Sideletter: Das sagt Werner Kogler dazu

Papier sorgt für Rumoren bei den Grünen und möglichen Ärger in der Koalition

Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) nahm im ORF zum bekannt gewordenen "Sideletter" zum Koalitionsvertrag zwischen ÖVP und Grünen Stellung. Kogler, der sich Kritik aus den eigenen Reihen ausgesetzt sah, betonte, dass das meiste der bisher teilweise geheimen Koalitionsabsprachen ohnehin im Koalitionsvertrag steht.

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Bei dem umstritten Thema Kopftuchpflicht sei "das Gegenteil von dem übrig geblieben, das die ÖVP wollte". Es sei klar gewesen, dass ein derartiges Gesetz "nie vor dem Verfassungsgerichtshof gehalten hätte". "Wenns kein Gesetz gibt, kommts nicht weit", so Kogler.

"Vertrag zur Arbeitsweise"

Zu den Absprachen bei Posten im staatsnahen Wirtschaftsbereich und in der Verwaltung meinte Kogler, dass es sich um einen "Vertrag zur Arbeitsweise" gehandelt habe. Auch als Opposition sei bei den Grünen anerkannt gewesen, "dass immer wer Entscheidungen treffen muss".

Der Sideletter

Der "Sideletter" zum Koalitionsvertrag zwischen ÖVP und Grünen hat auch Potenzial für koalitionären Ärger. Denn die Grüne Parteispitze geht davon aus, dass das Papier aus dem Umfeld von Altkanzler Sebastian Kurz (ÖVP) mit für die Grünen ungünstigem "Spin" an die Öffentlichkeit gebracht wurde. Beim heutigen Kanzler Karl Nehammer (ÖVP) geht man allerdings davon aus, dass dieser davon nichts wusste.

Abmachungen zum ORF

Das Papier, in dem diverse Personalentscheidungen detailliert zwischen den Parteien aufgeteilt wurden, enthält auch eine Abmachung zum ORF. Wie aus dem der APA vorliegende Schriftstück hervorgeht, haben die Grünen das Vorschlagsrecht für den Stiftungsratsvorsitzenden. Mediale Darstellungen, wonach man im Gegenzug der Einführung eines Kopftuchverbots für Lehrerinnen zustimmen wollte, wurden am Sonntag von Parteichef Werner Kogler und Klubobfrau Sigrid Maurer vehement zurückgewiesen.

Ein weiteres Papier, dieses aus dem Sommer 2020, teilt auch die Posten im ORF-Direktorium im Verhältnis 3 ÖVP und 2 Grüne zwischen den beiden Parteien auf. Kogler und Maurer begründen dies damit, dass man mit der Zustimmung dazu einer Orbanisierung des ORF entgegenwirken wollte. Denn sonst hätte es durchaus passieren können, dass die Volkspartei alle Posten alleine besetzt. Das Team, das letztlich herausgekommen sei, sei jedenfalls kompetent und habe die Zustimmung aller außer der Freiheitlichen Stiftungsräte erhalten.

Kopftuch-Verbot

Wasdas Kopftuch-Verbot angeht, betonen Maurer und Kogler, dass man dieses in den Koalitionsgesprächen wegverhandelt habe, da es für die Grünen ein "No Go" gewesen sei. Die ÖVP habe es daraufhin über einen Erlass regeln wollen, von dem man ohnehin gewusst habe, dass dieser nie vor dem VfGH halten würde. Dass er im Sideletter steht, sei Wunsch der Volkspartei gewesen, damit die Grünen nicht behaupten könnten, nichts von dem Vorhaben gewusst zu haben.

Hacklerregelung

Inhaltlich ebenfalls interessant ist, dass im Sideletter die Abschaffung der abschlagsfreien Hacklerregelung fixiert ist. Dass dieser Punkt nicht ins Regierungsprogramm gekommen ist, soll ebenfalls Wunsch des damaligen Kanzlers Kurz gewesen sein. Dieser habe der SPÖ kein Kampagnen-Thema zukommen lassen wollen. Für die Grünen sei dieser Passus, der die frei gewordenen Mittel der Bekämpfung der Altersarmut zuschreibt, ja sogar positiv gewesen.

Wusste nur kleiner Kreis bei Grünen davon?

Innerparteilich brisant dürfte sein, dass vom Sideletter offenbar nur ein ganz kleiner Kreis, aber nicht einmal das gesamte Verhandlungsteam Bescheid wusste. Maurer meinte am Sonntag jedoch, dass der Erweiterte Bundesvorstand über die Inhalte des Abkommens mit der ÖVP auch über den Regierungspakt hinaus informiert worden sei.

Keine Namen bei Positionen eingesetzt

Was die Postenbesetzungen angeht, betont die Grüne Spitze, dass es immer nur darum gegangen sei, kompetente Personen in Positionen zu bringen. Daher seien in dem Abkommen im Gegensatz zum Sideletter zwischen ÖVP und FPÖ keine Namen eingesetzt, sondern die Funktionen würden erst nach Ausschreibungen vergeben.

Debatte über Leak

Dass Nehammer von dem Leak informiert war, glauben Kogler und Maurer nicht. Im Gegenteil nehmen sie an, dass auch der nunmehrige VP-Chef über dieses nicht erfreut sei. Dennoch nimmt man Nehammer in die Pflicht, in seiner Partei quasi für Ordnung zu sorgen.

Reaktion der NEOS

Heftige Kritik daran kam am Sonntag von den NEOS: "Man kann mit guten Gründen für oder gegen ein Kopftuchverbot argumentieren, aber niemals kann man ein so sensibles Thema zur Verhandlungsmasse im Postenschacher machen", sagte Integrationssprecher Yannick Shetty in einer Stellungnahme gegenüber der APA. "Solche ,Deals' sind grundsätzlich schäbig, aber ein Abtausch Kopftuchverbot für Lehrerinnen gegen einen Top-Job im ORF schlägt dem Fass den Boden aus."