Selbstliebe lernen

Ein partnerschaftliches Liebesleben kultivieren, statt nach einiger Zeit nebeneinander zu Fossilien zu erstarren. Sich selbst wertschätzen, Leistungsdruck wegnehmen, sich nicht innerlich zerfleischen. In den Wunder_Prozessen suchen die teilnehmenden Menschen besondere Orte auf, um sich selbst wieder näherzukommen. Ob am Meer oder auf einem Gletscher, den Verwandlungsorten ist eines gemeinsam: Schon das Ambiente wirkt Wunder.

von Dr. Monika Wogrolly © Bild: Matt Observe/News

Die Nadel des inneren Kompasses schwingt. Auf einmal sind Sie von Ihren Sicherheit gebenden, aber auch einengenden Routinen weg, ohne die gewohnte Erkenntnisbrille, und dürfen sich neu sortieren. Die Bauchatmung und der Bodyscan sind wichtige Tools, um eher zu spüren, wie es Ihnen an der Stelle Ihres Lebens jetzt wirklich geht. Wie das klappt? Lesen Sie Schritt für Schritt im Folgenden, aber: einfach nur unvoreingenommen schauen und lieber fühlen als zu viel zu denken, so ein gut gemeinter Tipp. Anfangs legen Sie am besten eine Hand auf den Bauch und die andere Hand auf die Brust. Drücken Sie mit dem Rücken leicht gegen die Unterlage oder im Sitzen Ihre Rückenlehne, mit dem Gesäß gegen die Sitzfläche und mit den Fußsohlen gegen den Boden. So fühlen Sie die Körpergrenzen. Das gibt augenblicklich Halt. Lässt im Hier und Jetzt ankommen. Scannen Sie mit Ihrer vollen Aufmerksamkeit Ihren Körper nun als Ganzes, vom Kopf bis zu den Zehen - wie fühlt sich Ihr Leib gerade an? Und auch wenn es da und dort kribbelt und sich noch angespannt anfühlt, einfach so sein lassen. Es darf so sein, wie es jetzt ist, und ist ganz in Ordnung.

Und jetzt den Atem fließen lassen. Bitte achten Sie darauf, dass sich beim Einatmen Ihre Bauchdecke leicht nach außen wölbt und sich beim Ausatmen leicht nach innen senkt. Beim Einatmen Luft durch die Nase in den Bauch atmen, als würden Sie an einer Blume riechen. Beim Ausatmen durch den leicht geöffneten Mund den Atem langsam ausströmen lassen, als würden Sie auf einen Löffel Suppe pusten. Wenn Sie die Bilder mit Blume und Suppe verinnerlichen, atmen Sie im richtigen Tempo. Nach drei tiefen Atemzügen mit Bauchatmung und einer Runde Bodyscan - Sie reisen mit Ihrer Aufmerksamkeit durch jeden Körperteil und nehmen sich so bewusst wahr, setzen sich wie bei einem Puzzle zusammen -sind Sie in einer besseren Stimmung, entspannter und eher bereit für Neues, das Sie sonst womöglich nicht bereichern, sondern sogar irritieren, nerven oder stressen würde. Der Grund: Unser erlerntes, durch Erfahrungen programmiertes Denken versucht immer alles wie gewohnt zu ordnen. Daraus entsteht dann schnell eine Pseudo-Klarheit, wenn wir Unbekanntes schubladisieren, um eine daraus entstehende mögliche Gefahr vorsorglich zu entschärfen. Dies ist aber ein Trugschluss, da wir uns so häufig um den Blick auf neue Wege und Chancen bringen. Darum fällt es vielen erwiesenermaßen schwer, einen gewünschten Veränderungsprozess in den eigenen vier Wänden zu verwirklichen. Zu eingespielt sind die täglichen Routinen, und ganz automatisch schnappt die Gewohnheitsfalle zu. Die Lösung? Ganz einfach: auf und davon!

Eine neue wertneutrale Erkenntnisbrille löst durch ungewohnte Umgebungsreize den Tunnelblick ab

Wunder_Prozesse heißt eine Serie multimodaler Verwandlungsprozesse an unterschiedlichen Orten zu unterschiedlichen Wunschthemen. Genutzt werden Wirkfaktoren einer erstaunlich anderen Umgebung. So auch beim Meer:Wunder_Prozess in Sri Lanka. Das Wunder beginnt im Kopf; mit dem Wunsch nach Veränderung: wieder zum natürlichen Körpergefühl zurückfinden. Zur gesunden Grenze der Belastbarkeit, vom Funktions-in den Genussmodus. Wegkommen von der inneren Leere, dem inneren Ausgebranntsein. Für die Teilnehmenden wird das zu einer intensiven Selbsterfahrung, beruhend auf wissenschaftlichen Erkenntnissen über den biopsychosozialen Kompass des Menschen. So paradox es sich anhört, Krisen können heilsam sein: Oft sind Menschen erst zu Veränderung und Persönlichkeitswachstum bereit, wenn der Leidensdruck ein bestimmtes Niveau übersteigt. Daher kann eine Krise den besten Start für einen Transformationsprozess bedeuten. Eine strukturelle Veränderung von Verhaltensund Denkmustern ist nicht mit einem Fingerschnippen zu erreichen. Entscheidend ist, sich von der Opferrolle zu befreien. Aus innerer Unruhe wird dann Klarheit, aus Angst vor Unerwartetem Lust auf Neues, und im besten Fall entwickelt sich daraus der Spirit des Lebens, der so oft abhandenkommt.

