Auslöschung ist der falsche Weg

von Heinz Sichrovsky © Bild: NEWS

Jetzt hat es also Jan Fabre getroffen, einen überragenden Choreografen der Gegenwart. Eine Gruppe von Tänzern hat ihn länger zurückliegender Übergriffe bezichtigt, und nun wird man sehen: Wirkt sich die Causa auf seine Präsenz in Opernhäusern und auf Festivals aus, so entsteht einem ganzen Genre schwerster Schaden. Zuvor schon wurden die Dirigenten Charles Dutoit, James Levine, Daniele Gatti und Gustav Kuhn quasi aus dem Betrieb genommen. Die drei erstgenannten zählen nicht zu meinem persönlichen musikalischen Kernbestand. Aber zu Zeiten, in denen es kaum noch große Dirigenten gibt, müssen sie ans Pult. Und dass die Zukunftsoptionen des mittels Selbst- und Fremdausbeutung funktionierenden Festivals von Erl ohne den Gründer und Identitätsstifter bescheiden sind, mag man als Kollateralschaden ansehen. Ich halte es für unheilvoll.

Um nun jedes Missverständnis auszuschließen: Hat sich jemand etwas zuschulden kommen lassen, möge seinem Opfer gerichtliche Genugtuung zuteil werden. Bis zur Klärung aber gilt er als schuldlos, und wer ihn erkennbar vorverurteilt, ist zu klagen. Hat der Beschuldigte tatsächlich etwas begangen, möge er bestraft werden. Mit seiner künstlerischen Qualifikation aber hat das Ganze nichts zu tun. Sonst nämlich wären auch Wagner und Genet, Caravaggio und Goethe aus der Kulturgeschichte zu retuschieren, wie es soeben Kevin Spacey widerfährt.

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