Sorge vor einem
Handelskrieg wächst

EU will mit "entschlossenen" Gegenmaßnahmen auf Trumps Strafzölle antworten

Im Streit um angekündigte Strafzölle auf Stahl und Aluminium hat US-Präsident Donald Trump noch nachgelegt: Handelskriege seien "gut und leicht zu gewinnen", schrieb er am Freitag im Kurzbotschaftendienst Twitter. Er reagierte damit auf scharfe Kritik aus aller Welt an seiner Ankündigung, Importe von Stahl und Aluminium in die USA mit hohen Strafzöllen zu belegen.

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Wirtschaft - Sorge vor einem
Handelskrieg wächst

US-Präsident Donald Trumps hat mit seiner Ankündigung von Strafzöllen auch auf Stahlimporte weltweit Kritik ausgelöst. Die Gegenreaktion der EU könnte schon bald folgen. Auch andere Top-Mächte drohen mit Vergeltung. Trump verteidigte am Freitag sein Vorgehen und zeigte sich von der Aussicht eines "Handelskriegs" unbeeindruckt.

Wenn ein Land viele Milliarden Dollar im Handel mit praktisch jedem Land verliere, mit dem es Geschäfte macht, "dann sind Handelskriege gut - und einfach zu gewinnen", schrieb Trump im Nachrichtendienst Twitter: "Beispiel: Wenn wir ein 100-Milliarden-Dollar-Defizit mit einem Land haben und sie das ausnutzen, handeln wir nicht mehr - und machen einen Riesengewinn. Es ist so einfach!"

»Wenn wir ein 100-Milliarden-Dollar-Defizit mit einem Land haben und sie das ausnutzen, handeln wir nicht mehr - und machen einen Riesengewinn. Es ist so einfach«

Trump will die US-Stahlindustrie mit Schutzzöllen auf alle Stahlimporte in Höhe von 25 Prozent abschirmen. Auf Aluminiumeinfuhren sollen zehn Prozent erhoben werden. Damit werden Importe in die USA teurer. Der Stahlmarkt weltweit leidet unter Überkapazitäten und Preisverfall. Hauptverursacher ist China.

Kritik von Merkel

Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel kritisierte die US-Pläne. "Die Bundesregierung lehnt solche Zölle ab", sagte Regierungssprecher Steffen Seibert. Ein "Handelskrieg" könne "in überhaupt niemandes Interesse sein", auch nicht in dem der US-Wirtschaft.

»Wir werden nicht tatenlos zusehen, wie unsere Industrie durch unfaire Maßnahmen getroffen wird, die Tausende europäische Arbeitsplätze gefährden«

EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker drohte: "Wir werden nicht tatenlos zusehen, wie unsere Industrie durch unfaire Maßnahmen getroffen wird, die Tausende europäische Arbeitsplätze gefährden." Er zweifelte die US-Begründung an, die Zölle dienten der nationalen Sicherheit.

Juncker kündigt Strafzölle als EU-Gegenmaßnahme an

EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker hat als Reaktion auf die geplanten Schutzzölle der USA europäische Gegenmaßnahmen angekündigt. Es würden Zölle auf "Harley-Davidson, auf Bourbon und auf Blue-Jeans" gelegt, sagte Juncker am Freitag vor deutschen Journalisten. Die Maßnahmen würden in Einklang mit den Vorschriften der Welthandelsorganisation (WTO) stehen.

»Wir sind da, und man wird uns auch kennenlernen«

Geprüft werden müssten noch die Einzelheiten der US-Maßnahmen, die ja noch nicht bekannt seien. "Das ist alles nicht vernünftig, aber Vernunft ist ja ein Gefühl, das sehr unterschiedlich verteilt ist in der Welt", sagte Juncker zu dem Streit weiter. "Wir sind da, und man wird uns auch kennenlernen."

Ankündigung Trumps "absolut inakzeptabel"

Auch der US-Nachbar Kanada kündigte mögliche Gegenmaßnahmen an. Außenministerin Chrystia Freeland bezeichnete die Ankündigung Trumps als "absolut inakzeptabel". Kanada exportiert am meisten Stahl in die USA. Der Anteil an den gesamten Stahlimporten macht knapp 17 Prozent aus.

Auch Brasilien schließt "Maßnahmen auf multilateraler oder bilateraler Ebene" nicht aus. Brasilien ist nach Kanada der zweitwichtigste Stahllieferant der USA. Ähnlich äußerte sich Mexiko, wie Südkorea ebenfalls wichtiger Lieferant.