Schritt 1: Kein Brief ans Christkind, ein schonungslos ehrlicher Wunschzettel an sich selbst, wie man sein möchte

Im Meer:Wunder_Prozess richtet man seine Wünsche an genau den Menschen, der man sein will. Es ist wie eine Lebensbeichte bei sich selbst. Alle vor sich selbst geheim gehaltenen Hoffnungen, Erwartungen und Träume und alles, was Sie anders haben möchten, kommt ans Licht. Und dann ist es so weit. Eine kleine Gruppe sieht sich zum ersten Mal im Barberyn Beach Resort in Sri Lanka: Mark, Paul, Margot und Ingeborg. Alle sind grundverschieden. Aber alle haben die Lebensfreude schleichend eingebüßt. Mark schreibt in seinem Zukunftsbrief an sich, seine Trauer und Depression in Kraft umwandeln zu wollen. Sein Vater und Vorbild ist elend an Demenz verstorben. Auslöser für den Sohn, sich zu verändern. Ebenso wie Margot, die sich gerade scheiden ließ und trotz Erleichterung nach der Trennung wie vor dem Nichts steht. Paul hat den Job verloren und fragt sein künftiges Ich, welche seine neuen Werte sind. Er wünscht sich Selbst-statt Fremdbestimmung. Ingeborg ist in einer Partnerschaft des Schweigens, ohne Liebe. Und nun wünscht sie im Brief an ihr künftiges Ich, dass dieses mehr als sie jetzt in der Lage sein möge, sich überhaupt wieder Wünsche zu erlauben. Die Briefe an das -auf Englisch: Future Self - sind abgeschickt. Und das Wunder der Transformation ist im Gange. Folgende Überlegungen unbedingt einschließen: Wozu soll dieser Mensch, der Sie dann sind, in der Lage sein? Wie soll sich dieser Mensch fühlen? Woran werden Sie oder andere Ihre Verwandlung erkennen? Der Brief an sich selbst enthält keine Klagen, sondern folgt dem "Prinzip des reinen Tisches". Wer lieber problematisiert und sein künftiges Ich mit allem zutextet, was nicht geht, vertieft erwiesenermaßen dieses defizitorientierte Bewusstsein. Es kommt zu unlösbaren Verstrickungen -in der Psychologie bekannt als Gedankenkreisen -anstatt zu lösungsorientierten Perspektiven.

Schritt 2: Hochwirksame Behandlungen für Körper, Geist und Seele

Das Barberyn Beach Resort in Sri Lanka bietet ein Rundumprogramm, um ins Spüren zu kommen, das in "Wert durch Leistung"-gesteuerten Gesellschaftsformen verloren geht. Barberyn-Resorts gibt es mehrere in Sri Lanka. Sie heißen Barberyn Beach, Barberyn Wave usw. Eines authentischer als das andere. Und authentisch heißt in dem Zusammenhang archaisch, regelgetreu, streng. Gleich nach der Ankunft geht es für alle zur ärztlichen Visite. Spätestens da wird den Teilnehmenden bewusst, dass es sich, wenngleich die Kulisse aus Sonne, Sand und Meer darauf hindeutet, um keinen Cluburlaub mit Fun-Faktor handelt. Die Ärztinnen im traditionellen Sari nehmen singend erste Pulsdiagnosen vor. Sie setzen die Gäste unversehens auf ayurvedische Kost und Medizin. An der Poolbar gab es bis vor der Pandemie nur "warm or hot water" von einem verständnislosen Barkeeper, wenn man nach Orangensaft oder gar Piña colada zu fragen wagte. Aktuell bekommt man neben warmem und heißem Wasser immerhin revolutionär Papayasaft. Die nächsten 21 Tage erwartet die Gruppe jeden Vormittag ein umfassendes Behandlungsangebot mit ergänzenden Reflexionen. Ein klarer Tagesablauf bereitet den Boden struktureller Veränderung; raffiniert komponiert aus Mentaltraining und Erkenntnisübungen aus den Bereichen philosophische Praxis, Selbstachtsamkeit und Selbstwertschätzung einerseits und etablierten Körperbehandlungen des Resorts andererseits. In den Tag starten Sie mit morgendlicher Akupunktur, darauffolgenden Vierhandmassagen, heißen Kräuterstempeln. Dann geht es eine Etage tiefer in den Kräutergarten zu individuellen Kräuterwickeln, wobei man knapp eine Stunde unter einem Laken und mit in Öl getränkten Wattepads auf den Augen döst, mit finalen Peelings und Bädern. Ferner gibt es individuelle zusätzliche Behandlungen, ayurvedische Ölgüsse, Schweigetage und entschlackende Darmspülungen.

