahlen steigen. Und die Lockerungsverordnung datiert vom epidemiologisch hoffnungsfroheren Sommerbeginn. Die großen Bühnen haben seither mit enormem Aufwand plausible Sicherheitskonzepte erarbeiten lassen, die es z. B. der Staatsoper ermöglichen, bis zu zwei Drittel ihrer Sitzplatzkapazität zu nützen. Dort eröffnet die neue Direktion am 7. September mit einem Prachtprogramm. Vier Tage vorher ampelt es erstmals. Und was das vertrackte Instrument in weiterer Folge speziell für Wien ausheckt, hängt womöglich auch von den Ratschlüssen diverser Spindoktoren im sich verschärfenden Wahlkampf ab.

In dieser Situation blicken wir nach Salzburg. Im pandemisch heiklen August wurden dort 110 Veranstaltungen ins Ziel gebracht. Die Philharmoniker haben für "Elektra" Maximalstärke aufgeboten, und zwischen die Liebespaare in "Così fan tutte" ging nicht einmal ein Spielzeugelefant. Die 76.500 Besucher aus 39 Nationen saßen locker wie nie, aber auch nicht mit Gasmasken unter Einmannseuchenzelten. Und nichts ist passiert, ausgenommen die Infektion einer Bürokraft einen Monat vor Festspielbeginn.

In diesem Zusammenhang beeindruckt auch eine Studie der Institute für Sozialmedizin, Epidemiologie, Hygiene und Umweltmedizin der Berliner Charité, die sich nicht als Sympathisantin von Corona-Hallodris profiliert hat: Empfohlen wird die Wiedereinführung der Vollbestuhlung in Theatern und klassischen Konzertsälen, weil das Infektionsrisiko dort minimal sei. Klar, wenn ein diszipliniertes Publikum schweigend in eine Richtung blickt. Die Charité-Abteilungen empfehlen allerdings Maskenschutz im Zuschauerraum auch während der Vorstellung. Das kann beschwerlich werden, aber was sind fünfeinhalb Stunden "Götterdämmerung" mit Maske gegen gar keine "Götterdämmerung"? Sollte also ein behördlich bestellter Ampelwart demnächst Selbstverwirklichungsbedarf spüren, soll er es, bitte, bei diesem Segment belassen.

Kandidaten für beherzte Durchgriffe gibt es nämlich genug: den Nazi-,Autonomen-und Bobo-Mob, den niemand an seinen kriminellen Demonstrationen hindert. Oder "Szenegastronom Martin Ho", der es in der Pratersauna bis vier Uhr krachen lässt. Alles privat, und damit so legal wie die Coronapartys, für die junge Taugenichtse die von ihren Eltern erarbeiteten Villen missbrauchen.

Und noch etwas ist zu bedenken: Wenn es die Bühnen trifft, trifft es verheerend auch die Wirtschaft. Die Salzburger Stadthotellerie hat sich mit Festspielbeginn auf immerhin 40 bis 50 Prozent Auslastung erholt. In Wien hingegen, wo nichts war, meldet das "Sacher" Ausfälle im Umfang von 90 Prozent. Umso entschiedener sind also andere Ausfälle zurückzuweisen, vor allem der des sonst hoch geschätzten Albertina-Direktors, der Theater schließen will. Es bleibt ihm unverwehrt, sein Haus zuzusperren und sein Personal in Kurzarbeit zu schicken. Nicht, hingegen, wie angedroht, Kündigungen auszusprechen. Zur Zwischenfinanzierung kann er ja wie Franz Welser-Möst in Cleveland auf sein eigenes Gehalt verzichten.

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