So sind wir also doch

In einer Zeit der multiplen Krisen reden wir einmal mehr über politische Verwahrlosung, Anstand und Moral. Mut und Zuversicht werden diesmal nicht reichen.

von So sind wir also doch © Bild: News/ Matt Observe

Der Kalender zeigte den 21._Mai 2019 an. Ein Dienstag, beste Sendezeit. Der Bundespräsident dieses Landes hatte den „lieben Österreicherinnen und Österreichern“ nach dem Erscheinen des Ibiza-Videos Gewichtiges mitzuteilen: „Wir alle haben ein Sittenbild gesehen, das Grenzen zutiefst verletzt. Ein Bild der Respektlosigkeit, des Vertrauensbruchs, der politischen Verwahrlosung. _[…] Ein Politiker ist dazu gewählt, seinem Land zu dienen. Um das gut zu machen, muss er oder sie genau unterscheiden können, was anständig und was unanständig ist, was korrupt und was korrekt ist, was sich gehört und was eben nicht […] Ich bin überzeugt davon, niemand geht in die Politik, um die eben genannten Grenzen zu verletzen. Politikerinnen und Politiker wollen das Leben in einer Gesellschaft verbessern und ordnen diesem Ziel für gewöhnlich viel unter […] Und manchmal kommen sie von ihrem Weg ab. Und überschreiten Grenzen, verletzen Menschen, zerstören Vertrauen. Und in diesem Sinne entschuldige ich mich für das Bild, das die Politik bei uns gerade hinterlassen hat. So sind wir nicht! So ist Österreich einfach nicht! Das müssen wir nun alle gemeinsam beweisen. Uns Politikerinnen und Politikern wird dabei eine ganz besondere Rolle zukommen. Wie wir gesehen werden, ist nicht nur wichtig, wenn wir im Ausland unterwegs sind. Sondern vor allem auch wichtig für unsere Exportwirtschaft und ob sich Unternehmen in Österreich ansiedeln. Und ob die vielen Touristinnen und Touristen gerne unser Land besuchen. Das ist keine triviale Frage […] Liebe Österreicherinnen und Österreicher, ich bitte Sie: Wenden Sie sich nicht angewidert von der Politik ab_[…] Nur Mut und etwas Zuversicht_– wir kriegen das schon hin. Das haben wir auch in der Vergangenheit geschafft. Das ist ja etwas typisch Österreichisches.“

»Wer hat am Ende recht? Wir werden uns einmal mehr gedulden müssen«

Geändert hat sich seit diesem 21._Mai 2019 nicht viel. Auch, weil es keinen Mut und keinen Willen gab, Dinge grundlegend zu ändern. Vielmehr manifestiert sich die Sorge, wohin dieses Land, unsere Demokratie, treibt. Ein Land, in dem eine Kanzlerpartei dem Anschein nach Steuergeld für Parteizwecke missbraucht hat und die Anstiftung zum Amtsmissbrauch zur Jobausübung gehörte. Eine Partei, in der Freunderlwirtschaft (und jedenfalls nicht Leistung) Karrieren ermöglicht und teure Steuerverfahren für mächtige Unternehmer erträglich gemacht wurden. Aus Machtgeilheit wurden Bedenken, Moral und ethische Prinzipien über Bord geworfen – bei der Politelite des Landes, bei Millionären und Milliardären, bei Medienmanagern. Dieser verheerende Befund steht aktuell im Raum. Wer am Ende recht hat? Der nunmehr auskunftsfreudige Thomas Schmid oder Sebastian Kurz, der sich keinerlei Fehltritte attestieren will? Wir werden uns mit der Antwort gedulden müssen – und uns derweilen die Frage stellen, ob wir es diesmal hinkriegen. Und mit wem. Wer macht sich ehrlich? Wer gesteht Fehler ein? Und wer sorgt für Stabilität angesichts explodierender Energiekosten, Teuerung und wachsender Flüchtlingsströme? Noch nie war das Vertrauen in die Zukunft so erschüttert wie derzeit. Mit Blick auf Österreich. Mit Blick auf die Welt.

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