Skurrile Häuser auf Rädern: TÜV-Albträume sind der absolute Renner in Neuseeland

BILDER: Rollende Villas mit Ofen und Badewanne Dank strengerem TÜV kurz vor dem Aussterben

Wohnmobile, die in Europa undenkbar wären, gehören in Neuseeland – noch – zur Realität. Längst haben sich die skurrilen Housetrucks, die Häuser auf Rädern, zu Touristenattraktionen gemausert. Sie werden viel bestaunt und auf zahlreichen Fotos abgelichtet.

Das Rezept ist stets das gleiche: Man nehme ein ausrangiertes Fahrgestell und dann ganz viiiiiel Phantasie.

Familie Hall: Exorzismus in Villa-Mobil
So entstand auch die rollende Villa von Judy und Chris Hall, die in Nelson auf der neuseeländischen Südinsel zu Hause sind. Auf ihren Uralt-Mercedes-Benz haben sie einen hölzernen Aufbau gesetzt mit Spitzerker und Rundum-Ausguck über dem Fahrerhaus. In dem urgemütlichen Heim mit dem ungewöhnlichen Namen "Sufolla" fahren die beiden über Land und bieten darin gar seltsame Dienstleistungen an: Auskünfte über frühere Leben, Kartenlesen, Exorzismus oder Kristall-Heilung. Wer's glaubt, kann also im Sufolla-Mobil selig werden. Doch auch wer nicht auf das esoterische Umfeld steht, ist stets willkommen. Gegen einen kleinen Obolus gewähren Judy und Chris Hall auch ganz profan veranlagten Menschen Einblick in ihren Housetruck.

Touristen-Schreck: "Viele glauben, wir seien gefährlich"
Wie etliche andere Besitzer dieser wahrlich einmaligen Fahrzeuge ziehen die Halls regelmäßig zu den so genannten Gypsy Faires – zu den Zigeunermärkten. "Touristen trauen sich eher selten zu uns", lacht Maja Mengisen, "viele glauben, wir seien gefährlich." Als Übersetzerin kam die gebürtige Schweizerin nach Neuseeland. Doch als ihr Lebenspartner Gilbert Luke auf den umgebauten Mercedes-Sattelschlepper des Typs 1923 stieß, gab es für die beiden kein Halten mehr in der heimischen Wohnung in Dunedin auf der Südinsel Neuseelands. Monatelang ziehen sie übers Land.

Schaumbad im Mercedes
Während Maja Mengisen kunsthandwerkliche Gegenstände verkauft, trägt Luke mit Grillwürstchen und Toasts zum Lebensunterhalt bei. Von der Ausstattung her lässt der über 40 Jahre alte Mercedes die meisten europäischen Wohnmobile vor Neid erblassen: solide Holzmöbel auf verschiedenen Ebenen, ein massiver Kaminofen und eine stattliche Veranda. Selbstverständlich hat das zwölf Meter lange Mobil auch eine ausgewachsene Badewanne im gefliesten Toilettenstudio an Bord. Noch einmal auf ein anderes, ein "normales" Reisemobil umsteigen? "Das kommt ja gar nicht in Frage", sagt Gilbert Luke, "wir freuen uns in jedem Winter darauf, dass es wieder Sommer wird und wir wieder losfahren können."

"Traummädchen" trägt Hirschgeweih
Auf den Gypsy Faires, die zumeist nur in den lokalen Zeitungen oder Radiostationen angekündigt werden, ist stets ein buntes Technik-Sammelsurium zu sehen. Ein Hirschgeweih über dem Fahrerhaus? Warum nicht. Eine offene hölzerne Veranda im Heck? Ja, klar doch. Hölzerne Türen und Fensterrahmen im Aufbau? Na sicher. Ein Aufbau im japanischen Tempelstil? Nichts ist unmöglich. Wie sehr die Besitzer an ihren Unikaten hängen, zeigt sich auch an den Namen: "Walross", "Traummädchen" oder "Traumfänger". Überall kann man ihnen unvermittelt in Neuseeland begegnen. Und oft genug trifft man damit auch auf längst untergegangen geglaubte Technik-Geschichte. Alte Fords und Bedfords aus den dreißiger und vierziger Jahren dienen ebenso als fahrbare Untersätze wie angejahrte GM- oder Mercedes-Lastwagen. Chris Fay, der einige der Gypsy Faires organisiert, bedauert es, seinen geliebten Austin K2, Baujahr 1950, wegen Baufälligkeit nun doch schon gegen einen Mercedes 1924 von 1972 eintauschen zu müssen.

Touristenattraktionen fallen TÜV zum Opfer
Wer die herrlich verrückten Eigenbau-Wohnmobile in Neuseeland anschauen will, sollte sich indessen beeilen. Denn die Szene schrumpft, weil für die neuen Ausbaumobile jetzt viel strengere Regeln gelten.

(travel-reportage.com: Joachim Sterz/red)