Der stille Tod von Indiens Bauern

250.000 Farmer haben sich seit 1995 das Leben genommen. Warum bringen sich viele um?

Jahr für Jahr beenden viele tausend indische Bauern ihr Leben durch Selbstmord. Lange wurde das Problem ignoriert und erst seit den späten 1990er Jahren wird den indischen Farmer-Suiziden verstärkte Aufmerksamkeit zuteil. Seit 1995 haben sich wohl zumindest 250.000 umgebracht, die Dunkelziffer könnte noch höher sein. Woran liegt es, dass sich jährlich tausende Bauern das Leben nehmen?

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Selbstmorde in Indien - Der stille Tod von Indiens Bauern

Indien verfügt über eine stark agrarisch geprägte Gesellschaft. Wenn es also auch viele Suizide unter Bauern gibt, wäre das alleine nicht überraschend. Die starke Konzentration auf wenige Bundesstaaten lassen jedoch viele von einer Selbstmord-Epidemie sprechen.

Selbstmord-Gürtel Maharashtra
Im am stärksten betroffenen Bundesstaat Maharashtra, in dem sich alleine im vergangenen Jahr mehr als 3.000 Bauern das Leben nahmen, spricht man von einem „Selbstmord-Gürtel“. In diesem Gebiet, steigt die Anzahl der Selbsttötungen sogar an, obwohl es aufgrund der Urbanisierung eigentlich immer weniger Bauern im Bundesstaat rund um Indiens Metropole Mumbai gibt. Verbleibende Landwirte wählen aber mehr und mehr den Freitod.

Viele Probleme kommen zusammen. Das Einkommen ist extrem niedrig, selbst wohlhabendere Landwirte verdienen kaum mehr als den indischen Mindestlohn. Kredite um Missernten zu übertauchen, oder in die Produktion zu investieren, sind fast nicht zu bekommen und wenn doch dann zu Wucherzinssätzen. Viele bringen sich um, weil sie ihre Kredite nicht mehr bedienen können und keinen Ausweg mehr wissen. Weitere Gründe sind die Perspektivenlosigkeit, die viele empfinden und was ebenfalls immer wieder genannt wird: Gentechnisch veränderte Pflanzen.

Selbstmord wegen gentechnisch verändertem Saatgut?
Viele Farmer würden sich verschulden um in das Saatgut zu investieren, aber dadurch in große Abhängigkeit von den Produktherstellern geraten. Besonders bekannt ist der US-Konzern Monsanto.
Ob gentechnisch veränderte Pflanzen etwas mit den hohen Selbstmorden zu tun haben, ist heute jedoch stark umstritten. Es gibt auch einige Studien die ganz im Gegenteil höhere Erträge und verminderten Pestizideinsatz durch diese Pflanzen annehmen.

Anders sieht das allerdings das indische Landwirtschaftsministerium, das sehr wohl einen Einfluss von gentechnisch verändertem Saatgut auf die Suizidraten sieht. Besonders im Bereich der Baumwollpflanzungen wo heute 90 Prozent aller Pflanzen gentechnisch verändert sind. Der Grund sei, dass die Vorteile dieser Pflanzen nur für wenige Jahre halten würden. Danach erhöht sich die Notwendigkeit Pestizide zu versprühen wieder und auch die Erträge sinken. Die hohen Kosten für dieses Saatgut lohnen sich deshalb nicht und treiben die Bauern in die Überschuldung.

Außerdem werden die Bauern nicht ausreichend geschult, wie sie mit den neuen Pflanzen umgehen können. Viele haben in den letzten Jahren investiert in Pflanzen die für den Export geeignet sind, insbesondere in Baumwolle. Allerdings sind die Anfangskosten hoch und viele der Pflanzen für das qualitativ oft sehr schlechte Ackerland gänzlich ungeeignet. Viele Bauern stehen am Ende des Tages mit hohen Schulden aber ohne nennenswerte Einkommenssteigerung da.

Keine Besserung in Sicht
Entscheidender sind wohl trotzdem andere Faktoren. In den letzten 16 Jahren hat sich im Schnitt alle 30 Minuten ein Farmer umgebracht. Ungefähr zu dieser Zeit begann auch die teilweise Öffnung der indischen Agrarmärkte welche die Kleinbauern einer Konkurrenz gegenüberstellte, der sie nicht gewachsen waren.

