Keine Provinz-Ernennung für Salzburg, bitte!

Helga Rabl-Stadler ist noch im Amt, aber leider nur noch bis 31.12. Dann müssen die Festspiele einen Präsidenten gefunden haben. Deprimierende Polit-Lösungen drohen. Aber es ginge auch anders.

von Heinz Sichrovsky © Bild: NEWS

Die Präsidentschaft der Salzburger Festspiele war, eine Überraschung, zu Redaktionsschluss noch gar nicht ausgeschrieben. Obwohl Helga Rabl-Stadler nur noch bis 31. Dezember amtiert und ihr Schuhwerk die Ausmaße des Grand Canyon hat. Ein Navigationsgerät könnte eventuell zu wenig sein, wenn sich eine parteipolitisch bestellte Grüßauguste dort zu orientieren versuchte. Deren Installierung ist keineswegs auszuschließen, und dass es "eine Frau" sein muss, zerstreut die Skepsis naturgemäß nicht einmal in Ansätzen. Denn mit sexistischen Direktiven erzwingt man weder Gerechtigkeit noch Qualifikation, sondern das Gegenteil.

Mittlerweile werden außer politischen Mittelbis Minimalformaten allerdings auch interessante Personen ins Gespräch befördert, zuletzt die Mezzosopranistin Angelika Kirchschlager. Die wäre als geborene Salzburgerin und Inhaberin einer Weltkarriere schon richtig, freilich mit dem zarten Vorbehalt, dass niemand bei ihr anbzw. rückgefragt hat. Minder zart ist ihr Bescheid am Telefon: "Ich denke nicht im Traum daran, unter keinen wie immer gearteten Umständen, weder jetzt noch künftig." Das nimmt sich nicht übertrieben umschweifig aus. Lassen Sie mich daher meinerseits Namen in die Debatte einbringen, ohne deshalb zu behaupten, dass eine der Genannten angefragt oder auch nur ins Auge gefasst worden wäre. Aber am Ende ist es noch nicht zu spät für einen beherzten Blick über den Rand der Suppenterrine beim Krimpelstetter?

Eine Frau soll es (und wird es wohl auch) sein, mit dem Herzen einer Liebenden und dem Kopf einer professionellen, überregional denkenden Managerin. Sie muss nicht -die einzige Qualifikation bestimmter politischer Kandidatinnen - gebürtige Salzburgerin sein, aber willens, dort den Hauptwohnsitz zu nehmen. So umriss Helga Rabl-Stadler das Anforderungsprofil. Da fielen mir, die Bereitschaft zur Übersiedelung vorausgesetzt, zwei Kandidatinnen ein, die internationales Format verkörpern und doch nicht der Retorte eines Personalberatungsbüros entwichen sind.

Danielle Spera, deren Amtsverbleib unter anderem Helga Rabl-Stadler gefordert hatte, wurde soeben ohne Anwandlung einer Begründung vor die Tür des Jüdischen Museums in Wien gesetzt. Sie hat dem Haus während der vergangenen elf Jahre Prämiierung bis zur "New York Times" verschafft, die Besucherzahl verdoppelt und -bei unerhöhtem Zuschuss der öffentlichen Hand - die Erlöse aus Spenden und Sponsoring versiebenfacht.

Kathrin Zechner wiederum, scheidende Programmdirektorin des ORF, zählt zu den wenigen ausgewiesenen Kulturmenschen, derer ich in unserer Branche zuletzt ansichtig wurde (das gilt übrigens auch für Alexander Wrabetz, der freilich als Opfer sexistischer Diskriminierung nicht infrage kommen dürfte). Sie hat die kaum bekannte Birgit Minichmayr von einem Liederabend am Burgtheater weg in die Fernsehprominenz befördert und Ursula Strauss, Fritz Karl, Sophie und Marie-Luise Stockinger nach hoch oben geholt. Nicht zu reden von den "Tatorten" und Landkrimis, in denen sich die Elite österreichischer Schauspielkunst zu einem Ensemble sondergleichen formiert. Sie hat den öffentlich-rechtlichen Kultursommer auch jenseits von Salzburg und Bregenz in Betrieb gesetzt und von "MA 2412" bis "Universum History", von den "Vorstadtweibern" bis "Altes Geld" einen Kosmos der Unverwechselbarkeit gespannt. Das sollte genügen, um sich gegen Provinzpolitikerinnen zu behaupten.

Mein Postskriptum ist friedlich und geht hoffentlich auch Ihnen ans Herz: Der Urania-Kasperl ist aus dem pandemischen Tiefschlaf erwacht und ab 9. Oktober wieder der Alte, obwohl ihm ein Stück Seele erloschen ist. Manfred Müller, der weder den Tod noch die Hexe gescheut und meine Töchter mit Pfiffigkeit und Herzenswärme beim Heranwachsen begleitet hat, ist gestorben. Aber Alexandra Filla ist jetzt Direktorin und trägt Pezis resoluten Zuversichtston in die nächste Generation. Und die übernächste und die überübernächste, wenn das Schicksal noch bei Verstand ist.