»Würden alle Länder dem Beispiel der Vereinigten Staaten folgen, hätte dies zweifellos schwerwiegende Auswirkungen auf den internationalen Handel«

China forderte USA zur Zurückhaltung auf

Der weltgrößte Stahlproduzent China forderte die USA zur Zurückhaltung bei der Nutzung von Instrumenten des Handelsschutzes auf und mahnte Washington, sich an Handelsregeln zu halten. "Würden alle Länder dem Beispiel der Vereinigten Staaten folgen, hätte dies zweifellos schwerwiegende Auswirkungen auf den internationalen Handel"​​, sagte eine Sprecherin des Außenministeriums.

Chinas Anteil an den US-Stahlimporten liegt allerdings aktuell nur bei etwa drei Prozent. US-Schutzzölle würden die Volksrepublik also nicht direkt hart treffen. Gelassen gab sich daher die chinesische Stahlvereinigung. Trump könne man nicht ändern. "Wir sind ihm gegenüber schon taub", sagte Vize-Chef Li Xinchuang.

Kritik in den eigenen Reihen

Selbst im eigenen Land erntete der Präsident Widerspruch: Zentralbankchef Jerome Powell etwa erklärte, Zölle seien nicht der beste Weg; generell habe Handel positive Folgen für die eigene Wirtschaft. Trumps eigener Wirtschaftsberater Gary Cohn habe gegen die Zölle argumentiert, hieß es in Washington.

Anleger verunsichert

An den internationalen Finanzplätzen reagierten Anleger verunsichert. Weltweit verzeichneten die Börsen Verluste, darunter der deutsche Leitindex DAX, der über zwei Prozent abgab und unter die Marke von 12.000 Punkten fiel. Der Schweizer Leitindex SMI gab bis am frühen Nachmittag um 1,3 Prozent nach.

Dominoeffekte befürchtet

In der EU wird befürchtet, dass es aufgrund der geplanten Zölle zu möglichen Dominoeffekten kommen könnte. Exporteure könnten ihre Augen auf den offenen EU-Markt richten, der durch keine Importzölle oder andere Handelshemmnisse beschränkt sei, sagte der Präsident der Wirtschaftsvereinigung Stahl, Hans Jürgen Kerkhoff. Er befürchtet eine neue "Stahlschwemme" aus Nicht-EU-Ländern.

Die EU-Kommission will nach Aussage eines Sprechers sicherstellen, dass die US-Strafzölle nicht dazu führen, dass nun Dumping-Stahl aus China den EU-Markt überflutet.

»Wir werden neue Jobs bekommen und pulsierende Unternehmen«

Mit seinen Maßnahmen will Trump die schwächelnde heimische Industrie wieder aufpäppeln. "Wir werden neue Jobs bekommen und pulsierende Unternehmen", sagte Trump unter dem Beifall eingeladener US-Unternehmer im Weißen Haus.

"America First"-Politik

Die Verhängung von Schutz- oder Strafzöllen hing seit Wochen in der Luft. Die Stahl-Politik ist elementarer Teil der "America First"-Politik der Regierung Trump. Wiederholt erklärte Trump, die US-Stahl- und Aluminium-Industrie habe seit Jahrzehnten unter Importen gelitten. Experten räumen ein, dass Trumps Zoll-Pläne den US-Unternehmen in der Branche Vorteile verschaffen könnten.

Sie bezweifeln jedoch, dass auch mehr Arbeitsplätze entstehen. Eine Studie der Amerikanischen Wirtschaftsvereinigung ASSA zufolge fielen die meisten Jobs in der Branche in den vergangenen Jahrzehnten dem technologischen Fortschritt zum Opfer.

Nicht von ausländischen Produzenten abhängig

Trump beruft sich bei seinen Zoll-Plänen auf ein US-Gesetz aus Zeiten des Kalten Kriegs, das Einfuhrbeschränkungen zum Schutz der nationalen Sicherheit erlaubt. Da Stahl- und Aluminium wichtig für das Militär sind, ist es aus Trumps Sicht zentral, dass die USA sich nicht zu sehr abhängig machen von ausländischen Produzenten.

Das US-Verteidigungsministerium hat allerdings kein Problem damit, Stahl- und Aluminium zu importieren. Vielmehr warnt das Pentagon vor potenziellen Folgen breitangelegter Zölle für wichtige Verbündete. Es empfahl daher, Staaten wie Kanada explizit von Zöllen auszunehmen.

Österreichs Wirtschaft sieht Weltwirtschaft gefährdet

US-Präsident Donald Trumps Pläne zu Importzöllen auf Stahl und Aluminium stoßen auch in Österreichs Wirtschaft und Politik auf Empörung: Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck (ÖVP) sieht darin "ein beunruhigendes Signal" und befürchtet negative Auswirkungen "auf das Wirtschaftswachstum beider Partner". Auch Wirtschaftskammerpräsident Christoph Leitl ortet eine Gefahr für die Weltwirtschaft.

