Was Philharmoniker beim WC-Gang beachten müssen

Neues von den Bundestheatern. Finanziell sind sie gut durch die Pandemie gekommen, Faule sogar fulminant. Und ein Fragebogen, den jeder Bedienstete ausfüllen muss, erreicht satirische Exzellenz

von Heinz Sichrovsky © Bild: NEWS

Dass die Bundestheater von der Holding (und zuletzt auch vom Staatssekretariat) mit sicherer, gelassener Hand durch die Pandemie pilotiert wurden, obwohl die Luftlöcher in Politikergestalt bedrohliche Dichte erreicht hatten: Darüber sind Sie und ich uns vermutlich einig. Gewiss: Die sinn- und bildungsfernen Theaterschließungen, während Massen durch die Baumärkte trampelten, werden nicht so bald vergessen sein. Aber sie betrafen alle, und die Republik hat auf ihre Kronjuwelen geschaut, so dass die Bundestheater soeben mit einem Plus von elf Millionen abschließen konnten. Das Geld kam aus der Kurzarbeit, und da in der sich mühselig anbahnenden Normalität nach Auslaufen der Hilfsmaßnahmen jeder Cent benötigt wird, verweigere ich den Gebrauch des Begriffs "Überförderung". Originellerweise sind diejenigen, die schon vorher mangels Zulaufs wenig eingenommen und dann halblaut maulend alle Aktivitäten eingestellt haben, am besten ausgestiegen. Warum? Weil ihnen große Posten ihrer gigantischen Personalkosten vom jetzt gut gefüllten Hals geschafft wurden.

In präzise dieser Situation steht nun der Vertrag von Martin Kusej mit der "Burg" zur möglichen Verlängerung an, so wie auch der des energetischen Staatsoperndirektors Bogdan Roscic. Noch in diesem Kalenderjahr fällt die Entscheidung, und wie man zu der gelangen will, hat die Staatssekretärin in dieser Zeitschrift skizziert: Verpflichtend werden beide Positionen ausgeschrieben und anschließend (nicht verpflichtend) einem Personalberatungsbüro und einer Auswahlkommission überantwortet. Es gehe ja "nicht nur um das Kunstverständnis, sondern auch um Managementqualitäten, Führungsund Teamfähigkeit und vieles mehr". Wahrhaftig? Die Personalberater, deren Mutmaßungen zu Kunstbelangen dauerhafte Spuren in der Geschichte der Satire hinterlassen haben? Dazu eine der Gschaftlhuberkommissionen, in denen sich traditionell auch Abgeworfene, Eigeninteressenten und Rechnungsbegleicher aufwärmen? Die sollen einer Politikerin Auskünfte über Personen erteilen, mit denen sie meinem Amtsverständnis zufolge wöchentlichen Kontakt pflegen müsste? Und deren Leistungen vor aller Welt offenliegen?

Vermutlich lähmt hier die Panik vor kontaminierten Süßwaren die Handlungsfreude. Wie das? Es wurden soeben alle 2.400 bei den Bundestheatern Beschäftigten von der beauftragten Privatfirma ETC ("Enterprise Training Center") angewiesen, sich einer digitalen "Compliance"-Schulung mit abschließender Prüfung zu unterziehen. Die Teilnahme sei verpflichtend und der Proband durchgefallen, wenn er weniger als 80 Prozent der Fragen richtig beantworte. Jetzt geht allseits die Angst um, obwohl zur Beschaffenheit der drohenden Strafmaßnahmen auch auf Verlangen nichts zu erfahren war. Zur Auswahl stehen jeweils zwei bis drei Antworten. Jetzt zermartern sich z. B. 74 Burgschauspieler und 148 Philharmoniker die Köpfe, ob sie die Bildschirmsperre hätten aktivieren müssen, wenn sie "den Arbeitsplatz kurz verlassen, etwa für einen WC-Besuch" (als wäre Letztgenannter bei laufender Vorstellung nicht herausfordernd genug).

Garderobieren und Bühnenarbeiter wiederum wissen jetzt, dass sie "Mitarbeiter des Rechnungshofs, der die Gesellschaft gerade prüft", nie und nimmer "in ein preislich gehobenes Restaurant" einladen dürfen. Andere Fragen sind seitens der Korruptionsmaturanten (© Volksopern-Größe Gernot Kranner) schlicht unbeantwortbar. Was, würden Sie sagen, "versteht man unter Mobbing?" - "1) Eine Arbeitskollegin grüßt mich zwei Mal hintereinander nicht. 2) Eine länger andauernde Phase, während der eine Person schikaniert, belästigt und ausgegrenzt wird. 3) Die Verwarnung der Vorgesetzten, wenn kein 3G-Nachweis am Arbeitsplatz vorliegt." Da werden sich viele Künstler zwischen eins und drei nicht entscheiden können. Und gar die eingangs skizzierten Abgründe der Confiserie! Stellen Sie sich vor, Sie sind Ballettlehrerin, und ein Elternteil händigt Ihnen zu Schul-Ende "eine exquisite Tafel Schokolade um neun Euro" aus. Und wenn die Tafel nun weniger exquisit und dafür proportional größer ist? Angesichts solcher Problemlagen sind die kolportierten mehr als 100.000 Euro keineswegs überbudgetiert.

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