Dann sperren wir lieber die Museen zu, oder?

Solidarität unter Künstlern gehörte seit Jahrzehnten zum guten Ton. Nun will im Angesicht der Krise Albertina-Direktor Klaus Albrecht Schröder die Theater schließen. Das bereitet Sorge

von / Heinz Sichrovsky © Bild: NEWS

Nur wenig aus dem Repertoire des intellektuellen Tiefparterres - darüber waren sich Zivilisierte zumindest noch vor Kurzem einig - unterbietet an proletenhafter Niedertracht das Ausspielen von Sozial-und Kulturpolitik. Solange Nichtsesshafte kein Dach über dem Kopf, Alleinerzieherinnen Aussicht auf ein Alter in Bedürftigkeit, Jugendliche Probleme auf dem Arbeitsmarkt, redliche Werktätige ihr Leben lang um das Bisschen Wohlstand geschuftet haben (man kann hier einen ganzen Katalog ankreuzen): so lange mögen sich die oft unter Anführungszeichen gesetzten Künstler selbst erhalten, statt beim Steuerzahler zu parasitieren. Letztgenannten gegen Staatskünstler aufzuhetzen, funktioniert sogar zu Zeiten, in denen sich die FPÖ ihrer meisten Argumente entkleidet hat: ein verlässliches gesellschaftliches Grundrülpsen, das der Kunst ihren marginalen Budgetanteil neidet. Was indes die Folgen sind, wenn Theater und Oper wie im vergangenen Halbjahr ausfallen, das kann man derzeit in Salzburg studieren. Dort hat sich die Stadthotellerie auf immerhin 40 bis 50 Prozent gerettet, seit die Festspiele ihr Notprogramm fahren. In Wien hingegen beklagt das für unsinkbar gehaltene Sacher Ausfälle von 90 Prozent und fünfstellige Abgänge pro Tag.

Künstler gegeneinander auszuspielen, war in meinen Anfängerzeiten ein, diesfalls bei Linksbanalisten, beliebtes Vorgehen. Zornige Liedermacher würgten da ihre Gitarren bis zur Ermattung wider die Hochkultur. Bis, auch im Lichte steigender Budgets für die alternative Szene, beide begriffen, dass sie gemeinsam am sichersten unterwegs sind. In Künstlerkreisen herrschte Grundsolidarität. Odin Wiesinger und die John-Otti-Band ausgenommen, forderten die Wohlhabenden mehr Mittel für bedürftige Kollegen, die sich ihrerseits auch mit gefährdeten Symphonieorchestern und bepöbelten Opernregisseuren solidarisierten.

Auch zu Beginn der Corona-Krise - der ersten gesamtgesellschaftlich existenzbedrohenden, derer ich mich erinnere - hat diese Solidarität gehalten. Bis der Albertina-Direktor Klaus Albrecht Schröder zum allgemeinen Entsetzen forderte, die Theater für einige Jahre zu schließen. Man möge sich lieber um Menschenleben kümmern, argumentierte gegen alle Logik der üppig subventionierte Doppeldirektor, der in Wahrheit die frei werdenden Mittel für seine eigenen Institute reklamierte.

Schröder, ein Intellektueller und Fachmann von Gardemaßen, steht der FPÖ nachweislich nicht nahe und wurde von Linksbanalisten mehrfach unqualifiziert angegriffen. Umso mehr hat mich sein Ausfall bestürzt. Die Auswirkungen der Krise auf die großen, staatstragenden Kulturinstitute werden sich erst im nahen Herbst offenbaren. Wenn der Verteilungskampf schon jetzt beginnt, lässt das Böses befürchten. Man könnte sich dann sogar auf den Gedankenweg verirren, dass im digitalen Zeitalter Museen die ersten Kandidaten für kostenminimierende Schließungen wären. Jeder kann sich im Netz Ausstellungen kombinieren, wie sie kein Direktor der Welt zusammenbrächte, während Theater und Oper von der ständigen Erneuerung unter den Augen des Publikums leben. Unendlich mehr Arbeitsplätze als in Museen stehen bei Chören, Orchestern und Ensembles zur Disposition, während ein Museumsdirektor in Kurzarbeit einen Blog kommod allein betreiben kann. Und wie das Beispiel Salzburgs zeigt, kommen die letzten unerschrockenen Touristen offenbar um der Oper und des Theaters willen. Und nicht wegen der bundesweit geöffneten Museen, die verzweifelt ihre vergünstigten Eintrittskarten anzubringen versuchen. Da uns der große Philosoph Walter Benjamin aber über die Aura des Originals belehrt hat und wir unsere Museen lieben, wollen wir solche Gedanken lieber gar nicht an uns heranlassen. Die anderen aber schon überhaupt nicht.

Was meinen Sie? Schreiben Sie mir bitte: sichrovsky.heinz@news.at

Kommentare

Manfred F.

"Fahrenheit 451" wird also bei uns endlich verwirklicht. Wer braucht schon Kultur? Geht's lieber Radfahren.

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