Netzwerker des Guten

Am 8. Oktober findet im Burgtheater eine Benefiz-Matinee statt, die man nicht versäumen darf

von Heinz Sichrovsky © Bild: NEWS

Es gibt Termine, die kann man nicht versäumen. Ich zum Beispiel würde mich bis an mein Ende schämen, sollte ich mich am 8. Oktober um 11 Uhr nicht im Burgtheater einfinden. In erster Linie klarerweise, weil ich die dort stattfindende Matinee moderiere. Aber wesentlich auch deshalb, weil der Gegenstand der Veranstaltung inmitten einer schätzenswerten Flut nie versiegender Wohltätigkeit ein so einzigartiger ist: Sie gilt der Aktion "Nein zu krank und arm" des Mediziners und Philanthropen Siegfried Meryn, die ich schon kannte, als sie 2009 noch so klein war und "Nein zu arm und krank" hieß. Es geht darum, Bedürftigen besten und unbeschränkten Zugang zum Gesundheitssystem zu ermöglichen. Zuschüsse für Behandlungen -auch Psychotherapien - werden finanziert, und Meryn plant sogar die Errichtung eines medizinischen Zentrums. News war von der Geburtsstunde an Partner und Unterstützer.

Auch anderweitig hat sich "Nein zu krank und arm" prächtig ausgewachsen: Die großen Dichter und Intellektuellen Dimitré Dinev, Barbara Frischmuth, Josef Haslinger, Michael Köhlmeier, Hugo Portisch, Doron Rabinovici, Julya Rabinowich, Christoph Ransmayr und Peter Turrini schrieben für die Matinee zum Thema Originalbeiträge. Die wiederum werden von den Besten des Hauses - Regina Fritsch, Philipp Hauß, Mavie Hörbiger und Peter Simonischek - vorgetragen. Anschließend diskutieren Cecily Corti, Gründerin des Obdachlosenhilfswerks Vinzirast, der Philosoph Konrad Paul Liessmann, Michaela Moser von der Armutskonferenz und der Journalist Robert Misik. Und das Thema "Ist es das, was wir wollen?" bringt das Wirken Meryns auf den Punkt: Es geht um schleichende Entsolidarisierung in der Krise, die Missgunst, die der rationalen und der irrationalen Angst vor Statusverlust entspringt. Und um mögliche Wege zurück zu einer Art Mitmenschlichkeit, die in schlechteren Zeiten -etwa jener der Ungarnkrise oder die Niederschlagung des Prager Frühlings - kein Thema war.

Meryn ist ein Maßloser des Helfens: Er kennt keine Grenzen. Die besten Schriftsteller, Schauspieler, Sänger und Musiker sind für seine Anliegen gerade gut genug. Wo andere Wärmestuben unterstützen, plant er mit namhafter Architektenhilfe ein ganzes Therapiezentrum -und das in Zeiten, da Spitäler schließen.

Der bedeutende Internist ist ein Netzwerker im biblischen Sinn, ein Menschenfischer wie der Jünger Petrus: Hat er einen einmal in die Netze des Guten gelockt, so gibt es kein Entkommen, und man sitzt dort fest, bis einem am Ende aller Zeiten der Ablass für sämtliche Sünden zuteil wird. Noch erinnere ich mich an die Gründungstage im Herbst 2009: Meryn rief mich an und setzte mich darüber in Kenntnis, dass er für eine eben gegründete humanitäre Organisation den Großen Musikvereinssaal und die Wiener Symphoniker zu einem Sonderkonzert gewonnen habe. Nun brauche er nur noch Publikum für 1.700 Sitz-und 300 Stehplätze. Ich möge ihm also ein tunlichst mehrheitsgängiges, gleichwohl hoch exklusives Pr0gramm organisieren, und das binnen Monatsfrist.

Am Ende schleppte sich der von einem schweren Bühnenunfall rekonvaleszente Gert Voss zur Comeback-Lesung auf das Podium, Sunnyi Melles sprach "Peter und der Wolf", und Neil Shicoff versetzte die - übrigens lückenlos gefüllten -Reihen mit "Klein Zack" aus "Hoffmanns Erzählungen" in ekstatische Schwingung. Keiner hat es je gewagt, zu Meryn Nein zu sagen. Gäbe es ihn nicht, müsste man ihn erfinden. Aber er allein ist mehr als genug.