Spitzbergen: Arktische und abenteuerliche Inselgruppe

Das von Norwegen verwaltete arktische Archipel Spitzbergen ist mit keiner anderen Region vergleichbar. Diese Einzigartigkeit, die Abgeschiedenheit und vor allem die raue Wildnis machen es zum faszinierenden Reiseziel.

von Spitzbergen: Arktische und abenteuerliche Inselgruppe © Bild: Christine Lugmayr

Jedes Jahr am 8. März wird groß gefeiert in Longyearbyen. Das ist der Tag, an dem nach monatelanger Dunkelheit zum ersten Mal wieder die Sonne hinter den Bergen zum Vorschein kommt.

Die Winter auf Spitzbergen sind lang und hart: durchgehende Dunkelheit, Kälte und eisige Winde. Dennoch leben rund 2.500 Menschen in Longyearbyen, der nördlichsten permanent bewohnten Siedlung der Welt. Es sind Menschen aus den unterschiedlichsten Nationen, denn Ureinwohner gibt es hier keine.

Erst 1906 gründete der amerikanische Holzbauunternehmer John Munroe Longyear, nach dem Longyearbyen benannt ist, die erste Siedlung. Es war eine Bergbaudorf, da auf der arktischen Inselgruppe reiche Kohlevorkommen gefunden wurden.

Noch heute sind die Eingänge zu den einzelnen Kohlegruben auf den steilen Geröllhängen der Berge sichtbar, und die langsam verrottenden Holzpfähle der Seilbahnen, mit denen die Kohle zum Hafen transportiert wurden, verlaufen nach wie vor quer durch den Ort. Die meisten Gruben sind einsturzgefährdet und gesperrt. Einzig Grube drei ist für Touristen geöffnet, und in Grube sieben wird noch bis 2023 Kohle abgebaut.

Die meisten Menschen, die sich für ein Leben in Longyearbyen entscheiden, bleiben für einige Jahre und ziehen anschließend wieder zurück aufs Festland. Es sind viele Arktis-und Klimaforscher darunter, die am Universitätszentrum arbeiten, und Menschen, die im Tourismus oder in der Kohlemine tätig sind.

© Christine Lugmayr LONGYEARBYEN ist der nördlichste Ort der Welt, der mit einem Linienflug erreicht werden kann. 2.500 Menschen leben hier - die meisten von ihnen allerdings nur für ein paar Jahre

Zwei Ärzte für Notfälle

Es ist nicht vorgesehen, auf Spitzbergen geboren zu werden oder zu sterben. Es gibt keine Hebamme. Daher fliegen Schwangere einige Wochen vor der Geburt auf das norwegische Festland.

Für Notfälle steht ein kleines Krankenhaus in Longyearbyen zur Verfügung, in dem zwei Ärzte arbeiten. Sie können Unfälle und akute Erkrankungen erstversorgen. Doch in weitere Folge müssen schwerkranke Patienten aufs Festland ausgeflogen werden. Es sind zudem keine Pflegeeinrichtungen für ältere Menschen vorhanden.

Stirbt jemand auf der Insel, wird die Leiche ebenfalls ausgeflogen. Denn aufgrund des Permafrostbodens könnte sie sich nicht zersetzen und würde mit der Zeit wieder an die Oberfläche gelangen.

Viel braunes Geröll, wenig Grün

Im arktischen Sommer, wenn Teile der Insel nicht mehr mit Eis und Schnee bedeckt sind, dominieren bräunliche Geröllwüsten die karge Landschaft. So hoch im Norden wachsen aufgrund der kurzen Vegetationsperiode keine Bäume oder Sträucher. Nur vereinzelt schaffen es Blumen wie der arktische Mohn sowie Flechten und Moos, zwischen und auf den Felsbrocken zu gedeihen.

Diese Pflänzchen dienen den 20.000 auf Spitzbergen lebenden Rentieren als Nahrung. Aufgrund der harten Bedingungen sind sie deutlich kleiner als ihre Verwandten am Festland und außerdem Einzelgänger.

Longyearbyen, der nördlichste Ort der Welt, der per Linienflug erreicht werden kann, ist Ausgangspunkt für sämtliche Touren. Wer hierher kommt, möchte vor allem die Einzigartigkeit dieser Wildnis erleben. Wegen der Eisbären und der Abgeschiedenheit ist es aber zu gefährlich, sie auf eigene Faust zu erkunden. Vielmehr ist dazu stets ein speziell ausgebildeter Guide notwendig.

