"Streif - One Hell of a Ride":
Ski-Spektakel auf der Leinwand

Regisseur Gerald Salmina spricht über seinen Film und den Extremsport Abfahrtslauf

Nichts dokumentiert den Mythos Streif besser als der aktuelle Film "Streif - One Hell Of A Ride", mit dem die Hahnenkammrennen anlässlich ihrer 75. Auflage auch auf der großen Leinwand Einzug gehalten haben. Der abendfüllende Dokumentar-Spielfilm wird Ende dieser Woche von 160.000 Menschen gesehen worden und damit der erfolgreichste, 2014 gestartete österreichische Film sein. Regisseur Gerald Salmina sprach mit NEWS.AT über neue Zugänge an ein altbekanntes Thema, Starrheit des ORF und die Sorgen während der Dreharbeiten.

von Streif-Filmplakat © Bild: Streif

Kitzbühel ist im Hahnenkamm-Fieber. Zur 75. Auflage des Ski-Klassikers legt der Veranstalter, der Kitzbüheler Ski-Club, noch einmal ein Schäufelchen drauf. Die Piste soll so hart und knackig wie schon lange nicht mehr werden, der Zielsprung wurde reaktiviert und das Preisgeld auf eine neue Rekordhöhe angehoben. Michael Huber, Chef des Organisations-Komitees, hat jedoch ein ganz anderes Highlight: "Ich sehe das so, dass der Film unser eigentliches Geburtstagsgeschenk ist."

Gerald Salmina und die Streif

Der Mann, der dieses Geschenk geschnürt hat, heißt Gerald Salmina. Der 49-jährige Filmemacher liefert mit "Streif. One Hell of a Ride" sein zweites großes Kino-Werk ab. Anders als bei Mount St. Elias (2009) hat er sich diesmal ein in Österreich nur allzu gut bekanntes Thema ausgesucht.

Anhand von fünf Athleten begleitet Salmina die Vorbereitungen auf die Abfahrt auf der Streif im Jahre 2014. Flankiert von Ausflügen in die Historie des Rennens stehen neben den sportlichen Protagonisten auch die spektakulären Arbeiten der Organisatoren im Mittelpunkt. Diese retten nur durch letzten persönlichen Einsatz ein Rennen, das bis zum Schluss aufgrund des Wetters von der Absage bedroht war, und so auch den Film, wie Salmina im Interview erzählt.

Die Hahnenkamm-Rennen sind ein Riesen-Event, das medial schon nahezu perfekt aufbereitet ist. Wie geht man an so ein Projekt heran und bietet dem Kino-Zuschauer Neues?

Gerald Salmina: Ich bin nicht der Meinung, dass es perfekt gemacht wurde. Das Fernsehen beschäftigt sich wenig mit den Menschen. Es wird alles so schnell abgehandelt. Man hat keine Zeit, tiefer in die Welt der Skifahrer einzutauchen. Die einzelnen Schicksale der Sportler sollen nicht nur kurz und reißerisch dargestellt werden, sondern man muss dem Zuschauer Zeit geben, das zu verstehen und auch zu erlernen, warum es Menschen gibt, die so viel riskieren, wenn sie da herunterfahren.

Das hört sich nach Kritik am ORF an.

Salmina: Das Fernsehen ist zu schnelllebig und auch redundant. Jedes Jahr gibt es die gleichen Sprecher, alles wiederholt sich. Das Konzept passt schon lange nicht mehr. Auch die Kamera-Winkel haben sich kaum geändert, obwohl die Technologie längst da ist, um neue Perspektiven vom Skilauf zu bringen. Das ist natürlich eine Frage des Geldes. Aber wenn ich Geld investiere, wird irgendwo am Ende Geld herausschauen. Das hat nicht stattgefunden.

»Wenn ich Geld investiere, wird irgendwo am Ende Geld herausschauen«

Dennoch gab es eine intensive Zusammenarbeit.

Salmina: Ich bitte das nicht falsch zu verstehen. Es gibt ein ausgezeichnetes Verhältnis zum ORF. Die Leute, die an der Streif-Übertragung arbeiten, sind alle sehr gut. Manchmal fehlt es nur an den Mitteln, um etwas Neues zu probieren. Nur wer nie etwas probiert, wird auch nie Mittel erhalten. Wir haben viel daran gesetzt, alles anders zu machen und ein Jahr damit zugebracht, das Geld aufzutreiben. Und nun wird die Cam-Cat, die wir erstmals auf der Streif montiert haben, vom ORF übernommen.

