SPÖ: 12-Stunden-Tag
soll dringend fallen

Die SPÖ verlangt in der heutigen Sondersitzung des Nationalrats eine Rücknahme der Regeln zur Arbeitszeitflexibilisierung.

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Im "Dringlichen Antrag" der Sozialdemokraten wird ein neuer Anlauf gefordert, gemeinsam mit Sozialpartnern und Parlamentsparteien bis Jahresende moderne, praxistaugliche und für alle Betroffenen mit Rechtssicherheit ausgestattete Arbeitszeitregelungen herzustellen.

Argumentiert wird der Antrag damit, dass sich im Zusammenhang mit dem "12-Stunden-Tag" bereits erwiesen habe, dass von der versprochenen Freiwilligkeit keine Rede sein könne. Verwiesen wird etwa auf eine Hilfsköchin in Wien, die gefeuert wurde, nachdem sie 12-Stunden-Schichten verweigert hatte. Auch eine Firma in der Bundeshauptstadt, die bisherige Überstunden zu normalen zuschlagsfreien Stunden umwandelte oder ein Fall aus Salzburg, wo sich die Arbeitnehmer freiwillig und pauschal zur Wochenendarbeit verpflichten sollten, werden angeführt.

Vorfälle - Spitze eines "gigantischen Eisberges"

Für SPÖ-Klubobfrau Pamela Rendi-Wagner und Kollegen ist somit belegt, dass die Schutzintention des Arbeitszeitgesetzes von ÖVP und Freiheitlichen ausgehebelt worden sei. Die bisher aufgetauchten Fälle stellten dabei stellen lediglich die Spitze eines "gigantischen Eisberges" dar. Denn die Dunkelziffer jener Betroffenen, die sich aus Angst vor Verlust des Arbeitsplatzes bisher nicht trauten an die Öffentlichkeit zu gehen, sei mit Sicherheit um ein Vielfaches höher.

Für die SPÖ ist das Gesetz jedenfalls nicht im Geringsten geeignet, den Anforderungen der geänderten Arbeitswelt gerecht zu werden. Es brauche vielmehr ein flexibles Arbeitszeitrecht, das branchenbezogene Regelungen zulasse und sowohl Arbeitnehmern als auch Dienstgebern Vorteile bringt. Eine neue Regelung dürfe keine Lohneinbußen mit sich bringen und müsse Rechtssicherheit, Planbarkeit der Arbeitszeit und mehr Freizeit beinhalten.

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Dies gelte umso mehr, als längere Arbeitszeiten auch eine Gesundheitsgefährdung darstellten. Angeführt wird von der SPÖ ein Anstieg von Herz/Kreislauf-Erkrankungen aber auch eine erhöhte Gefahr von Unfällen. Schließlich verweist man in der Begründung des "Dringlichen" noch auf ein Absinken der Produktivität durch zu lange Arbeitszeiten.

Eingebracht wird der Antrag um 9 Uhr, debattiert ab 12 Uhr.

Schramböck sieht gestärkten Standort

Die Regierung ist dagegen unverändert von der Arbeitszeitflexibilisierung überzeugt und sieht durch die erst jüngst umgesetzte Maßnahme den Standort gestärkt. Wie Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck (ÖVP) in der Beantwortung des "Dringlichen Antrags" der SPÖ betonte, würden auch die Arbeitnehmer profitieren.

Die Bedenken der Sozialdemokraten wischte die Ressortchefin jedenfalls vom Tisch. In Schweden könne man bis zu 13 Stunden pro Tag arbeiten und Gesundheit und Lebenserwartung seien besser als in Österreich. Zudem habe die Regierung die Freiwilligkeit sogar gestärkt, indem man ein generelles Ablehnungsrecht für Arbeitnehmer etabliert habe.

Die SPÖ forderte Schramböck auf, den Erfolg des Standorts von morgen über das politische Kleingeldwechseln von gestern zu stellen. Aufgabe der Regierung sei es nämlich, den Standort zu sichern und nach vorne zu bringen.

Nachteile für Millionen von Arbeitnehmern

SPÖ-Klubchefin Pamela Rendi-Wagner hatte davor in der Begründung des "Dringlichen Antrags" der Regierung vorgeworfen, nur die Interessen der Großindustriellen zu vertreten: "Sie setzen auf das Recht des Stärkeren." Das Gesetz diene ausschließlich wenigen Unternehmern, bringe aber Nachteile für Millionen von Arbeitnehmern: "Arbeitende Menschen sind Ihnen einfach nichts wert."

»Arbeitende Menschen sind Ihnen einfach nichts wert«

Wie schon in der schriftlichen Begründung des Antrags forderte die SPÖ-Vorsitzende auf, die derzeitige gesetzliche Regelung wieder zurückzunehmen: "Ich halte es keineswegs für ein Zeichen der Schwäche einen Fehler einzugestehen, sondern für ein Zeichen der Vernunft." Das Arbeitszeit-Gesetz sei schlecht - "und sie wissen das."

