SPD kommt auch nach Schulz-Abschied nicht zur Ruhe

Parteilinke kritisieren geplanten Führungswechsel zu Nahles

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"Es kann nicht sein, dass man sich austauscht unter vier oder sechs oder acht Augen und sagt: Wer macht was, sondern es muss ein geordnetes Verfahren geben", sagte die Parteilinke Hilde Mattheis am Montag. Auch die Vorsitzende der SPD-Fraktion im Landtag von Sachsen-Anhalt, Katja Pähle, warnte im MDR vor einem überstürzten Wechsel an der Parteispitze. SPD-Vize Ralf Stegner forderte dagegen ein Ende der "Disziplinlosigkeit" in der Partei.

In der CDU äußerten sich die meisten Politiker zufrieden mit der Ankündigung von Kanzlerin und Parteichefin Angela Merkel, noch vor dem Sonderparteitag am 26. Februar eine Liste der CDU-Minister vorzulegen. "Das ist ein gutes Zeichen", sagte Junge-Union-Chef Paul Ziemiak am Montag im ZDF. "Sie hat verstanden." Merkel hatte am Sonntagabend versprochen, im künftigen Kabinett auf eine Mischung aus Jung und Erfahren setzen zu wollen. "Wir machen eine Neuaufstellung insgesamt", sagte sie.

Die JU macht sich für einen Generationswechsel nach dem Vorbild der ÖVP stark und bringt dafür den bisherigen Finanz-Staatssekretär Jens Spahn in Stellung. Er hat sich in der Flüchtlingskrise als scharfer Kritiker Merkels positioniert und wird deswegen mit dem früheren JVP-Chef und jetzigen Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) verglichen. Merkel bekräftigte am Sonntag allerdings ihren Führungsanspruch und betonte, weiterhin auch CDU-Chefin bleiben zu wollen.

Die SPD bemüht sich indes um einen raschen Führungswechsel nach den Personalquerelen der vergangenen Wochen. Nach Zeitungsberichten soll Nahles bereits auf der Vorstandssitzung am Dienstag zur kommissarischen neuen Vorsitzenden bestimmt werden. Bei den Sozialdemokraten starteten zudem die Informationskampagnen für und gegen den Koalitionsvertrag. Das Ergebnis des Mitgliederentscheids soll am 4. März vorliegen. Schulz hatte nach der Koalitionseinigung zunächst seinen Verzicht auf den Parteivorsitz erklärt, wenige Tage später verzichtete er nach massiver interner Kritik auch auf das ihm zugedachte Außenministerium. Schulz war Wortbruch vorgeworfen worden, weil er im Wahlkampf versprochen hatte, niemals in ein von Angela Merkel geführtes Kabinett eintreten zu wollen.

SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil unterstützte den Schulz-Vorschlag, dass Fraktionschefin Nahles auch den Parteivorsitz übernimmt. "Wenn wir mit Andrea Nahles eine Parteivorsitzende bekommen, die nebenbei Fraktionsvorsitzende ist, dann garantiert das auch, dass die SPD in einer Regierung sichtbar bleibt", sagte Klingbeil auf NDR Info. Er wollte allerdings nicht bestätigen, dass der Wechsel an der Parteispitze bereits Dienstag auf der Präsidiumssitzung beschlossen wird.

Mattheis kritisierte bei RadioEins vor allem das Verfahren. Gerade angesichts des Mitgliedervotums sei es wichtig, dass auch Personalentscheidungen "in einem transparenten Verfahren in der Partei entschieden" würden. SPD-Vize Stegner forderte dagegen ein Ende der Personaldebatte in seiner Partei. Im ZDF-Morgenmagazin bezeichnete er den Rückzug von Schulz als "letzte Mahnung" an die SPD. Stegner forderte, man müsse sich nun darauf konzentrieren, die Mitglieder über den ausgehandelten Koalitionsvertrag zu informieren.

Die Personaldebatte hatte eine erneute Diskussion über eine Urwahl für den Posten des SPD-Vorsitzes ausgelöst. Auch Familienministerin Katarina Barley zeigte sich dafür offen, während die SPD-Vizes Stegner und Thorsten Schäfer-Gümbel dies kritisch sehen. SPD-Generalsekretär Klingbeil verwies gegenüber der RND-Mediengruppe darauf, dass der SPD-Parteitag im Dezember entschieden habe, eine Urwahl zu prüfen. "Deswegen sollten wir uns dieser Möglichkeit langfristig öffnen", sagte er. Die Staatsrechtlerin Sophie Schönberger sagte der Nachrichtenagentur AFP, eine Urwahl des Vorsitzenden sein unvereinbar mit dem Parteiengesetz. Dieses enthalte nämlich "eine ganz deutliche Regelung, in der explizit steht, dass die Parteitage die Vorstände wählen", sagte die Expertin am Montag.

Unionspolitiker kritisierten unterdessen den Verzicht auf das Finanzministerium. "Das ist nicht gut angekommen bei unserer Basis", sagte JU-Chef Ziemiak. Er räumte aber ein, dass Merkel die Koalitionsgespräche nicht hätte an dieser Frage scheitern lassen dürfen. CSU-Politiker Hans Michelbach sprach sogar von einem "fatalen Fehler", der sich "noch rächen" werde. EU-Budgetkommissar Günter Oettinger wies die Kritik zurück. "Das Ressort war auch schon 2005 bei Herrn Steinbrück und wir haben vier Jahre mit ihm eine sehr gute Finanz- und Haushaltspolitik machen können", sagte er mit Blick auf den früheren SPD-Finanzminister Peer Steinbrück in Merkels erster Amtszeit.

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