Das Theater soll gewinnen

Nächste Woche wird entschieden: Für die "Burg"-Direktion wird noch mit drei Kandidaten verhandelt

von Heinz Sichrovsky © Bild: NEWS

Das sprichwörtliche "tote Eck" ist für unsereinen ein betont unbeliebter Aufenthaltsort. Just von dort aber grüße ich diesmal die geschätzte Leserschaft: Anfang nächster Woche gibt Kunstminister Drozda den Namen des ab September 2019 amtierenden Burgtheaterdirektors bekannt. Bei Redaktionsschluss wurde noch mit offenem Ergebnis endverhandelt. Die Eckdaten der Entscheidung allerdings standen schon im April fest. Damals konnte ich melden, was sich - News berichtete kürzlich - seither konkretisiert hat: Die Entscheidung fällt zwischen dem Kärntner Martin Kušej, 56, sowie den Deutschen Thomas Ostermeier, 48, und Andreas Beck, 52.

Trifft es Martin Kušej, so gelangt ein bedeutender Regisseur, ein zusehends trittsicherer Intendant und ein komplizierter Mensch auf den Marterstuhl. Der amtierende Direktor des Münchner Residenztheaters wird von keinem Überschuss an Diplomatie behelligt, seine Konflikte mit der Politik bürgten stets für Amüsement. Als Direktor des identitätsstiftenden österreichischen Nationaltheaters könnte er in schwarz-blauer Zeit interessante Figur machen.

Auch Thomas Ostermeier, Intendant und Gesellschafter der Berliner Schaubühne, ist ein Regisseur von Rang. Da er quasi sein eigener Dienstgeber ist, kann er sein Theater auch organisatorisch nach den Gesichtspunkten des Menschenverstandes leiten, und in der Tat: Die Schaubühne steht inmitten der sturmbewegten Berliner Theaterlandschaft so fest, so künstlerisch erfolgreich und so finanziell stabil, wie es andere gern hätten. Andreas Beck schließlich, der schon am Wiener Schauspielhaus erfolgreich war, leitet das Dreispartentheater in Basel. Er ist von den dreien der Avantgarde am nächsten.

Wie die anderen beiden aber -und das ist das Entscheidende - weiß er, was er dem Medium Theater schuldig ist: nämlich leidenschaftlichen und seriösen Umgang mit literarischen Texten und ihrer Umsetzung; immer wissend, dass das letzte Wort den Schauspielern gehört, nicht der Regie, nicht der Dramaturgie und schon gar nicht kunstfernen Auflösungskonzepten aus der professionellen und intellektuellen Pubertät.

Denn - und damit wechselt das Thema - das Medium Theater gerät in Gefahr. An der Berliner Volksbühne wurde über Jahrzehnte und Systeme hinweg Theatergeschichte geschrieben. Dann hat dort ein profilierungsneurotischer Kulturpolitiker den ehemaligen Museumsdirektor Chris Dercon als Nachfolger des großen Regisseurs Frank Castorf inthronisiert. Der Politiker ist schon wieder außer Betrieb, und sein Nachfolger deutete an, den fehlinstallierten Museumsmann lieber heute als morgen loswerden zu wollen. Das war allerdings nicht möglich, Dercon tritt sein Amt vertragsgemäß im kommenden Herbst an.

Der Wiener Kulturstadtrat Andreas Mailath-Pokorny ist ein erfahrener, sachkundiger und intellektuell verfeinerter Kulturpolitiker. Zuletzt aber ist auch ihm ein Dercon unterlaufen: Der seit Frühjahr 2017 amtierende Tomas Zierhofer-Kin hat die Wiener Festwochen einer Generaldeformation unterzogen. Oper, Theater und Konzert in ihrer klassischen Form wurden eliminiert oder mit Tourneeaufführungen in der Bedeutungslosigkeit versenkt, ein über Jahrzehnte aufgebautes Publikum ist vertrieben. Dafür wurde am Stadtrand Party gefeiert - vieles amateurhaft, willkürlich, unter Niveau. Selten haben so viele Kommentatoren die vorzeitige Auflösung eines Intendantenvertrags gefordert. Der Anregung schließe ich mich an.