Kunst und Disziplin
sind ein großes Team

Die großen Bühnen haben wieder eröffnet, und alles ist gut. Zwei unverschuldete Fälle hatte die Staatsoper augenblicklich im Griff. Ein paar Sonderlinge brauchen allerdings Obacht

von Heinz Sichrovsky © Bild: NEWS

Die Wiedereröffnung des Burgtheaters am Freitag war ein schönes, emotionales Ereignis. Calderons „Das Leben ein Traum“ ist dem gern inszenierenden Direktor Martin Kušej gut, wenn auch etwas ausführlich gelungen. Thomas Köcks „Antigone“-Überschreibung am nächsten Abend im Akademietheater war nur halb so lang, aber viel fader, weil sie über Demo- und Leitartikelpoesie in Versen nicht hinausgelangt. Lassen Sie mich deshalb zum Burgtheater zurückkommen, und zwar auch auf die Ereignisse vor dem Haus. Drinnen saßen 700 Besucher drei Stunden lang unter rigiden Abstandsregeln auf personalisierten Plätzen und legten die Masken vielfach auch während der Vorstellung nicht ab (ich halte es immer so). Draußen aber nahm eine gutgelaunte Menge ihr Grundrecht auf Demonstrationsfreiheit in Anspruch. Maske wäre mir bei flüchtiger Umkreisung keine aufgefallen, und die Umkreisung war auch insofern erforderlich, als ich selbst bei Missachtung aller Abstandsregeln keinen Durchschlupf gefunden hätte.

Hier wäre dringend anzusetzen. Auch dem „Szenegastronomen“ Martin Ho, der in der Pratersauna bis vier Uhr früh ein provokant gastliches Haus führt, sollte in seine Privatveranstaltungen gedonnert werden. Das gilt erst recht für Schnösel, die es in den von den Großeltern im Schweiße ihrer Angesichter erarbeiteten bzw. arisierten Villen krachen lassen. Mit solchen Erscheinungen fertig zu werden, ohne dass einem Minuten später ein selbstgefällig grinsender Jurist in die Parade fährt: Das erscheint mir vordringlicher, als über Zuschauerzahlen im Theater zu dilettieren. Denn nirgendwo wird mit mehr Aufwand, professioneller Obsorge und Erfolg der Nachweis erbracht, wie wirksam und hoffnunggebend Disziplin sein kann.

In dieser Situation erreichte uns die Nachricht, dass die Staatsoper von zwei Corona-Fällen ereilt worden sei. Tatsächlich musste in der Vorstellung von Donizettis „Liebestrank“ der Dirigent Giacomo Sagripanti ersetzt werden, und der junge Tenor Liparit Avetisyan wurde um sein Hausdebüt gebracht. Dass die fein besetzte Repertoirevorstellung ohne Orchesterprobe ihr Auslangen fand, war ein Glück, sonst wären am Ende beide Konzertmeister, die Solocellisten und die Stimmführer der zweiten Violinen mit dem Dirigenten in die Quarantäne geraten. Das Atemberaubende daran sind die Umstände. Mehr als 1.000 junge Sänger hatten sich um Aufnahme in das eben eröffnete Opernstudio beworben, dreizehn waren genommen worden und machen sich jetzt über kleine Rollen auf den Weg zu den großen. Eine von ihnen, vor einer Woche in Wien eingetroffen, besuchte eine Aufführung der „Lustigen Witwe“ mit Studenten der Operettenklasse des Wiener Konservatoriums, das jetzt anders heißt.

Man hatte dafür das winzige TAG-Theater in Mariahilf angemietet, Regie führte der Institutsleiter Univ.-Prof. Wolfgang Dosch, offenbar ein Mann von gnadenlosen künstlerischen Grundsätzen. Denn während etwa im Burgtheater die Besucher Reihe für Reihe aus dem Zuschauerraum geführt werden, tanzten nach Auskunft von Augenzeugen im engen TAG Mitwirkende durch die Zuschauerreihen! In denen befand sich, vorschriftsmäßig maskiert, besagtes Mitglied des Opernstudios und wurde durch einen Erkrankten angesteckt. Von dessen Infektion erfuhr sie aber erst über das Krisenmanagement der Stadt Wien, als sie die fatale Ensembleprobe in der Oper schon absolviert hatte. Und nicht etwa sofort über das Konservatorium, das die Namen aller Anwesenden erhoben hatte. Der Cluster ist gigantisch. Jetzt frage ich mich bang, ob man dort nächstens die „Fledermaus“ herausbringt und bei dieser Gelegenheit das Publikum mit Suppenspezialitäten aus Wuhan verwöhnt.

Was ich Ihnen aber eigentlich mitteilen wollte: In der Staatsoper ist die Situation dank starker Präventionsmaßnahmen im Griff. Alle 350 Nachtestungen sind negativ verlaufen.

Was meinen Sie? Schreiben Sie mir bitte:
sichrovsky.heinz@news.at

Kommentare

scout48 melden

Danke für Ihren intellegenten Kommentar! Leider ist es vielfach in, Corona zu leugnen und sich dann entsprechend (...) zu benehmen! Die meist zugehörige politische Ausrichtung ist mir (so glaube ich) bekannt - ich breite aber den Mantel Schweigens darüber ............

Heinz Sichrovsky melden

danke sehr, geehrter scout, ich fürchte nur, diese leute auf halbnazis zu reduzieren, ist zu wenig, da trifft sich alles, dem gott die anerkennung versagt hat, und noch ein paar beleidigte mediziner und advokaten dazu! hs

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