Werte gegen Werner, das ist Brutalität

Auch wenn Werner Kogler in vorauseilender Koalitionspragmatik einem Kopftuchverbot zustimmte - ihm deswegen implizit Rassismus zu unterstellen, ist schon ein starkes Stück.

von Werte gegen Werner, das ist Brutalität © Bild: News

Igittigitt, ein Sideletter! Die Werte seiner Gesinnungsgenossenschaft hat der leidlich begabte Hobbykicker Werner Kogler mit Füßen getreten. Seine profane Machtgier war es, der er im entscheidenden Moment so ziemlich alles unterordnete, was den Grünen seit Beginn ihrer Tage heilig ist. Dafür knotzt er jetzt scheinheilig auf der Regierungsbank, der Kogler. Es sind nicht einmal die Wortspenden der Opposition, die so etwas nahelegen und somit sofort relativieren würden. Doch wer sonst zürnt ihm da so, diesem unbeirrbaren Urgrünen, diesem Mitgründervater der ökologischen Bewegung, dem Hainburg-Veteranen, unablässig aktiv seit Anfang der Achtzigerjahre?

Es sind die Grünen selbst, die sich da genüsslich in der eigenen Empörung suhlen. "Meine Überzeugung bleibt aufrecht, dass man nie mit rassistischem Populismus Politik machen darf", twitterte nun etwa die Nationalratsabgeordnete Ewa Ernst-Dziedzic. Und ihre Fraktionskollegin Faika El-Nagashi assistiert: "Wir müssen über Rassismus in der Politik reden." Grundsätzlich, das nur zur Klarstellung, ist das natürlich zu jeder Tages- und Nachtzeit gut, wichtig und richtig - würden sich die beiden engagierten Politikerinnen dafür nur einen der klassischen rechten Recken aussuchen, einen jener etwa, die kein gröberes Problem damit haben, die "Verfolgung" der Impfgegner mit der Vernichtung der Juden im Dritten Reich gleichzusetzen.

»Dankbarkeit ist keine politische Kategorie. Zumindest Respekt sollte aber eine sein«

Nein, ausgerechnet Werner Kogler, ihr eigener Chef, muss es sein, dem ihr Gesprächsbedarf in Sachen Rassismus gilt. Und das ist schon ein starkes Stück. Trotz allem. "Im Wirkungsbereich des Bildungsministeriums wird im Wege des Erlasses ein Kopftuchverbot für Lehrerinnen im Laufe der Legislaturperiode eingeführt", steht da zwar in der Nebenvereinbarung zum türkis-grünen Koalitionspakt, und Kogler sagt heute beschwichtigend, das sei doch bloß ein "Nullum", das vom Höchstgericht ohnehin gekippt werden würde, aber dennoch aus "psychologischen Gründen" in der inoffiziellen Absichtserklärung geparkt werden musste. Sehr elegant ist das natürlich nicht, aber immerhin ist es eine von christlichen Wertmustern geprägte und geplagte Partei, mit der Kogler da die neue Machtverteilung auszuverhandeln hatte - letztendlich auch, um seiner eigenen Bewegung nach turbulenten Jahren endlich wieder ein sicheres Standing zu garantieren. Kogler, der verkappte Rassist? Nonsens! Kogler, der untergangserfahrene Überlebenspragmatiker? Mag schon sein.

Denn ohne diesen Kogler, den die Seinen nun plötzlich Moral lehren wollen, säßen weder die beiden Damen noch ihre 24 Kolleginnen und Kollegen heute im Parlament. Ohne diesen Kogler, wegen seiner endlosen Schachtelsätze und seinem Hang zur stoasteirischen Vokalverschmelzung doch auch verlacht, würde es die Grünen heute nämlich gar nicht mehr geben:

Die Partei lag komplett am Boden, mit 3,8 Prozent hatte die Ökotruppe bei der Wahl im Herbst 2017 den Einzug ins Parlament verpasst. Gerade einmal drei fixe Mitarbeiter waren damals noch an Bord, und Ernst-Dziedzic (damals im Bundesrat) oder El-Nagashi (damals im Wiener Landtag) waren nicht darunter. Wohl aber Kogler, der gegen alle Wahrscheinlichkeiten einen Wiederaufbau der Bundespartei in Angriff nahm. Und bis zum erstmaligen Regierungseintritt fortsetzte. Und wenn Dankbarkeit schon keine politische Kategorie ist, so sollte zumindest ein bisserl Respekt eine sein.

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