Konservative Sex-Kritik

Wie ein Heft zur Sexualaufklärung zum bundesweiten Skandal werden konnte

von Stockbild. Braut- und Bräutigamfiguren auf Hochzeitstorte, unkonventionell. © Bild: Corbis

2005 kandidierte Gudrun Kugler als Unabhängige auf der ÖVP-Liste weit hinten am 18. Platz und erzielte dennoch nach dem damaligen Vorsitzenden Johannes Hahn die meisten Vorzugsstimmen in ihrer Partei. Unterstützt wurde sie von zahlreichen Initiativen, die sich für den "Lebensschutz" einsetzen. Sie meldete sich damals unter anderem so zu Wort, dass sie die "Propagierung des Schwangerschaftsabbruchs durch SPÖ und Grüne" ablehne. Ihre Kandidatur sorgte für heftige Kritik sowohl innerparteilich als auch bei anderen Parteien. Die Homosexuellen-Initiative Wien (HOSI) sprach beispielsweise von "durchgeknalltem Fundamentalismus". Der Einzug in den Gemeinderat gelang trotz der zahlreichen Vorzugsstimmen letztlich nicht.

Katholische Partnervermittlung

Kugler gründete auch das "Dokumentationsarchiv der Intoleranz gegen Christen", das sich gegen angebliche Intoleranz und Diskriminierung von Christen in Europa richtet. Außerdem rief sie die Plattform "kathTreff.org", eine katholische Partnervermittlungsagentur, ins Leben. Diesen wurden für Menschen gemacht, die den Partner fürs Leben finden wollen "und dabei die Lehre der Kirche vor Augen haben".

Ein Skandal nimmt seinen Lauf

Am 16. November wurde die Facebook-Gruppe "Skandal im Bm:ukk" (Bundesministerium für Unterricht, Kunst und Kultur) gegründet, um über die "skandalöse Sexualaufklärungsbroschüre" zu informieren. Am Tag darauf erschien in der "Presse" ein Beitrag über "besorgte Eltern", die sich über die Broschüre empören. Bis heute ist unklar, wie die "besorgten Eltern" überhaupt an die Broschüre, die sie so erregte, gekommen sind. Immerhin ist diese eigentlich für Lehrer gedacht, die sich mit Sexualerziehung beschäftigen und nicht wie oft fälschlich berichtet, eine Broschüre für Jugendliche und /oder deren Eltern.

Die Erregung hielt sich aber so oder so in Grenzen. Bis heute hat die Facebook-Seite beispielsweise gerade einmal 167 Likes. Dennoch wurden am 20. November parlamentarische Anfragen vom ÖVP-Abgeordneten Werner Amon und dem FPÖ-Abgeordneten Walter Rosenkranz zu dieser Causa eingebracht. In der Anfrage Amons wird explizit auf die "Anfrage mehrerer besorgter Eltern" Bezug genommen, die von "Verstörung" ihrer Kinder berichtet hätten (Anm. die Broschüre richtet sich an Lehrkräfte und nicht an Kinder).

Wie man in Debatten interveniert

Doch wie ist es vorstellbar, dass eine Initiative aus zumindest teilweise erzkatholischem Umfeld solch ein Echo erzeugt und sogar von Parlamentsparteien aufgegriffen wird? Ja, dass diese sogar die Argumente konservativer Christen - einer verschwindend kleinen Minderheit in Österreich – aufgreifen? Darauf kann Gudrun Kugler selbst vielleicht die beste Antwort geben: Auf der Seite "Europe4Christ", eine Initiative an der ihr Mann federführend beteiligt ist, gibt Gudrun Kugler in zwei Dokumenten Einblick, wie man in der politischen Debatte als Christ intervenieren kann. Sie macht klar, dass es wichtig sei, früh in eine Debatte einzusteigen, da sich schon zu Beginn einer Debatte die Richtung dieser kläre.

Wichtig sei es natürlich auch zu beten, da letztendlich Gott unsere Herzen bewege und nicht der klügste Menschenverstand. Entscheidend sei es aber auch, bei "politisch unkorrekten Themen" Argumente auszuwählen, die nicht verschrecken. Beispielsweise solle man nicht sagen "Abtreibung ist Mord" sondern "Abtreibung bringt ein Herz dazu aufzuhören zu schlagen."Auch eine persönliche Geschichte erhöhe die Glaubwürdigkeit der Argumente.