»Trump dreht die Eskalationsspirale in Richtung eines Handelskrieges noch eine Stufe weiter«

Trump drehe "die Eskalationsspirale in Richtung eines Handelskrieges noch eine Stufe weiter". Das sei ein gefährliches Signal, denn am Ende gebe es bei einem solchen Konflikt nur Verlierer, befürchtet der WKÖ-Präsident. Der amerikanische Präsident stelle sich damit gegen das weltweite Handelssystem WTO (World Trade Organization).

»Wir werden uns auf europäischer Ebene sowie im direkten Kontakt mit unseren Ansprechpartnern in Amerika für unsere Betriebe einsetzen«

Auf den verschärften internationalen Wettbewerb müsse man mit "Innovation und Qualität" reagieren, nicht mit "Handelsbarrieren", betonte die Wirtschaftsministerin. "Wir werden uns auf europäischer Ebene sowie im direkten Kontakt mit unseren Ansprechpartnern in Amerika für unsere Betriebe einsetzen", versprach Schramböck heute, Freitag, in einer ersten Reaktion. Die EU müsse geschlossen und entschlossen auftreten und bereit sein, mit entsprechenden Maßnahmen zu reagieren.

Auch die Industrie lehne grundsätzlich unlautere Handelspraktiken wie Strafzölle ab, die im vorliegenden Fall ausschließlich protektionistisch motiviert seien, teilte der Generalsekretär der Industriellenvereinigung, Christoph Neumayer, mit. Die EU müsse "entschieden gegenwirken". Strafzölle auf US-Produkte dürften "natürlich nur die allerletzte Konsequenz" sein.

Das sieht auch Leitl so: Immerhin sind die USA Österreichs zweitwichtigster Handelspartner - mit einem bilateralen Handelsvolumen (Exporte und Importe) von rund 14,4 Mrd. Euro in den ersten elf Monaten 2017. Im bilateralen Handel mit Amerika erzielte Österreich dabei einen Überschuss von rund 3,5 Mrd. Euro.

»Aus Sicht der österreichischen Wirtschaft ist daher wichtig, dass Vergeltungsmaßnahmen mit Augenmaß und möglichst handelsschonend erfolgen«

"Aus Sicht der österreichischen Wirtschaft ist daher wichtig, dass Vergeltungsmaßnahmen mit Augenmaß und möglichst handelsschonend erfolgen", betont man in der Wirtschaftskammer. Zudem müssten die Europäer "in die Offensive gehen und den Abschluss von Freihandelsabkommen mit anderen wichtigen Wirtschaftspartnern in der Welt forcieren", so Leitl. Als kleines, exportorientiertes Land sei Österreich auf einen möglichst reibungslosen Zugang zu Auslandsmärkten angewiesen.

Die konkrete Betroffenheit für die heimische Exportwirtschaft von den neu angekündigten Strafzöllen sei "noch nicht abzuschätzen". 2016 lieferte Österreich Eisen- und Stahlprodukte im Volumen von knapp 160 Mio. Euro und Aluminium(produkte) im Wert von rund 170 Mio. Euro in die USA. In den Zahlen nicht enthalten sind laut WKÖ indirekte Exporte über allfällige Abnehmer aus dem EU-Binnenmarkt oder Drittstaaten.

Die österreichischen Exporteure könnten aber nicht nur die direkten Handelsbeschränkungen zu spüren bekommen, sondern auch etwaige Vergeltungsmaßnahmen von Drittstaaten. Diese könnten ebenfalls Importbeschränkungen von Aluminium und Stahl ergreifen. Ein internationaler Handelskonflikt "mit unabsehbaren Folgen" könnte dadurch in Gang gesetzt werden, mahnt Leitl.

»Ein Handelskrieg mit Österreichs zweitwichtigster Exportdestination muss jedenfalls verhindert werden«

"Ein Handelskrieg (der EU, Anm.) mit Österreichs zweitwichtigster Exportdestination muss jedenfalls verhindert werden", bekräftige auch Neumayer in seinem Statement. "Daher sollten wir zunächst versuchen, der US-Administration klar zu machen, wie schädlich ihre geplanten Maßnahmen für das Transatlantische Verhältnis und insbesondere die an sich hervorragende Wirtschaftspartnerschaft zwischen den zwei am engsten verflochtenen Wirtschaftsräumen der Welt ist." Fairer Freihandel führe zu Wohlstand für alle Beteiligten, Abschottung zum Gegenteil.

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