Immer wieder kommt es zu Zwischenfällen mit Eisbären. Das Verlassen des Ortes ist daher ausschließlich mit Gewehr und Ausbildung, wie bei der Begegnung mit den bis zu 500 Kilo schweren Tieren richtig reagiert wird, erlaubt.

In Longyearbyen selbst gibt es einen Fußweg durch das Ortszentrum. Er beginnt beim besuchenswerten Svalbard-Museum, führt an Hotels, Restaurants, dem Spital, dem Supermarkt und am "Einkaufszentrum" mit Souvenirladen und Frisör vorbei. Ohne Restaurant-oder Museumsbesuch dauert der Spaziergang hin und retour allerdings kaum mehr als fünfzehn Minuten.

500 Schlittenhunde

Das Straßennetz auf Spitzbergen umfasst gerade einmal 50 Kilometer. Im Winter sind alle mit dem Schneemobil oder dem Hundeschlitten unterwegs. Auch im Sommer ist es möglich, mit speziellen Wagen mit den Hunden die Natur zu erkunden oder in Begleitung eines Schlittenhunds auf Fossiliensuche nahe einem Gletscher zu gehen. Der Hund hat dabei unter anderem die Aufgabe, vor Eisbären zu warnen. Schließlich wittert er sie schon lange, bevor sie zu sehen sind.

© Christine Lugmayr Die Schlittenhunde auf Spitzbergen
2.500

Eisbären leben zirka auf Spitzbergen. Das sind in etwa genauso viele, wie es Einwohner auf der Insel gibt.

50

Kilometer umfasst das Straßennetz auf Spitzbergen - nicht asphaltierte Pisten mit eingerechnet.

Die Huskyzüchter haben sich mit ihren insgesamt rund 500 Schlittenhunden außerhalb des Ortes niedergelassen, um Lärmbelästigungen durch die bellenden Hunde zu vermeiden. Darüber hinaus gibt es eine öffentliche Hundefarm, in der all jene, die in einer Wohnung leben, ihre Schlittenhunde halten können.

Um an entlegene Orten außerhalb Longyearbyens - wie etwa Pyramiden - zu gelangen, ist ein Schiff notwendig. Die ehemalige russische Bergbausiedlung hatte einst 1.000 Einwohner. Es gab eine riesige Schwimmhalle, eine Schule, eine Sporthalle und einen Bauernhof, um die Menschen zu versorgen. Heute leben noch acht Personen hier.

Pyramiden, Spitzbergen
© Chris_Hall/Shutterstock.com PYRAMIDEN war früher eine russische Bergbausiedlung auf Spitzbergen. Mittlerweile ist sie eine Geisterstadt, die per Boot erreichbar ist und besichtigt werden kann
© Christine Lugmayr Die Schwimmhalle in Pyramiden
© Christine Lugmayr Pyramiden liegt knapp beim 79. Breitengrad.

Zwei Stunden sind Zeit für die Besichtigung, bevor das Schiff wieder ablegt. Wer in der wirklich abgelegenen Geisterstadt übernachten will, kann dies im Hotel in Pyramiden machen.

Saatguttresor auf Spitzbergen
© iStockphoto.com/hopsalka IM SAATGUTTRESOR auf Spitzbergen lagern die Samen der wichtigsten Nutzpflanzen der unterschiedlichsten Länder. Im Notfall kann darauf zurückgegriffen werden

Vom Klimawandel bedroht

Die Wildnis Spitzbergens ist allerdings stark gefährdet. An keinem anderen Ort der Welt ist der Klimawandel derart stark ausgeprägt wie in der Arktis. Die Temperaturen im Winter sind deutlich höher als noch vor wenigen Jahren, die Dicke der Gletscher nimmt um durchschnittlich 30 Zentimeter jährlich ab, der Permafrostboden taut auf. Die Folgen werden unmittelbar deutlich. Immer wieder gehen von den steilen Bergen rund um Longyearbyen Lawinen ab, verschütten Häuser und Menschen.

Spitzbergen ist in vielerlei Hinsicht einzigartig. Die Landschaft ist rau und lebensfeindlich -und trotzdem wahnsinnig faszinierend. Und all jene, die die Arktis in ihren Bann gezogen hat, kehren mit dem Vorsatz nach Hause zurück, eines Tages wiederzukommen.

Dieser Beitrag ist ursprünglich in der News-Printausgabe Nr. 33/2022 erschienen.