Selfie ist das Land

Ende November könnte Österreich ins Guinness-Buch der Rekorde kommen - mit einem Selfie aus 10.000 Bildern von 9000 Teilnehmern. Mit dieser Visitenkarte für das Land und seine Wirtschaft will der Amerikaner Philip Martin Rusch seiner Wahlheimat ein Denkmal setzen

von Wirtschaft - Selfie ist das Land © Bild: www.sebastianreich.com

Stellen Sie sich vor, Sie sind in Neuseeland, klicken auf www.bestofaustria.online -und es tut sich das erste und größte interaktive 360-Grad-Selfie weltweit auf, das ein ganzes Land darstellt": Philip Martin Rusch war im Golfkrieg Fotograf für die US Navy und lernte dort viel über das digitale Fotohandwerk. Mittlerweile lebt der Amerikaner seit 25 Jahren in Österreich, hat das Land lieben gelernt und wendet seine fotografisch-digitalen Erfahrungen auch aus der Navy-Zeit an.

"Das Land ist fantastisch", sagt er. "Nicht Großbritannien, nicht die USA, nicht Deutschland, nein, Österreich wird das erste Land der Welt in einem interaktiven Selfie sein." Das Super-Selfie, mit dem man auch ins Guinness-Buch der Rekorde kommen möchte, wird am 29. November in der Wiener Stadthalle gemacht. Was ist der Hintergrund? Rusch will damit zeigen, dass Österreich mehr als Mozartkugeln und Walzer ist und kann.

Heinrich Schaller, Chef der Raiffeisenlandesbank Oberösterreich, hat sich von der Idee überzeugen lassen, weil in einem Foto unzählige Personen, Unternehmen, Institutionen Platz finden, deren Homepage digital direkt angeklickt werden kann. Man kann sich darunter quasi eine digitale geografische Visitenkarte Österreichs und seiner Wirtschaft, Kultur, Landschaft usw. vorstellen. "Wir können zeigen, dass wir eine Menge Unternehmen haben, die Weltmarktführer sind, und auch, dass es vom Ansatz her besser ist, uns gemeinsam zu verkaufen", sagt Schaller. "Österreich ist nicht nur ein Tourismusland, Österreich ist ein Industrieland."

Die Österreicher hätten jeden Grund, stolz auf ihr Land zu sein, findet der Wahlösterreicher Rusch. Wenn Wien mal wieder zur lebenswertesten Stadt der Welt gekürt wird, sprechen ihn seine Freunde aus aller Welt -er hat auch in Deutschland gelebt und seine Frau ist Spanierin -darauf an. Er ist stolz darauf, hier zu leben, weil alles so gut funktioniert. Ein Paradies? Fast. Aber die Leute hier seien sich dessen viel zu wenig bewusst, bedauert Rusch. Auch diese Einstellung will er mit seinem Projekt ein Stück weit mitverändern. Er hat das Gefühl, dass die Leute zu wenig ins Ausland reisen, denn dann würden sie merken, wie schön, sicher und lebenswert Österreich sei.

Erst vorige Woche ist Österreich wieder unter die 20 Top-Wirtschaftsnationen des World Economic Forum gerückt. Es geht also aufwärts, wie immer man die Zahlen interpretieren mag. Dennoch bleibt das gemischte Gefühl im Raum, Wirtschaft und Österreich seien unvereinbare Gegensätze. Auch das soll das 360-Grad-Projekt verändern.

Schaller bewertet diesen Schulterschluss der Wirtschaft als "sehr, sehr wichtig". Man müsse gegenüber der Politik ein Zeichen setzen, das da lautet: "Für die Wirtschaft muss mehr getan werden."

Eine Studie des Instituts für Wirtschaftspädagogik ist zu dem Schluss gekommen, dass Österreichs Jugendliche Wirtschaft quasi mit Banken gleichsetzen. Und das Image von Banken und Bankern ist durch die Finanzkrise kein besonders gutes. Macht die Bank bei der Selfie-Aktion auch deshalb mit, um das Image zu verbessern? Schaller räumt das Problem mit dem Thema Image ein, sieht aber auch gegenteilige Meldungen, wenn es um die Hausbank geht. Soll heißen: Allgemein sprechen die Leute besonders an den Stammtischen gerne kritisch über Banken; wenn sie aber an den eigenen Berater denken, wird das Bild oft wieder geradegerückt. Zurück zum Ergebnis der Studie über die Jugendlichen: "Wenn das so wäre", meint Schaller, "müsste man den Jugendlichen in jedem Fall sagen, dass Österreich auch ein Industrieland ist." Das kann er als Chef der Raiffeisenlandesbank naturgemäß belegen, hat er doch vor seiner Haustür wichtige Unternehmen wie die Voestalpine.

Schaller hat in den vergangenen fünf Jahren als Chef der Raiffeisenlandesbank Oberösterreich das Bewusstsein dafür geschaffen, dass die Raiffeisenbanken im Bundesland vor allem in Verwaltungsbereichen wesentlich enger zusammenarbeiten müssen -durch die Konzentration bestimmter Tätigkeiten, damit sich die einzelnen Institute ganz auf den Markt konzentrieren können. Andererseits: "Wir haben das Geschäftsmodell intensiviert und das Beteiligungsgeschäft, das auch ein Finanzierungsgeschäft für die Bank sein kann, neu strukturiert", sagt Schaller. "Und natürlich haben wir auch geschaut, wenn ein solches Geschäft nicht richtig lief, und generell mit neuen Risikomethoden bewertet."

Dazu, dass er immer wieder als Chef des bald neu geordneten Raiffeisendampfers in ganz Österreich genannt wird (siehe Kasten), will Schaller nichts sagen. Was würde er als Chef seines Instituts machen, um den Wirtschaftsstandort insgesamt voranzubringen?"Wir müssen das Zusammenwirken der Wirtschaft im Ausland noch besser repräsentieren und bekannt machen. Wenn wir über diese Schiene mehr Aufmerksamkeit bekommen, beginnt auch ein zusätzliches Geschäft für jeden einzelnen Teil der Wirtschaft. Das Wesentliche ist das Zusammenwirken der wirtschaftstreibenden Institutionen, das heißt: Die Realwirtschaft muss von den Banken dementsprechend unterstützt werden können. Da brauchen wir ein zusätzliches Verständnis dafür, und ich erwarte mir schon, dass man damit erfolgreich ist."

Ausgeraunzt

Ein schönes Beispiel dafür ist das Selfie- Projekt. Fotograf Rusch erzählt einen kleinen Schwank, wofür die Österreicher bekannt seien. Sagt der eine: "Wow, du hast im Lotto gewonnen!" Sagt der andere: "Ja, aber ich muss Steuern dafür zahlen." Rusch liebt Österreich wegen vieler Details, die dem zum Raunzen tendierenden Österreicher selbst gar nicht mehr auffallen: Verkehr, Kriminalitätsrate, Drogen - all das sei in Österreich im Vergleich mit anderen Ländern ein geringes Problem. Der Wahlösterreicher könnte stundenlang weitererzählen, was noch alles super in Österreich ist.

1400 Tage hat Rusch bisher an seinem Projekt zum Pushen von Österreichs Wirtschaftsbild investiert. Im Café Alt Wien hat er angefangen, sich seine Gedanken zu machen, jetzt will er ganz Österreich involvieren, auch die Bundesländer und die Regierung. Außenminister Sebastian Kurz und Vizekanzler Reinhold Mitterlehner sind schon im Selfie-Boot, das aber noch lange nicht voll ist.

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