Zu viel Sex, nun ist er tot:
So geht es im Prozess weiter

Weil ihr die Sexspiele mit ihrem 73-jährigen Liebhaber zu viel geworden waren, gab sie ihm Schlaftabletten – er stirbt. Das nicht rechtskräftige Urteil: Sieben Jahre Haft. Doch dabei soll es nicht bleiben.

von
Spektakulärer Fall - Zu viel Sex, nun ist er tot:
So geht es im Prozess weiter

Eine 62-jährige Deutsche soll laut Anklage ihrem 73-jährigen Liebhaber in dessen Haus fünf rezeptpflichtige Schlaftabletten der Marke Halcion verabreicht haben. Der Grund: Er wollte zu viel Sex.

Die fragwürdige Vorgehensweise

Tags darauf war der Flachgauer tot. Anstatt jemanden zu verständigen, wickelte sie die Leiche in ein Leintuch, umwickelte sie mit Plastiksäcken und Paketklebeband und schleppte sie die Treppe hinunter in die Garage. Erst einen Monat nach der Tat wurde der Tote in der Tonne entdeckt und die Frau verhaftet.

Oberster Gerichtshof muss entscheiden

Das Drama ereignete sich Anfang Juni 2017 in Mattsee bei Salzburg. Nach zwei Prozessen wurde nun ein nicht rechtskräftiges Urteil gefällt, doch die Angeklagte und ihr Anwalt erheben Einspruch. Sie wollen die Elemente des Schuldspruchs bekämpfen. Schlussendlich werde dann der Oberste Gerichtshof über das Urteil entscheiden.

War es Mord? Eindeutig schuldig?

Wer die Geschichte zum ersten Mal hört, ist zwangsläufig irritiert. Wie kann eine 62-jährige Frau, die noch dazu Krankenschwester ist, ihren 73-jährigen Liebhaber mit Schlaftabletten ruhig stellen und nach seinem Tod so reagieren? So hatte die Ostberlinerin etwa die grüne Regentonne, in der der Pensionist schlussendlich gefunden wurde, extra nach seinem Tod im Internet bestellt.

Kniffliger Prozess mit viel Erklärungsbedarf

Die Schuldfrage ist der erste Gedanke, der den meisten durch den Kopf geht. Auch wenn es für Außenstehende ein eindeutige Fall sein könnte, entwickelt er sich zu einem langen, kniffligen Prozess – der mit dem nicht rechtskräftigen Urteil noch nicht vorbei ist.

Warum rief sie keinen Arzt?

"Ist Ihnen nicht der Gedanke gekommen, die Polizei oder den Notarzt zu rufen?", fragt der Vorsitzende Richter Philipp Grosser während des Prozesses Anfang Dezember. "Ein Notarzt hätte nichts mehr genützt", erklärt die Angeklagte. Die Polizei habe sie nicht gerufen, weil es einen offenen Haftbefehl aus Deutschland gegen sie gab, sagt die Frau, die bereits 15-mal wegen Vermögensdelikten verurteilt worden ist.

»Der Menschenverstand war nicht präsent«

"Der Menschenverstand war nicht präsent, sie hat nach einer Lösung gesucht und keine gefunden", sagt ihr Anwalt. Mit jeder Stunde, die verstrichen sei, hätte sie sich mehr in die Situation verstrickt.

So lautet das aktuelle Urteil

Zwar sprachen die Geschworenen die Angeklagte einstimmig wegen Körperverletzung mit Todesfolge schuldig, doch nicht wegen Mordes. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Die Frau soll sieben Jahre in Haft gehen. In diese Entscheidung flossen auch Schuldsprüche wegen Störung der Totenruhe und diverser Vermögensdelikte ein. "Der Vorwurf des Mordes ist vom Tisch. Das ist das Essentielle", sagt Strafverteidiger Johann Eder.

Wie geht es im Prozess weiter?

Dennoch wollen sich der Anwalt und seine Klientin mit der Urteil nicht abfinden. "Wir sind mit dem Strafmaß nicht zufrieden und werden bekämpfen, dass sie für die Todesfolge verantwortlich gemacht wird", sagt er. Sein Formalansatz: Entsprechende entlastende Beweisanträge wurden bisher abgewiesen.