Auch die SPÖ ist laut Rendi-Wagner für flexiblere Arbeitszeiten und eine moderne Arbeitswelt: "Aber es muss eine Modernisierung zum Vorteil aller sein." Was jetzt vorliege, bedeute hingegen weniger Lohn, weniger Gesundheit und weniger Zeit mit der Familie.

Einhellige Kritik der Opposition

Die Koalition hat die verlängerten Arbeitszeiten in der Debatte um den Dringlichen Antrag der SPÖ verteidigt. Kritik an der Reform kam geschlossen von den Oppositionsparteien - auch von den NEOS, die dem Gesetz im Juli trotz Vorbehalten zugestimmt hatten. Sozialministerin Beate Hartinger-Klein (FPÖ) warf der Gewerkschaft vor, ihre Chance bei der Arbeitszeitflexibilisierung "vergeigt" zu haben.

»Fakt ist, dass Ihr Arbeitszeitgesetz nicht funktioniert«

"Fakt ist, dass Ihr Arbeitszeitgesetz nicht funktioniert, dass Arbeitnehmer zu zwölf Stunden am Tag und 60 Stunden pro Woche gezwungen werden", sprach SP-Sozialsprecher Josef Muchitsch von einem "Husch-Pfusch-Gesetz". Dass die Zahl der Arbeitszeit-Verstöße laut Sozialministerium zurückgegangen ist, beeindruckt ihn nicht, habe das neue Gesetz doch vieles vorher Illegale legalisiert: "Das ist so, als würde ich bei der Autobahn von 130 auf 180 km/h gehen und hinten nach feiere ich, dass es keine Raser mehr gibt."

ÖVP-Klubchef August Wöginger will dagegen gar nicht von einem Zwölfstundentag sprechen, denn schon vor der Reform seien zehn Stunden täglich möglich gewesen und trotzdem habe niemand von einem Zehnstundentag gesprochen. "Wir bleiben grundsätzlich beim Achtstundentag und der 40-Stunden-Woche." Die Reform war aus Wögingers Sicht nötig. "Wer nicht mit der Zeit geht, der geht mit der Zeit. Wir wollen bleiben, Sie werden gehen", so der Klubchef in Richtung SPÖ.

FPÖ "neues soziales Gewissen" der Regierung

Für FP-Klubchef Johann Gudenus garantiert das Arbeitszeitgesetz, dass die elfte und zwölfte Arbeitsstunde nur freiwillig geleistet werden und dass Überstunden abgegolten werden müssten. Die Aufregung der SPÖ rühre nicht daher, dass die Reform eine Verschlechterung bedeute, mutmaßte Gudenus: "Sie sind aufgeregt, weil Ihnen die Felle davonschwimmen." Denn die FPÖ sei das "neue soziale Gewissen" der Regierung.

Scharfe Kritik am "Husch-Pfusch-Gesetz" zur Arbeitszeit übte NEOS-Chefin Beate Meinl-Reisinger: Man habe der dringend notwendigen Flexibilisierung zwar zugestimmt, aber auch auf Fehler hingewiesen - und nun gebe es immer mehr Fälle von Rechtsunsicherheit. Sie forderte die Koalition daher auf "von ihrem hohen Ross runter" zu kommen und über Verbesserungen zu verhandeln, denn - in Abwandlung eines Mottos der Regierung Schüssel - "speed and ignorance kill".

"Konzept für Sozialabbau"

Daniela Holzinger von der Liste Pilz warf der Regierung vor, ihren Unterstützern aus der "Wirtschaftslobby" Profite auf Kosten der Lebensqualität der Mehrheit der Menschen ermöglichen zu wollen. Die Koalition habe "ein Konzept für Sozialabbau" wie unter Schwarz-Blau I vorgelegt - und dazu kommen noch die geplante Senkung der Körperschaftsteuer zulasten des Sozialstaates.

Sozialministerin Beate Hartinger-Klein (FPÖ) meinte, nur wegen einiger Missbrauchsfälle wolle sie nicht allen die Gestaltung einer flexibleren Arbeitszeit nehmen. Ohnehin sei geklärt, dass man nicht zu zwölf Stunden Arbeit gezwungen werden könne. Wem das geschehe, könne die Kündigung vor Gericht anfechten.

Die Klagen, dass die Sozialpartner nicht eingebunden worden seien, wies Hartinger-Klein gegenüber der Gewerkschaft zurück: "Ihr wolltet ewig verhandeln, die Chance habt ihr damals vergeigt. Man kann nicht kurz vor einer Einigung alles kippen."

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