Im Kontrast zu den schnellen Bildern vom Rennen gibt es im Film auch lange Debatten des Kitzbüheler Ski-Clubs zu sehen. In wie weit waren diese Szenen authentisch? Läuft das wirklich so ab?

Salmina: Das läuft wirklich so ab, und noch schlimmer! (lacht) Es gibt aber keine Panik-Situationen, sondern es wird einfach noch schneller abgehandelt, weil ohnehin jeder weiß, was er zu tun hat. Es wird einfach besprochen, was zu tun ist. Jeder kennt seinen Plan und versucht, seine Aufgaben zu erfüllen. Natürlich ist eine Situation ohne ausreichend Schnee für keinen angenehm. Dann heißt es eben, doppelte Schichten zu fahren oder den doppelten finanziellen Aufwand kalkulieren. Für alles finden sich Lösungen. Bei den Szenen wurde niemandem ein Wort in den Mund gelegt. Wir haben es einfach durchgespielt und so hat es funktioniert.

KSC-Krisensitzung
© Kitzbüheler Skiclub Die Debatten des Kitzbüheler Ski-Clubs - Einmalig!

Kommen wir zu den fünf Protagonisten. Mit Aksel Lund Svindal, Erik Guay, Max Franz, dem Weißrussen Yuri Danilochkin und Hannes Reichelt sehen wir fünf unterschiedliche Charaktere. Waren alle erste Wahl?

Salmina: Ja. Ich habe einmal Bode Miller kontaktiert, der aber keine Zeit dazu hatte und obendrauf verletzt war. Zu dieser Zeit haben wir auch schon mehr mit Eric Guay gesprochen und gemerkt, dass er eigentlich ein super Ersatz ist. Erstens ist er ein ungemein angenehmer Typ, andererseits ein Familienmensch. Ich wollte immer zeigen, dass es nicht nur den Skifahrer, sondern auch etwas dahinter gibt. Und bei Eric ist das die Familie. Die Frau weiß, welches Risiko er eingeht. Dazu kommt die Härte für die amerikanischen Skifahrer, drei Monate nicht zu Hause zu sein. Ein Detail, das wir oft übersehen. Das macht aber oftmals den großen Unterschied aus, warum du nicht die gleiche Leistung bringen kannst wie in gewohnter Umgebung.

Über Stephan Eberharter, dessen Fahrt auf der Streif Sprecher Daron Rahlves titelgebend als "One Hell of a Ride" bezeichnet hat, wird nur gesprochen. Er selbst kommt nicht zu Wort. Warum?

Salmina: Es gab die Überlegungen, aber irgendwann muss man eine Entscheidung treffen. Der Film ist schon so sehr lang. Wenn ich Stephan Eberharter sprechen lasse, muss ich auch Fritz Strobl und wohl auch Hermann Maier sprechen lassen. Wo ist dann die Gleichberechtigung. Ich habe mich für Franz Klammer entschieden, weil er vier Mal gewonnen hat. Stephan hat zwar die beste Fahrt aller Zeiten hingelegt, aber die größere Leistung ist es meiner Meinung nach, vier Mal zu gewinnen. Ich glaube allerdings, auch so ist Stephans Fahrt von Daron Rahlves ganz gut erzählt worden. Ich finde es sehr schön, wenn ein anderer Skifahrer die Credits gibt. Wenn Stephan selbst das erzählt hätte, wäre es nie so geworden, weil er einfach ein zu bescheidener Mensch ist.

War die Auswahl der "Hauptdarsteller" die härteste Aufgabe?

Salmina: Das Hauptproblem besteht darin, dass es ein Film über die Streif ist. Die Streif ist jedoch nur eine Piste, der Antagonist. Wenn ich die Geschichte richtig erzählen möchte, brauche ich die Story und die Stürze, die Internationalität der Skifahrer. Dann habe ich am Ende zehn Protagonisten. Das schwierige ist dann, diese Zehn zu vereinen, ohne den roten Faden zu verlieren. Das war das Hauptproblem. Wenn ich noch vier weitere Protagonisten dazu nehme, kennt sich der Zuseher vorne und hinten nicht mehr aus.