Viele der Betroffenen sind in einem Todeskreislauf aus hohen Schulden, geringem Einkommen und Ausweglosigkeit gefangen. Es fehlt aber auch generell das Interesse breiter Bevölkerungsschichten für die Lage der Bauern. Das wirtschaftlich rasant wachsende Indien nimmt sich immer mehr als urbanisiertes Land wahr und auch die Interessen von Medien, Öffentlichkeit und Politik konzentrieren sich mehr und mehr auf den städtischen Raum.

Die Bauern und ihre Probleme haben es da zunehmend schwierig in der Öffentlichkeit als Thema vorzukommen. Zwar gibt es auf öffentlichen Druck hin einige Maßnahmen, um den in Not geratenen Bauern zu helfen auch die Angehörigen der Selbstmörder werden finanziell unterstützt. Jedoch ist es keiner dieser Maßnahmen bislang gelungen, grundlegend etwas an der Situation zu ändern.

Kommentare

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Wie tickt Monsanto? Das Schöne an dieser Erde ist, dass die Natur bzw. das Leben kostenlos Pflanzen, Menschen, Wasser und Nahrung produziert und reproduziert. Den Turbokapitalisten und Voodoo-Priestern jener Religion, die meinen alles und jedes habe eine Ware zu sein, ist diese Kostenlosigkeit natürlich ein Gräuel und ein Dorn im Auge. Denn der einzige Antrieb, den diese Anhänger haben, ist die Anhäufung größtmöglicher Profite in möglichst kurzer Zeit, die kontinuierliche Ausdehnung ihrer Macht und die Beseitigung jeden sozialen Hindernisses. Dazu genießen sie die gekaufte Unterstützung von Politikern aller Länder.

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Re: Wie tickt Monsanto? Und für Monsanto sind GMOs eine Quelle astronomischer Gewinne, weil sie durch Patente geschützt sind. Das heißt, entweder legt der Bauer, der dieses Saatgut gezwungenermaßen verwendet, von der Ernte des Vorjahres das nötige Saatgut für das kommende Jahr beiseite, dann muss er Monsanto Gebühren dafür bezahlen. Oder er kauft GMOs, die sich nicht für Reproduktion verwenden lassen, dann muss er alljährlich neues Saatgut kaufen. Den Preis bestimmt natürlich der Markt und der schert sich bekanntlich einen Dreck darum, ob\'s sich der Einzelne leisten kann oder nicht. Kleinbauern treibt das naturgemäß in den Ruin. Und in Indien gibt\'s nun mal jede Menge Kleinbauern.

Übrigens hat Monsanto auch bei uns schon einen Fuss in der Tür. Freuen wir uns.

Ignaz-Kutschnberger
Ignaz-Kutschnberger melden

@higgs70 so so...danke für die Info geschätzter @higgs70... weil Sie ja erwähnt haben dass Monsanto auch schon bei uns einen Fuß in der Tür habe... heißen die bei uns zufällig Lagerhaus oder so ähnlich??

wintersun melden

Re: Wie tickt Monsanto? Im Lagerhaus gibt es zumindest Produkte von Monsanto ist mir aufgefallen.

Dokus über Monsanto - kann ich EINFACH JEDEM sehr stark empfehlen:

http://video.google.com/videoplay?docid=-7781121501979693623#

http://www.youtube.com/watch?v=ILPAO-4aq1U

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Re: Wie tickt Monsanto? Nein, mit einen Fuss in der Tür, meinte ich, dass die EU-Kommission 2010 beschlossen hat, dass Gen-Mais von Monsanto eingeführt werden darf. Und lange wird\'s wahrscheinlich nicht mehr dauern, bis er auch angebaut werden darf und somit auch EU-Bauern "versklavt" werden.
Wer\'s dann vertreibt spielt im Prinzip keine Rolle, ob\'s Lagerhaus oder sonst jemand ist.

http://www.spiegel.de/wirtschaft/unternehmen/monsanto-co-eu-erlaubt-fuenf-neue-genmais-sorten-a-708940.html

Mit Pestiziden sind sie ohnehin schon bei uns vertreten, und auch das ist nicht ohne. Guckst du hier: http://news.orf.at/stories/2062665/2062666/

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Re: Wie tickt Monsanto? @ wintersun
danke für den Tipp, die beiden Filme kannte ich noch nicht.

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