Beobachtungsstelle "Christenverfolgung"

Wichtig scheint es auch zu sein, den eigenen Argumenten zusätzliche Glaubwürdigkeit zu verleihen, indem man Organisationen gründet, die den Eindruck einer möglichst großen Verwurzelung in der Bevölkerung erwecken. Ein Beispiel dafür ist das "Dokumentationsarchiv der Intoleranz gegen Christen", das ebenfalls von Kugler gegründet wurde und im Wesentlichen ihre Privatorganisation darstellt. In den letzten zwei Monaten schickte die Organisation an die OSZE (Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa) zwei sogenannte Schattenberichte. Auch an die UNO wurde ein Bericht wegen angeblicher Menschenrechtsverletzungen in Deutschland geschickt, der unter anderem die verpflichtende Sexualerziehung kritisierte.

Diese Berichte entfalten wenig direkte Wirkung, werden aber von den Organisationen, wie alle Berichte die eingehen, publiziert und verleihen so dem Gesagten zusätzliches Gewicht. Christoph Baumgarten, Korrespondent des laizistischen "Humanistischen Pressedienstes" in Wien und Co-Autor des Buchs "Gottes Werk und unser Beitrag", meint, dass es sich bei der Organisation um keine offizielle Organisation der katholischen Kirche sondern um eine Privatinitiative handle.

Stellungnahme von "Selbstlaut"

Inzwischen hat auch der Verein "Selbstlaut", der die Sexualaufklärungsbroschüre gestaltet hat, Stellung bezogen. Man stellt klar, dass es Absicht sei, Minderheiten in einem Atemzug mit der Mehrheitsposition zur Sexualität zu nennen. Denn Kinder, die einer gesellschaftlichen Randgruppe angehören, seien von sexueller Gewalt besonders bedroht. Diese gelte es zu unterstützen. Gleichgeschlechtliche Lebensweisen seien außerdem in Österreich rechtlich anerkannt und der heterosexuellen Lebensweise gleichgestellt. Was den Verfassern der Kritik nicht Recht sein mag, aber es sei gesellschaftliche Realität und in jeder Schule befänden sich Kinder, die mit lesbischen Müttern, schwulen Vätern oder anderen sexuell orientierten Eltern und Erziehungsberechtigten leben würden.

Soll Sexualerziehung so aussehen?

Schon eher nach dem Geschmack von Frau Kugler dürfte die Aufklärungsbroschüre "sex&sieben" sein, immerhin wurde sie von ihrer Schwester Jutta Graf mitgestaltet, die auch als Inhaberin der Homepage im Impressum aufscheint. Diese Broschüre wurde 2006, noch während der schwarz-blauen Regierung, vom Sozialministerium gefördert. Ministerin war damals Jörg Haiders Schwester Ursula Haubner. Auch sie stellte im Übrigen eine Anfrage zur aktuellen Sexualaufklärungsbroschüre.

Auf der Homepage zur Broschüre "sex&sieben" wird unter dem Kapitel "Verhütung" zunächst die natürliche Empfängnisregelung (Temperaturmethode) genannt. Sie wird im Weiteren allen übrigen Methoden der Empfängnisverhütung als überlegen dargestellt und bekommt als einzige das Prädikat "sehr hohe Sicherheit" verliehen. Unter dem Kapitel "Beratung" werden unter anderem die "Aktion Leben" und das "Institut für natürliche Empfängnisverhütung" empfohlen. Die Broschüre kann online immer noch bestellt werden, wird inzwischen aber nicht mehr vom Sozialministerium gefördert.

Kommentare

Sepp Rothwangl

Die Aktivitäten dieser KlerikalfaschistischenFundis machen klar: Lasst Österreich nicht zu einer Expositur des Vatikan machen:
Volksbegehren www.kirchen-privilegien.at unterstützen!

Liebe fanatische Katholen und ÖVPler! Macht Euch doch die von Euch so propagierten Methoden zur Verhütung zu Eigen und verhütet Euch selbst, aber lasst bitte den Rest der Menschen, die weder mit der Katholischen Kirche oder der ÖVP etwas zu haben wollen mit Eurem Schwachsinn in Ruhe. Wir wissen selbst am Besten, was wir wollen - oder was nicht! Vor allem keine kollektive Zwangsbeglückung.

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