Salut und Ovation
für Karin Bergmann

Im September tritt Martin Kušej mit vielen Übernahmen an der "Burg" an. Seiner Vorgängerin Karin Bergmann kann für das in schwerer Zeit Geleistete nicht genug gedankt werden

von Heinz Sichrovsky © Bild: NEWS

So hat schon seinerzeit Claus Peymann dem Burgtheater über Nacht ein neues Gesicht gegeben: Martin Kušej will im September mit bis zu fünf Übernahmen vom Münchner Residenztheater antreten. Dabei kehrt definitiv seine alte Wiener Inszenierung von Schönherrs "Weibsteufel" an ihren Geburtsort heim. Als Importgut aus München stehen zudem der finstere "Faust" und der launige "Nackte Wahnsinn" fest, beide gleichfalls in der Interpretation des Hauseigners. Womit der Zuzug der Schauspielstars Bibiana Beglau, Werner Wölbern, Norman Hacker und (Kušej auch familiär verbunden) Sophie von Kessel sicher sein sollte. Die erste, noch in Disposition befindliche Premiere der Direktion Kušej wäre erkennbar programmatischer Natur: Lessings "Nathan der Weise" thematisiert das zum Zerreißen gespannte Verhältnis zwischen den Religionen. Diesfalls zwischen einem akzeptablen muslimischen Herrscher und der christlichen Mörderbande, mit der er sich nach dem Dritten Kreuzzug im labilen Gleichgewicht der Kräfte arrangiert hat. Zwischen ihnen, machtlos und von beiden zur Ermordung, im Glücksfall nur zur Enteignung bestimmt: ein Jude, dem die Kreuzfahrer während eines Pogroms die Familie abgeschlachtet haben. Dass Ulrich Rasche (Jahrgang 1969) inszeniert, lässt auf Wahrheitsfindung hoffen. Denn kein gottergebenes Vatterl ruft in Lessings Bekenntniswerk zum Vergeben und Vergessen auf. Vielmehr werden in einem Kampfstück Kriegsverbrechen apokalyptischen Ausmaßes benannt. Rasche, acht Jahre jünger als sein Förderer Kušej, ist ein finsterer Apokalyptiker mit Faible für Riesenformate, in dessen Hand ein Pogrom als solches kenntlich werden sollte. Er steht stilistisch zwischen Einar Schleef und dem, was Kušej war, ehe er künstlerisch leiser wurde. In welchem Stil Kušej die 20 gekündigten Wiener Ensemblemitglieder vom Verlust ihrer Existenz informiert hat, ist im Interview mit Fabian Krüger ab Seite 80 nachzulesen. Von Protestmaßnahmen wurde nichts bekannt. Es ist eben ein Unterschied, ob man sich mit dem designierten Direktor anlegt oder seinem Vorvorgänger Matthias Hartmann vier Jahre nach seiner Entlassung mithilfe eines offenen Briefs nachspuckt. Womit der Abschied der Direktorin Karin Bergmann nahe rückt. Als Hartmann im Frühjahr 2014 - laut Gerichtserkenntnis ungerechtfertigt - entlassen wurde, war die "Burg" unanbringlich. Nach dem Finanzskandal kamen die Absagen (auch von Kušej) in Serie.

Reifere Mitbürger kennen die darob einspringende Karin Bergmann noch als Claus Peymanns Pressesprecherin - eine eisige, kompetente Schönheit, unzerzaust inmitten der vom Dienstgeber entfesselten Medienorkane. Sie war später Vizedirektorin und ging, als Hartmann kam, bald in Pension. Als sie aus derselben zurückkehrte, war die Not selbst für hämische Bemerkungen zu groß. Dass sie "die erste Frau an der Spitze des Hauses" war, ist unerheblich, ja eine diskriminierende Einschränkung ihrer Verdienste. Tendenziell hat sie die erfolgreiche Strategie ihres Vorgängers fortgeführt: sich lieber vom Feuilleton berümpfen zu lassen, als das Haus nach Zeitgeistdiktat leerzuspielen. Dennoch war die "Burg" anno Bergmann kein konservatives Haus. Aber ein konsolidiertes, wie das wieder erwachte Interesse an der Ausschreibung bewies. Eine Ära, so ließ sie kürzlich wissen, könne sie sich nicht zubilligen. Das stelle ich in Abrede, denn sie hat die Anforderungen des österreichischen Nationaltheaters beispielhaft erfüllt. Die "Burg" war zuletzt nicht nur das Haus für Peter Handke und Elfriede Jelinek, was selbstverständlich sein muss, sondern auch für Ferdinand Schmalz, Ewald Palmetshofer, Josef Winkler, Werner Schwab und - endlich! - Wolfgang Bauer. Ich wünsche ihr von Herzen, dass sie die Früchte ihrer Ära (jawohl) bei bestem Befinden genießen kann.

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