Slimheli: Ihm vertrauen Alaba,
Arnautovic und Co.

Beim Tätowierer Helmut Zeiner hängen Österreichs Ballkünstler an der Nadel

Bei Slimheli hängen Österreichs beste Fußballer an der Nadel: Er ist Tätowierer aber auch seine Geschichten gehen unter die Haut.

von Hinter der Kulissen - Slimheli: Ihm vertrauen Alaba,
Arnautovic und Co. © Bild: News Matt Observe

Dillo, das bedeutet laut Österreichischem Volkswörterbuch immerhin so viel wie Idiot oder Depp und fällt dem Onlinekompendium zufolge ganz eindeutig und unmissverständlich in die Kategorie der "leichten Schimpfwörter". "Du Dillo", sagt ein gewisser Helmut Zeiner aus Wien-Leopoldstadt stets zur Begrüßung, wenn er sich wieder einmal mit Marco Arnautović trifft. Nun ist ja bekannt, dass dieser bereits bei weit geringeren Anlässen die verbale Blutgrätsche ausfährt -etwa, wenn ihn nächtens ein Polizist in seiner Luxuskarosse aufhält oder ihn ein Schiedsrichter wegen einer angeblichen Schwalbe mit Gelb verwarnt. Doch bei Helmut Zeiner bleibt der exzentrische Kicker lammfromm und repliziert, für seine Verhältnisse, geradezu kleinlaut: "Geh komm, Heli, halt bitte die Pappen "

Dabei ist dieser 53-jährige Helmut Zeiner weder Cheftrainer noch Spielervermittler noch Vereinsboss noch irgendeine andere natürliche fußballerische Respektsperson, sondern Tätowierer. Slimheli heißt er aufgrund seiner drahtigen Figur in der Szene, und sein Geschäft ist die Bestechung in allen Spielarten: Anker, Rosen, Kreuze und andere Klassiker ritzt er mit ruhiger Hand in die Haut seiner Kunden, bei Bedarf auch Bibelverse oder fernöstliche Weisheiten, wenn es denn sein muss, auch Arschgeweihe, kleine Symbole genauso wie bauch oder rückengroße Gesamtkunstwerke, die er in jahrelanger Kleinarbeit immer und immer wieder vergrößert und verdichtet.

© Privat ANDREAS IVANSCHITZ Seine Karriere hat er beendet, die Treue zum Tätowierer ist ungebrochen
© Privat MARTIN HARNIK Österreichs prominenteste Kicker sind bei Zeiner Stammkunden
© Privat DAVID ALABA Der teuerste Kicker des Landes kommt nur zum Reden

Bedingte Bescheidenheit

"Ich bin schon sehr gut, aber international gibt es natürlich noch viel Bessere", sagt er in bedingter Bescheidenheit. Und die kann er sich leisten, denn über die Jahre hinweg wurde Helmut Zeiner für Österreichs beste Kicker das, was für andere Celebrities der Psychotherapeut und/oder der Friseur ist. Slimheli, der Fußballerflüsterer! "Ich bin nicht nur ihr Tätowierer, sondern ihr Freund. Einer, dem sie alles anvertrauen können." Vorstadt, Gewalt, Drogen, Häf'n: einer, der von ganz unten kommt -und den verwöhnten Sportstars immer und immer wieder klarmacht, wie gut sie es eigentlich haben und wie dankbar sie sein müssen. Auch wenn sie einmal für eine Zeit lang das Reservebankerl drücken müssen oder sich eine angriffige Presse auf sie einschießt. "Im Vergleich zu dem, was ich hinter mir habe, ist das nichts", sagt Zeiner.

Stars wie Alaba, Arnautović, Dragović, Ivanschitz, Korkmaz, Fuchs oder Sabitzer gehen, sobald sie in Wien sind, bei Zeiner ein und aus, um sich fürs Leben zeichnen zu lassen. Alaba kommt sogar nur, um zu reden, Tattoos hat und will er keine. Arnautović hingegen sei wehleidig wie ein kleines Kind und auch Dragović nicht gerade ein König der Schmerzen.

»Die Welt, in der die leben, ist echt pervers«

Immer wieder wird der Tätowierer von seiner kickenden Kundschaft aber auch eigens eingeflogen, um sie zu stechen und mit ihr danach in eine Parallelwelt der Schönen und Reichen abzutauchen. "Die Welt, in der die leben, ist echt pervers", holt Zeiner aus. Große Kinder seien sie, acht Autos in der Garage und dazu noch ein paar Motorräder, eine Rolex mit 18 Karat und dazu noch eine Breitling immer gehe es nur darum, zu zeigen, was man sich nicht alles leisten könne. "Und das ist falsch!" Demütiger und dankbarer müssten sie sein, das versucht ihnen Zeiner halb väterlicher Haberer, halb Moralapostel in Mundart einzubläuen, einzuritzen. Er erzählt den Kickern beim Tätowieren von seinem schroffen Vater, der ihm immer wieder sagte: "Nein, du bist nicht mein Kind." Er erzählt von seinem besten Freund aus der frühen Kindheit Niko, er surfte mit Zeiner auf Waggons der Ostbahn, geriet in den Stromkreis, war auf der Stelle tot. Er erzählt von seinem ersten Joint, den er rauchte, als er noch keine zehn war. Er erzählt davon, wie er als Vierzehnjähriger viereinhalb Monate im Jugendgefängnis schmorte und der Vater den frisch aus der Haft entlassenen ausgerechnet mit Hausarrest bestrafte. Er erzählt und erzählt, bis die winzigen Stiche in die Haut der Fußballer ein tintenblaues Ganzes ergeben. Und auch seine Geschichten gehen unter die Haut. "Die Kicker verstehen mich, weil ich ihre Sprache spreche, und respektieren mich, weil ich es aus eigener Kraft in ein neues Leben schaffte." Denn heute ist Zeiner stolzer Familienvater. Die Fußballstars erzählen ihm von ihren Sorgen, und er relativiert sie aufgrund seiner eigenen Erfahrungen das funktioniert. Und zwar so gut, dass Zeiler, für einen Tätowierer eher unüblich, nun unter dem Titel "Slimheli" (Egoth Verlag) sein Leben und die daraus ableitbaren Weisheiten zu einem Buch verarbeitete.

© Privat PETER ZULJ Madonna mit rotem Herz im Hintergrund, Kicker mit Zeiner davor

"Tätowieren ist wie Malen oder Zeichnen auf einer besonderen Unterlage", sagt Helmut Zeiner. Eine der Unterlagen heißt Marko Arnautović. Oder, um mit Zeiner zu sprechen, ganz einfach nur "Dillo".

© Privat ALEKSANDAR DRAGOVIĆ Am Feld liebt er gesunde Härte, beim Tätowieren ist er sensibel
© Privat MARKO ARNAUTOVIĆ Der angriffige Star gibt sich beim Tätowierer ausnahmslos streichelweich

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