Junger Kaiser, junger Kanzler:
Geheime Macht der Optik

Der ganz auf eine rechtsgedrehte Regierung eingestellte Sebastian Kurz wird auf der einen Seite hochgezwirbelt wie ein Genie (siehe den Jeannee-Vergleich mit Mozart in der „Kronenzeitung“), andererseits wird er in die Nähe des Neofaschismus gerückt (siehe „Neofeschist“ im „Falter“).

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Kontrapunkt - Junger Kaiser, junger Kanzler:
Geheime Macht der Optik

Beides ist maßlos übertrieben, entspricht aber der von Werbung und Marketing getriebenen Politikszene. Dieser Polarisierung sei eine Vermutung hinzugefügt, die den österreichischen Neigungen zum monarchistischen Unterbau der Gesellschaft entspricht. Kurz soll ausschauen, als sei er immer schon dagewesen.

Der künftige Kanzler hat eine besondere Stärke inmitten der Hektik dieser Welt: Er ist und bleibt gelassen. Zumindest an der Oberfläche.

Wer die Fotos betrachtet (zunehmend gesteuert von seinem Büro) und wer in den TV-Debatten den zuhörenden Kandidaten verfolgt hat, weiß einen jungen Mann vor sich, der die Ruhe des Alters ausstrahlt. Glatte Haut (klar), immergleiche Frisur, einstudierte sanfte Bewegungen.

So als wäre er die Auferstehung von Kaiser Franz Joseph auf dem 1851 entstandenen Gemälde von Johann Ranzi: Als konservatives Symbol in einer turbulenten Welt.

Diese Darstellung des Kaisers hat mehrere Jahre funktioniert – als Gesicht der Restauration, die vermeintlich Ordnung verhieß, tatsächlich aber eine Politik porträtierte, die inhaltlich Neues (wie die Ergebnisse des Reichstags von Kremsier) verhinderte und das kommende Unheil des Vielvölkerreichs schon säte.

Die Geschichte wiederholt sich nicht. Aber auch in Mitteleuropa bleiben die alten Gegensätze am Leben, prägen Flüchtlingstragödien (diesmal unter dem Aspekt der Globalisierung) die Debatten und Politiken.

Inmitten dieser Wirrnisse braucht die Bevölkerung eine Optik der Beruhigung. Die bietet Kurz.

Gerfried Sperl
© News

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