Von Einem, den
wir vermisst haben

von Heinz Sichrovsky © Bild: NEWS

In diesen Tagen gibt es für Kulturmenschen einmal etwas zu feiern: den 100. Geburtstag des österreichischen Komponisten Gottfried von Einem, der den Beweis erbrachte, dass man nach Puccini, Richard Strauss und Alban Berg noch mitreißende, ein großes Publikum bewegende Opern schreiben konnte. Sein Schaffensprinzip hatte schon Verdi standardisiert: große Stoffe der Weltliteratur in Musikdramen zu verwandeln, ohne die gerade herrschenden Stildiktate zu beachten. Zur Feier des Geburtstags kooperieren nun sogar Staatsoper und Theater an der Wien beim Kartenvertrieb: Am Ring zeigt man im März Einems frühe Büchner-Oper "Dantons Tod", an der Wienzeile das Geniewerk "Der Besuch der alten Dame" nach Dürrenmatt. Die Intendanz der Salzburger Festspiele geht noch einen Schritt weiter: Man hat Einem ungerecht bezichtigt, die namhaften Vorlagen nach Art heutiger Musical-Konfektionäre bloß wirksam zu untermalen. In Salzburg aber wagt man sich konzertant an die vielschichtige Partitur von Einems Kafka-Oper "Der Prozess": Hier könnte sich eine Wiederentdeckung anbahnen. Salzburg hat an dem 1996 Verstorbenen übrigens etwas gutzumachen: Einem hätte nach dem Krieg mit Bert Brecht die Festspielintendanz übernehmen sollen, das wurde in einem konservativen Gewaltakt verhindert. Dafür kam Karajan, woraus man ersieht, dass Gutes selbst aus Bösem erstehen kann.

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