Keine Lust auf Sex? Das hilft.

Keine Lust auf Sex? Die Paar- und Sexualtherapeutin Notburga Fischer weiß, woran das liegen kann - und was Mann und Frau dagegen tun können.

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Sex - Keine Lust auf Sex? Das hilft.

Lösen Sie sich von äußeren Vorgaben

"Was wir in den Medien mitkriegen, sind lauter Höhepunkte", weiß die Paar- und Sexualtherapeutin Notburga Fischer. Schweißnasse Körper, die sich aneinander reiben, das Liebesspiel von einem bombastischen Orgasmus gekrönt. Besonders jüngere Menschen ließen sich vermehrt von äußeren Vorgaben leiten. Ohne zu wissen, dass diese nur bedingt der Realität entsprechen. Gewaltig der Druck, der dadurch auf ihnen lastet. Dazu Fischer: "Wer sich von äußeren Vorgaben löst, lebt innerlich freier." Haben Sie Vertrauen in Ihren Körper, in Ihr Empfinden. Stehen Sie zu Ihren Bedürfnissen, teilen Sie sie dem Partner mit und forschen Sie miteinander. Und wenn Sie wollen, eröffnen Sie ein gemeinsames Experimentierfeld.

»Was wir in den Medien mitkriegen, sind lauter Höhepunkte«

Nehmen Sie sich Körperzeit

Unser Alltag ist von morgens bis abends getaktet. Aufstehen, Frühstück machen, Kinder in die Schule bringen, in die Arbeit eilen, Kinder abholen, Essen kochen, Haushalt erledigen, Kinder ins Bett bringen ... Irgendwo zwischen Kinder ins Bett bringen und selbst in den Tiefschlaf fallen findet sich vielleicht noch Zeit für Sex. Dass da die Lust flöten geht, ist kein Wunder. "Stress ist kein förderlicher Faktor für die Lust", weiß Fischer. Und rät den Partnern, sich in regelmäßigen Abständen unabhängig von Lust und Unlust bewusst Zeit für die körperliche Begegnung zu nehmen. Manche liegen eng aneinander geschmiegt nackt im Bett. Prinzipiell kann die sogenannte Körperzeit aber von einer Umarmung bis hin zur Penetration reichen. "Selbst das kann man entkoppeln von der Lustschleife."

Ziel der Körperzeit sei weder Sex noch der Höhepunkt, dennoch sei beides nicht ausgeschlossen. Man richtet seine Aufmerksamkeit auf die Berührung, das Empfinden. "Vielleicht ergibt sich daraus eine neue Form der Begegnung. Oder man bekommt eine andere Wahrnehmung für die eigenen Liebesorgane", erklärt Fischer. Auf jeden Fall aber könne man so die sexuelle Konditionierung und damit das Muster, wie das Liebesspiel vermeintlich stattzufinden hat, durchbrechen. "Für manche Paare ist das eine wirkliche Weichenstellung", erzählt die Therapeutin aus der Arbeit mit ihren Klienten. Und nicht zuletzt könne auf diese Weise dem Streitpunkt "Ich will - Du nicht" der Wind aus den Segeln genommen und das Bedürfnis nach Sexualität und Nähe desjenigen, der will, befriedigt werden.

Regulieren Sie Nähe und Distanz

Eine Beziehung ist ein permanenter "Tanz zwischen Nähe und Distanz". Der eine will mehr Kontakt, der andere mehr Eigenraum. Während ein verstärktes Bedürfnis nach Nähe möglicherweise in der Angst wurzelt, verlassen zu werden, könnte hinter einem stark ausgeprägten Wunsch nach Autonomie und Freiheit die Sorge liegen, überflutet zu werden. Prinzipiell handelt es sich beim Wunsch nach Nähe und jenem nach Distanz um zwei gleichwertige Grundbedürfnisse. Geraten sie aber aus dem Lot, besteht die Gefahr, seinen Eigenraum nicht mehr wahrnehmen, sich nicht mehr spüren zu können. Das wirkt sich natürlich negativ auf die Sexualität aus. Daher gilt es, Nähe und Distanz zu regulieren, die Verbindung zum anderen, gleichzeitig aber auch seinen Eigenraum zu pflegen. Erst dann könne man wieder auf den anderen zugehen.

»Jede Beziehung ist ein Tanz zwischen Nähe und Distanz«

Bleiben Sie bei sich selbst

Man versucht den anderen zu lesen, seine Bedürfnisse zu erspüren und sie, noch bevor das Gegenüber sie ausgesprochen hat, zu erfüllen. "Es passiert schnell, dass wir in einer Beziehung mehr beim anderen sind als bei uns selbst. Irgendwann nimmt man sich dann gar nicht mehr wahr. Man reduziert sich auf den kleinsten gemeinsamen Nenner. Gerade für die Sexualität ist das aber ein Lustkiller", mahnt Fischer. Voraussetzung für lustvolle Sexualität sei nämlich, dass beide "gut bei sich, in ihrem Körper sind. Weil Sexualität findet ja im Körper statt". Die Expertin rät, sich seiner eigenen Wünsche gewahr zu sein, sie auch dann zu akzeptieren, wenn sie nicht mit denen des Partners übereinstimmen, und nicht zu hadern, sie auszusprechen.

Finden Sie Ihren eigenen Weg

Apropos bei sich bleiben: "Was vor 20 Jahren noch als außerhalb der Norm, als pervers galt, ist heute machbar." Die Befreiungswelle der sexuellen Revolution der 1968er Jahre ist, wenn man so will, weiter vorangeschritten. Dem sexuellen Experimentierfeld sind praktisch keine Grenzen mehr gesetzt. Alles ist möglich. Und man sollte, so die Devise, alles ausprobieren. "Das macht natürlich auch Druck", weiß die Paar- und Sexualtherapeutin. Einmal mehr gilt daher: Lassen Sie sich nicht von äußeren Vorgaben leiten. Vertrauen Sie sich selbst, Ihrem Körper, und finden Sie Ihren eigenen Weg.

© Innenwelt Verlag

Buchtipp: Wie beeinflusst das Liebesleben und die Beziehung der Eltern und Großeltern unsere sexuellen Liebesbeziehungen? Wie weit können wir schwierige Erlebnisse verarbeiten und integrieren, um unser eigenes sexuelles Potenzial zur vollen Entfaltung zu bringen? Anhand von 25 Jahren Praxiserfahrung mit Frauen, Männern und Paaren beantwortet Notburga Fischer diese und weitere Fragen.