Streif-Premiere
© Philipp Schuster/Red Bull Content Pool Das Selfie der Hauptdarsteller

Bei all den Sorgen über die Länge des Films wird dem Slalom dennoch Leinwand-Zeit gegeben, dabei geht es doch um die Streif und nicht um den Ganslern.

Salmina: Wir haben mit Max Franz das Training im Sommer gefilmt und dadurch den Trainer von Marcel Hirscher kennengelernt. Als wir den Läufern dann gefolgt sind, wurden die Abstände zwischen Monaten, Wochen und Tagen kürzer. Und da 2014 zufällig der Slalom vor der Abfahrt gefahren wurde, hat es von der chronologischen Abfolge gepasst. Dazu hatten mit Hirscher den Protagonisten. Es ist irgendwie passiert und ich glaube dennoch, dass es zum Gesamtkunstwerk Kitzbühel dazugehört.

Würdest du das Abfahrtsrennen auf der Streif als Extremsport bezeichnen?

Salmina: Wenn man in der Öffentlichkeit Extremsport so versteht, als dass bei einem kleinen Fehler jederzeit etwas passieren kann, das einen schwer oder sogar tödlich verletzt, dann ja! Die Jungs, die dort hinunterfahren haben bis auf den Helm keinen Schutz. Wenn man die in den Kurven auftretenden Kräfte und die Winkel, mit denen die Fahrer aufschlagen, kennt, dann muss man einfach „extrem“ dazu sagen.

»...dann muss man einfach 'extrem' dazu sagen«

Ist deshalb auch den Sicherheitsvorkehrungen auf der Strecke ein Kapitel gewidmet?

Salmina: Stürze gehören dazu. Wir wollten aber nicht nur Stürze zeigen, das wäre uns zu reißerisch gewesen. Mit der Entwicklung der Sicherheit auf der Streif haben wir uns eben auch mit diesem Thema befasst. Als der Japaner vor Jahren über den Lattenzaun geflogen ist, hätte es ihn auch aufspießen können. Das ist etwas anderes als heute, wo du in ein Sicherheitssystem von A- und B-Zäunen knallst, bei denen Energie abgebaut wird. All diese Dinge kann man mit Stürzen zeigen. So versteht man auch, dass das Risiko im Vergleich zu früher geringer geworden, aber immer noch da ist.
Denn wenn du aber einen Sturz baust, bei dem du auf die harte Piste schlägst, helfen auch die besten Sicherheitsnetze nicht.

Salmina und Cuche
© Martin Hautz Gerald Salmina mit Didier Cuche, einem seiner Sprecher

Über die großen Wetter-Probleme im Vorjahr mit zunächst wenig Schnee und dann starkem Schneefall hast du schon kurz gesprochen. Wie groß war eigentlich die Angst, dass die Abfahrt abgesagt wird? Und was wäre dann passiert?

Salmina: Ich weiß nicht, was wir dann gemacht hätten. Budget wäre jedenfalls keines mehr zur Verfügung gestanden. Es war sehr riskant. Am Donnerstag hatte die FIS den Start am Hausberg abgesagt. Das hat mich getroffen wie ein Kehlenschlag. Da habe das Projekt hinterfragt, schließlich wollte ich die Geschichte der Streif erzählen und dann geht die Abfahrt woanders entlang. Nach der Besichtigung kam dann auch noch Eric Guay herunter und sagte, er könne aufgrund seiner Knieprobleme nicht fahren. Also war mein Favorit auch weg. Da habe ich mit Axel Naglich (Idee zum Film) zusammengesetzt und diskutiert, wie wir weiter vorgehen. Wir kamen dann zum Entschluss, dass das Schicksal von Eric Guay einer griechische Tragödie gleicht und daher filmreif ist. Zum anderen Problem haben wir überlegt, was passiert, wenn im nächsten Jahr überhaupt kein Rennen stattfindet. Dann hätten wir dieselben Sorgen erneut. Also haben wir einfach gesagt, wir ziehen es durch, und das Ergebnis ist bekannt. (lacht)

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