Die Machenschaften der Sozialbetrüger

Scheinfirmen werden immer öfter für illegale Aktivitäten genutzt - zuletzt in der Affäre um Hygiene Austria. Der Chef der Finanzpolizei, Wilfried Lehner, über die Tricks, mit denen Sozialbetrüger vorgehen.

von Chef der Finanzpolizei, Wilfried Lehner © Bild: Heinz Stephan Tesarek/News

Die Finanzpolizei ist mit der Affäre um den umstrittenen Maskenproduzenten Hygiene Austria, bei der es um den Vorwurf der organisierten Schwarzarbeit und des schweren vorsätzlichen Betrugs geht, wieder einmal in den Fokus gerückt. Sie waren dort unterstützend bei einer Razzia dabei...
Zum laufenden Verfahren darf ich aus ermittlungstechnischen Gründen nichts sagen, aber was ich sagen kann, ist, dass wir seit Jahren damit beschäftigt sind, Scheinunternehmen zu identifizieren. Die bescheidmäßig festgestellten Scheinfirmen finden sich dann auf der Homepage des Finanzministeriums. Derzeit sind dort 441 Firmen verzeichnet. Die Liste soll auch ganz bewusst als Warnung dienen, damit sich potenzielle Kunden nicht mit solchen Firmen einlassen Es kommen ja immer wieder neue nach, nämlich rund 100 pro Jahr. Das ist eine erschreckend hohe Anzahl.

Lesen Sie hier: So lief der Masken-Betrug bei Hygiene Austria

Aus welchen Branchen kommen die vor allem?
Die meisten kommen aus dem Bereich Arbeitskräfteüberlassung, landläufig als Leiharbeit bezeichnet. Zum Teil tarnen sie sich auch als Baufirmen und erbringen pro forma auch Bauleistungen. Aber eigentlich stellen sie nur Personal zur Verfügung, das auch tatsächlich auf Baustellen arbeitet - unter der Ägide von anderen Unternehmen, die sozusagen nur auf die Arbeitsleistung zugreifen. Solche sogenannten Baufirmen sind dann auch leicht in den Bilanzen zu erkennen, weil die überhaupt keine Anlagegüter haben. Die haben keine Maschinen oder oft nicht einmal einen PC.

Solche Firmen haben ja oft lediglich minimale Bilanzsummen oder das nicht einmal gesetzlich vorgeschriebene Stammkapital eingezahlt.
Wobei - wenn solche Firmen das Stammkapital zur Gänze einzahlen, dann wird es gefährlich, weil sie dann die Segel streichen. Die nehmen dann das Geld heraus, um kein aushaftendes Kapital mehr zu haben, damit es für Gläubiger nichts mehr zu holen gibt. Das ist sozusagen ein buchhalterisches Glattstellen, und dann wird das Firmenkonstrukt liquidiert.

Wie werden die Mitarbeiter rekrutiert?
Solche Konstruktionen funktionieren immer nach demselben Prinzip. Eine Firma fungiert als Arbeitskräfteüberlasser und hat zum Teil auch Beschäftigte, die aber oft aber nur geringfügig oder auf Teilzeit angestellt sind. Tatsächlich leisten diese aber volle Arbeit, zum Teil sogar wesentlich mehr. Für geringfügig Beschäftigte sind aber nur minimale Sozialversicherungsbeiträge zu zahlen und keine Steuer. Sie erhalten den geringen legalen Lohnanteil de facto brutto für netto, den Rest bekommen sie schwarz. Und damit der Gewinn der Leiharbeitsfirma nicht aufscheint und versteuert werden muss, wird eine zweite Firmenebene eingezogen, die wiederum Dienstnehmer an die erste Firma überlässt. Diese zahlt also selbst nach unten -und dort wird das Geld bar behoben, wandert wiederum zurück und wird dort zur Auszahlung der Schwarzgelder verwendet. Oft sind auch noch weitere Scheinfirmen involviert. Letztlich werden dadurch Sozialversicherung, Unfall-und Pensionsversicherung und Fiskus betrogen -und oftmals auch die Mitarbeiter.

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Der gebürtige Niederösterreicher Wilfried Lehner, 52, startete seine Karriere 1996 als Betriebsprüfer im Finanzamt Mödling, war danach in der Finanzlandesdirektion Wien, NÖ, Burgenland, Betrugskoordinator in der Region Ost, dann Leiter der Finanzstrafbehörde und Zollfahndung sowie Fachvorstand der Steuerfahndung Wien. Ab 2011 leitete er die Stabsstelle Finanzpolizei im BMF, ab 2013 die bundesweite Organisation Finanzpolizei, seit 2021 ist er dafür im Amt für Betrugsbekämpfung zuständig. Lehner absolvierte die Verwaltungsakademie des Bundes und absolvierte einen Master Legal Studies an der Donau-Uni Krems. Die Finanzpolizei hat österreichweit rund 450 Beamte im Einsatz, davon sind 400 operativ tätig. 2020 führte sie 28.631 Kontrollen am Arbeitsmarkt mit insgesamt 70.285 überprüften Personen durch (ein Zuwachs von 29 Prozent gegenüber 2019). In Summe wurde 8.060 Strafanträge mit einem Strafvolumen von 20,2 Millionen Euro gestellt.