Was die Angeklagte entlasten könnte

So werde die Begründung des Pharmakologen in Hinblick auf das toxikologische Gutachten vom Anwalt stark angezweifelt. Konkret geht es um die Grenzmengen, die darin zitiert werden. Zu einer Vergiftung mit Todesfolge konnte es laut Eder bei jener Menge und Art der angewandten Schlaftabletten nicht kommen.

Histologische Untersuchung fehlt

Dies ließ er sich auch von einer Ärztin der österreichischen Vergiftungsinformationszentrale bestätigen. Zudem würden Dokumente vorliegen, die bestätigen, dass der 72-Jährige bereits Schädigungen im Herzbereich hatte. Doch eine histologische Untersuchung (Analyse von Gewebsproben unter dem Mikroskop) wurde abgelehnt.

Dass die Menge an Schlaftabletten die Todesursache war, bezweifelt er. "Man kann sich die Anschuldigung in etwa so vorstellen, als ob jemand behauptet, mit 0,8 Promille an einer Alkoholvergiftung gestorben zu sein", erklärt Verteidiger Eder. Für ihn und seine Mandantin genügend Gründe, den Fall neu aufzurollen.

Der Grund für die Schlaftabletten

Rückblende. Warum kam es nun eigentlich dazu, dass die gebürtige Ostberlinerin ihrem Liebhaber Schlafmittel verabreichte? Er habe immer wieder auf Sex gedrängt. "Ich wollte ganz einfach, dass er fest schläft", sagt die Angeklagte während des Prozesses. Sie sei aufgebracht gewesen und habe von ihm gefordert: "Jetzt nimmst du die und schläfst."

Überforderung wegen "zu viel Sex"

Er sei zwar beleidigt gewesen, habe sie aber widerwillig genommen. "Es ist schwer vorstellbar, dass jemand, der noch sexuell aktiv sein möchte, fünf Schlaftabletten nimmt", sagt der Vorsitzende Richter Philipp Grosser. "Ich war schon biestig und habe das mit Nachdruck verlangt", sagte die gebürtige Berlinerin. Was das Paar zuvor zusammen im Bett gemacht hatte, dazu wurde die Frau unter Ausschluss der Öffentlichkeit befragt.

Seit eineinhalb Jahren in U-Haft

Wer ist diese Frau, der die Sexspiele zu viel geworden sind und die kurzerhand zu Schlafmittel griff, um den Mann neben ihr ruhig zu stellen? Wie tickt die Person, die aus Angst, verhaftet zu werden, keine Hilfe holte?

»Sie ist sachlich und pflegeleicht«

Seit eineinhalb Jahren sitzt die 62-Jährige in der Justizvollzugsanstalt in Puch in Untersuchungshaft. "Im Gefangenenhaus wird sie als sachlich, sehr umgänglich und pflegeleicht beschrieben", sagt ihr Anwalt. Auch er könne nichts Nachteiliges über ihre Persönlichkeit berichten. Sie sei stets eine sympathische und angenehme Gesprächspartnerin gewesen. Ein negativer Aspekt fällt ihm dann aber doch ein: "Eine Schattenseite von ihr war es, sich Dinge zu kaufen, die sie sich nicht leisten kann", ergänzt er.

Wollte sie sich wirtschaftlich bereichern?

Doch von schweren oder gar gewerbsmäßigen Betrugsversuchen (etwa durch die Bestellungen bei einer Möbelfirma) könne in ihrem Fall dennoch nicht die Rede sein. Auch diesen Punkt will er erneut Rechtsmittel anmelden.

Bald wieder auf freiem Fuß?

Sollte der Oberste Gerichtshof in allen genannten Punkten zu Gunsten seiner Mandantin entscheiden, könnte sie im besten Fall sofort wieder auf freien Fuß kommen. Warum? Die Untersuchungshaft würde ihr angerechnet werden. Wann genau der Prozess in die nächste Runde geht, ist derzeit noch offen. Der Kriminalfall jedenfalls wird in Erinnerung bleiben. Während sich die meisten hier schnell eine Meinung gebildet haben, veranschaulicht dieser Prozess, wie komplex das österreichische Justizsystem tatsächlich ist.