Philip Roth,
Dichter und Symbol

von Heinz Sichrovsky © Bild: NEWS

Die Nachricht vom Tod des amerikanischen Schriftstellers Philip Roth verpflichtet den Nachrufenden auch zu außerliterarischen Erwägungen. Klar, in erster Linie war er ein großer Erzähler. Aber er war auch ein Symbol, in erster Linie für alle, die den Nobelpreis verdient und nicht bekommen haben. Unverschuldet war er da zwischen die Denkschulen geraten: Die Schwedische Akademie wollte sich gegen den amerikanischen Unterhaltungsmainstream positionieren, indem sie Roth desto triumphierender ignorierte, je empörter seine Berücksichtigung eingefordert wurde. Das war in diesem Fall ungerecht, denn Roth war ein großer, auch gesellschaftspolitisch relevanter Schriftsteller. Prinzipiell aber hatten die Schweden (in all ihrer Mediokrität und Urteilsinsuffi zienz) nicht unrecht. Das wurde einem angesichts der Argumentation der Gegenfraktion bewusst: Bei Bekanntgabe der Preisträgerin Elfriede Jelinek nahmen Reaktionäre und Feuilleton-Yuppies für ihre Protestkundgebungen konsensual den wieder übergangenen Roth in Geiselhaft. Seine polierte, sarkastische, hoch lesbare Eleganz wurde dabei beschämend gegen Jelineks kompromiss- und marktverweigernde Radikalität ausgespielt. Roths weltliterarische Relevanz nahm über all dem nie Schaden. Er leuchtet in der literarischen Tradition des integrierten Judentums, deren sich Deutschland und Österreich in ihrer finstersten Stunde entledigt haben.

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