Schritt 3: Rückkehr ins Kind-Ich, Psychohygiene und Clearing des Denkens

Die mit dieser Art von "Pampering", Berührung und Waschung wie von Kleinkindern einhergehende Regression (lateinisch "regredior" für die Rückkehr auf eine frühere Entwicklungsstufe) ist als physische Grundlage des Wandels unverzichtbar. In diesem Zusammenhang sei der Koffeinentzug erwähnt, dem man sich im Resort freiwillig aussetzt. Der Sinn dahinter: Es geht nicht um Entbehrungen, sondern um den "biopsychosozialen Dreh", um sowohl Psyche als auch Körper so richtig bereit für Klarheit zu machen. Ein Großreinemachen von Körper, Geist und Seele -auch unter dem Begriff der Psychohygiene bekannt. Hilfreich sind dabei zuverlässige Rituale und Routinen, die tagtägliche Wiederkehr des Gleichen: Das schafft durch Konditionierung den ultimativen Kick für den inneren Kompass, vermittelt Sicherheit und macht innerlich frei. Der Körper wird aufgelockert, gut durchblutet und gelöst durch Berührung, Ernährungsumstellung und jede Menge Öl.

Schritt 4: Teil der Natur sein

Wirkungsvolle Verwandlungsprozesse spielen sich neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen zufolge allesamt in der Natur ab oder ereignen sich dort zumindest viel eher. Ob auf hochalpinem Niveau, am Meer oder an speziellen Orten mit Wirkkraft und Bedeutung: Durch Rituale und die mit den ayurvedischen Behandlungen einhergehende Regression werden die Teilnehmenden durch ihren persönlichen Meer:Wunder_ Prozess getragen. In Sri Lanka fliegen Pfaue, diese prächtigen Hühnervögel, hoch über den Baumkronen, tummeln sich nah beim Ressort Elefanten und Affen.

Schritt 5: Nachhaltige Erkenntnisse

In regelmäßigen kollektiven Reflexionen können eine neue innere Haltung und Struktur entstehen. Aber Vorsicht: Ihr neues Denken ist einem Pflänzchen vergleichbar, das man nicht gleich zum schattenspendenden Baum machen kann. Daher ist Geduld das beste Düngemittel, nur erreichbar durch Selbstachtsamkeit und Selbstfürsorge -beides wird im Meer:Wunder_Prozess erlernt. Und die neuen Impulse zeigen Wirkung: Mark will seine Trauer und Depression in Kraft umwandeln und ahnt gegen Ende des Meer:Wunder_Prozesses schon viel eher, wie. Sein Selbstwert darf sich nun erstmals unbeschwert entfalten. Daran wird er weiter glauben und nach seiner Rückkehr daran arbeiten, sich nicht im Schatten des erfolgreichen Vaters minderwertig zu fühlen, sondern den "Wohlfühl-Mark", der er durch Achtsamkeitsübungen in Sri Lanka wurde, ohne Leistungsdruck und ständige vernichtende Selbstkritik mitzunehmen.

Und Margot, die nach der Scheidung in eine Entlastungsdepression verfiel, sieht auf einmal wieder Möglichkeiten, ihr Leben sinnvoll zu gestalten. Sie will malen, ein Atelier mieten und sich damit einen Kindheitswunsch erfüllen. Paul möchte auch ohne beruflichen Erfolg glücklich sein und nimmt, wie die anderen, ein Symbol für seine neue Lebenseinstellung mit: Einen hölzernen Elefanten, der, sagt er, nicht mehr beruflich angepflockt ist. Ingeborg wird ihr Beziehungsgefängnis bewusst, und sie ist zu einer Trennung bereit, sollte ihr Wunsch nach Beziehungsarbeit mit ihrem Partner an dessen Widerstand scheitern.

Nach der Rückkehr werden die nun auch wieder körperlich fühlbar gewordenen Wünsche im Alltag mit Geduld, Bauchatmung und Selbstachtsamkeit prozesshaft verwirklicht. Das Wunder gelingt aber nur, wenn Angst und Unsicherheit weichen und ein Comeback des kindlichen Staunens und der Neugierde möglich ist.

Wenn die Gewohnheitsfalle mit alten Denk-und Verhaltensmustern zuschnappt, nimmt jede und jeder ihr bzw. sein Meer:Wunder in Form eines symbolischen Krafttieres zur Hand. Und holt sich so das Gefühl des Einsseins mit sich und der Welt selbst zurück, anstatt vom gesunden Bauchgefühl abzudriften. In der Psychologie spricht man von Dissoziation, wenn man aufhört, sich selbst zu spüren, und rein im Funktionsmodus ist.

Und dann ist da ja noch etwas, das einen erwartet: Der Brief an das künftige Ich, das jetzt alles anders machen kann, wenn, ja wenn dieser Mensch wirklich von sich selbst die Erlaubnis bekommt, das Leben ein Wunder sein zu lassen.