Auf zu den Bludenzer Philharmonikern!

Die Vorarlberger dürfen, die Tätowierer auch, die Wirte über großzügige Freiluft-Partys bald auch. Nur die Kunst darf nicht. Fast so schlecht wie ihr geht es den Osterfestspielen. Und der Justiz

von Heinz Sichrovsky © Bild: NEWS

Ja, ich weiß, Sie dürfen sich in nächster Zeit schon wieder ein paar richtig gefährliche Freiheiten nehmen. Sie dürfen auch in die Bludenzer Staatsoper, die es nicht gibt. Aber in die Wiener Staatsoper, die es gibt und die im Herbst zwei Monate lang 1.000 Besucher pro Abend uninfiziert ins gefährliche Leben entlassen hat, dürfen Sie nicht. Auch nicht, wenn Sie getestet sind, was Ihnen dafür den Zugang zum Tätowierer ermöglicht, obwohl der nur fünf Quadratmeter im Hinterzimmer und keine Belüftungsanlage hat. Während die Oper -2.300 Plätze, beste Belüftungsanlage der Welt -auch nicht 500 getestete Personen einlassen darf. Die "Parsifal"-Premiere, auf die seit ihrem Bekanntwerden vor vier Jahren die Welt der Kulturverliebten wartet, wird am 1. April demnach wieder im Fernsehen stattfinden. Und Christian Thielemanns vorletzte Osterfestspiele gibt es wohl gar nicht.

Das trifft sich gut, denn deren erstbester Intendant, der Pensionist Klaus Bachler, hat den ersten Dirigenten der Welt erfolgreich von der Spitze des Festivals intrigiert. Jeder Tag der beiden Jahre, die man einander noch parallel ertragen muss, ist kein guter Bachler-Tag. Und jetzt ist das erste Jahr absehbar weg, mag der Intendant auch gegenteilige Hoffnungen äußern. Beeindruckend übrigens, dass Thielemann immer mit den Mediokren ins Hadern gerät. Der Dresdner Opernintendant Theiler, seinem Namen entsprechend kein Zähler, hat gerade exemplarisch zugeschlagen: Während Thielemann in Wien für Bruckner-Aufnahmen die größte Philharmoniker-Besetzung zur Verfügung hat, durfte er mit seinem Dresdner Orchester nicht in adäquater Stärke proben und reagierte unwirsch.

In Salzburg ist Thielemann mitsamt den von ihm dorthin gebrachten Dresdnern schon bald Geschichte. Er werde dafür im Turnus nicht nur die "Toten Hosen", sondern auch die bedeutendsten Orchester der Welt bringen, versprach Bachler. Wobei die von ihm schon früher beflegelten Wiener Philharmoniker bedauern: Sie seien nicht angefragt worden. Wenn es am Ende nur nicht auf Bludenz hinausläuft.

Darf ich Ihnen, ehe ich endlich ernst werde, eine vieles erklärende Anekdote erzählen, die mir der unsterbliche Gert Voss anvertraut hat? Der Steirer Bachler, ein überschaubar auratischer Mitteldarsteller am Berliner Schillertheater, habe im Sommer den Jago aus Shakespeares "Othello" geben dürfen. Ob es in Wunsiedel war, weiß ich nicht (aber wo Bachler ist, ist andererseits immer sowohl Jago als auch Wunsiedel). Jedenfalls, so hat zumindest Voss überliefert, sei der Steiermärker kräftig ausgebuht worden und habe dies hinter der Bühne stolzgeschwellt auf seine überzeugende Verkörperung des Bösen zurückgeführt: "Seht ihr? Sie hassen mich!"

Jetzt frage ich mich (so wie die Regierung nach jeder Pressekonferenz), was ich Ihnen bisher eigentlich erzählt habe. Lassen Sie mich also auf ein ernstes Thema kommen. Eines, das mit den Grundlagen unserer Kultur zu tun hat, nämlich mit der Justiz. Seit dem Frühsommer versetzt sie mich in Angst. Der Grüne Anschober hatte (man kann es sich nicht mehr vorstellen) den Kanzler soeben in den Umfragen überholt, da entfaltete das traditionell konservative Höchstgericht schreckenerregende Aktivitäten. Was immer die tatsächlich inferiore Gesundheitsbehörde unter ihrem tatsächlich ebensolchen Ressortchef verfügte, und wäre es das Simpelste, etwa das Halten von Abständen: Das Höchstgericht schmiss es in Serie zurück, als ginge es um Digitalzocken und nicht um Leben und Tod. Die ÖVP konnte daraufhin vom Marginalisieren des Koalitionsgegners nicht genug bekommen. Als Nehammer auf Kosten integrierter Schulkinder die korrumpierten Grünen bis zur Sprachlosigkeit demütigte, war es allerdings zu viel: Die sachkundige Justizministerin war kaum durch den Vizekanzler suppliert, da ging es los. Mittlerweile entfalten Justizbehörden, die der ÖVP traditionell alles andere als nahestehen, eine Art Aktionismus, die an Birgit Hebein kurz vor dem Untergang erinnert. Und die Grünen sind glücklich dabei, freilich ohne sich durch das Schicksal der verhaltensoriginellen Kollegin warnen zu lassen. Das Verhältnis der Kräfte lautet schlicht 37 zu neun Prozent. Dass sich die 24 roten Prozent nach konstruktivem Koalitionswechsel sinnstiftender einbringen ließen: Das kann ich als Laie nur vermuten.

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