Abschiedsgruß an
Ignaz Kirchner

von Heinz Sichrovsky © Bild: NEWS

Als ich nach dem Tod des Zwei-Jahrhunderte-Schauspielers Gert Voss befürchtete, dass es mit dem Theater eigentlich nicht weitergehen könne - da dachte ich mir: Aber Ignaz Kirchner gibt es ja noch. Was habe ich den beiden an Prägendem, an Stil- und Geschmacksbildung zu danken! An erster Stelle den von George Tabori inszenierten "Othello". Voss sollte ursprünglich den Jago und Kirchner den Titelpart spielen, bis George, der Unsterbliche, die beiden eines Morgengrauens aus dem Schlaf telefonierte: Er sei in New York und habe beschlossen, die Besetzungen der Hauptrollen zu tauschen. Worauf beide das schon Erlernte wegwarfen und Theatergeschichte schrieben. Keinem Idioten wäre es damals eingefallen, ihnen "Blackfacing" vorzuwerfen (wie es später Aufführungen der Antirassisten Jean Genet und Bernard-Marie Koltès erdulden mussten). Wie im "Kaufmann von Venedig", in "Sunshine Boys", im "Endspiel" und in Genets "Zofen" hatten hier zwei einzigartige Schauspieler ihre Plätze in der Geschichte eingenommen: Voss, der geborene Protagonist, Kirchner, der scheinbar Subalterne, der in der zweiten Reihe königliches Format verkörperte. Seine dunkle, verstörende Präsenz war so einzigartig wie seine Sprechkultur. Nur Regiedilettanten ohne Respekt und Gehör wagten es, ihm ein Mikroport umzuschnallen. Er war kein einfacher, aber ein überwältigender Mensch. Ich danke ihm in Verehrung.

Was meinen Sie? Schreiben Sie mir bitte: sichrovsky.heinz@news.at